Schuldgefühl
Das Schuldgefühl ist eine – normalerweise als negativ wahrgenommene – soziale Emotion, welche bewusst oder unbewusst einer Fehlreaktion, Pflichtverletzung oder Missetat folgen kann. Mögliche körperliche Reaktionen (Erröten, Schwitzen, eventuell sogar depressive Verstimmung, Fieber oder Magenverstimmung) sind vergleichbar mit denen der Scham oder Angst. Schuld, Scham und Verantwortungsgefühl können leicht verwechselt werden, d. h. die Abgrenzung im Erleben des Individuums ist häufig schwierig. In der Fachliteratur wird Scham von Schuld mittels der Bewertungsgrundlage des Verhaltens abgegrenzt: Während Schuld nach Michael Lewis (2000) durch eine negative Bewertung eines spezifischen Verhaltens erzeugt wird („ich habe etwas Falsches getan“), wird Scham durch eine negative Bewertung des Selbsts erzeugt („ich bin ein schlechter Mensch“). Auch die Attributionstheorien beschäftigen sich mit der Wirkung, je nachdem, ob einzelne gelungene oder misslungene Handlungen als indikativ für die ganze Person interpretiert werden.
In der ursprünglich auf Freud zurückgehenden Tiefenpsychologie wird das Schuldgefühl durch das „Über-Ich“ ausgelöst. Im Gegensatz dazu wird davon ausgegangen, dass Scham durch einen Vergleich mit dem Ichideal ausgelöst wird. Die Fähigkeit zum Erleben von Schuldgefühlen und deren Auslösbarkeit durch charakteristische aktuelle Lebensereignisse wird nach analytischen und tiefenpsychologischen entwicklungspsychologischen Theorien innerhalb charakteristischer Lebensphasen in der Kindheit erworben. Das Gefühl der Schuld wird nach Zinck zu den selbstreflexiven Emotionen oder nach Krause zu den me-emotions gerechnet, weil sie in der Auseinandersetzung mit sich selbst und eigenen Wertmaßstäben entstehen. Während die Basisemotionen schon in den ersten Lebensmonaten zu beobachten sind, werden selbstreflexive Emotionen erst später erworben, etwa ab dem zweiten Lebensjahr, wenn Repräsentanzen des eigenen Selbst und von anderen vorhanden sind. Michael Lewis geht von einem Zeitraum zwischen dem zweieinhalbten und dritten Lebensjahr aus.