Prozess und Realität

Der Essay Prozess und Realität ist ein zuerst 1929 in New York unter dem Originaltitel Process and Reality: An Essay in Cosmology erschienenes Werk des britischen Philosophen und Mathematikers Alfred North Whitehead (1861–1947). Es ist hervorgegangen aus den 1927/28 an der Universität Edinburgh gehaltenen „Gifford Lectures“. Der „spekulative Gesamtentwurf“ gilt – im Zusammenhang mit „Wissenschaft und moderne Welt“ (orig. Science and the Modern World, 1925) und „Abenteuer der Ideen“ (orig. Adventure of Ideas, 1933) als philosophisches Hauptwerk Whiteheads. Vorangegangen war eine lange Zusammenarbeit mit Bertrand Russell, deren Ergebnis das mathematische Grundlagenwerk Principia Mathematica war. Im Jahr 1979 wurde Prozess und Realität ins Deutsche übersetzt.

Die äußerst anspruchsvolle Abhandlung befasst sich mit Fragen der Metaphysik, Naturphilosophie und Erkenntnistheorie. Im Gegensatz zur traditionellen „Subjektphilosophie“ und zu materialistischen Naturinterpretationen entwarf Whitehead ein System, in dem sich das Universum nicht aus Substanzen, aus einer passiven Materie, sondern aus elementaren, ineinander greifenden und miteinander verwobenen Prozessen und Relationen zusammensetzt. Eine Kosmologie als Untersuchung der Realität und der Relationen zwischen verschiedenen Aspekten des Seienden ist dieses Werk, weil Whitehead alle Mechanismen und Strukturen der Natur einschließlich des Menschen und seiner Kultur in seine metaphysische Theorie einbezog. Whitehead dachte die Welt als einen ganzheitlichen, strukturierten und schöpferischen Organismus, der den Menschen, die Welt und Gott harmonisch umfasst. Er legte hier das Fundament für sein „ontologisches Prinzip“, wonach es in der Wirklichkeit nichts gibt, was nicht aus ihren (atomistischen) Basisereignissen aufgebaut ist.

Mit dem Abklingen des Fokus der Analytischen Philosophie auf die Sprache gewann die Metaphysik Whiteheads zum Ende des 20. Jahrhunderts hin zunehmend an Bedeutung, weil sie mit modernen Ansätzen in der Quantenphysik, der Systemtheorie und den Kognitionswissenschaften, den Forschungen in der Biologie oder der Ökologie, aber auch neuen Konzepten der Theologie in Einklang gebracht werden kann. In Prozess und Realität fällt auch Whiteheads berühmtes Zitat von der „Charakterisierung der philosophischen Tradition Europas“ als „einer Reihe von Fußnoten zu Platon“ (PR 91), wobei er damit keine Abwertung anderer Philosophen verband, sondern hervorhob, dass aufgrund des Gedankenreichtums kein Nachfolger ohne eine Auseinandersetzung mit Platon auskommen könne.

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