Prinzip der materiellen Objektivität
Das Prinzip der materiellen Objektivität postuliert in der Materialtheorie, dass jede Darstellung materieller Eigenschaften unabhängig vom Bezugssystem des Beobachters und seiner Bewegungen sein sollte.:277f Beobachter, die sich unterschiedlich bewegen, müssen aus einer Materialgleichung auf ein und denselben Spannungszustand schließen können. Statt von einem Prinzip wird auch von einem Axiom gesprochen.
Mögliche Umschreibungen sind:
- Das Materialverhalten erlaubt keinerlei Rückschlüsse zu ziehen darauf, in welchem Bezugssystem es beobachtet wurde.:289
- Materialeigenschaften sind invariant gegenüber überlagerten Starrkörperbewegungen.:292
- Die Materialeigenschaften beschreibenden Gleichungen (kurz Konstitutivgleichungen) sind invariant gegenüber einem Wechsel des Bezugssystems.
Es ist eines der grundlegenden Prinzipien in der Materialtheorie, die Methoden der mathematischen Modellierung des Materialverhaltens und der Verbindung von Konstitutivgleichungen mit den physikalischen Gesetzen entwickelt. Dieses Prinzip schränkt die mathematische Form der konstitutiven Gleichungen ein:277 und gibt so einen groben Rahmen vor, wie Materialmodelle formuliert werden müssen.:292
Die formale Unabhängigkeit der konstitutiven Gleichungen vom Bezugssystem ist zweifelsohne zwingend erforderlich; dass aber – wie vom Prinzip gefordert – Materialmodelle auch unabhängig von der Translations- oder Rotationsgeschwindigkeit des Bezugssystems sein sollten, kann nicht unbedingt als zwingendes Naturgesetz angesehen werden.:278 In seiner heutigen Form wurde es von C. A. Truesdell und W. Noll 1965 formuliert und seine lange Vorgeschichte von Robert Hooke bis ins 20. Jahrhundert wird ausführlich im Handbuch der Physik wiedergegeben.
Andere Bezeichnungen für dieses Prinzip sind Prinzip der Beobachterindifferenz und Prinzip von der materiellen Bezugssysteminvarianz (englisch material frame-indifference).