Siphoviren
Die morphologisch begründete (nicht-taxonomische) Gruppe der Siphoviren (manchmal auch Siphophagen genannt, englisch siphoviruses bzw. siphophages, früher auch Morphotyp B genannt) umfasst eine Reihe von Familien, Unterfamilien und Gattungen von Viren mit einem linearen Molekül doppelsträngiger DNA (dsDNA) als Genom von ca. 22–121 kbp Länge.
Die Einteilung der Viren in Systematiken ist kontinuierlicher Gegenstand der Forschung. So existieren neben- und nacheinander verschiedene Virusklassifikationen sowie die offizielle Virus-Taxonomie des International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV). Die hier behandelte Gruppe ist als Taxon durch neue Forschungen obsolet geworden oder aus anderen Gründen nicht Teil der offiziellen Virus-Taxonomie.
Siphoviren | ||||||||||||
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Bacillus-Virus Gamma, Isolat d’Herelle | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Taxonomische Merkmale | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
„Siphoviruses“ | ||||||||||||
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Ihre Morphologie ist gekennzeichnet durch ein 50–60 nm im Durchmesser großes ikosaedrisches Kapsid mit einem 56–570 nm langen, nicht-kontraktilen Schwanzteil. Dieses Schwanzteil besteht aus übereinander gestapelten Scheiben von 7 bis 10 nm Durchmesser, die aus sechs identischen Untereinheiten aufgebaut sind. Wegen dieser für die Siphoviren charakteristischen Struktur leitet sich der Name für den Morphotyp von griechisch σίφων siphon, deutsch ‚Wasserröhre‘ ab.
- Subtypen der Siphophagen (Siphoviren).
Die Siphoviren werden unterteilt in Subtypen: 1: Kopf und Schwanz ohne Anhängsel; 2: knopfartige Anhängsel an Kopf und Schwanz mit einem Haken am Ende; 3: knopfartige Anhängsel an Kopf, Schwanz mit kurzen Anhängseln.
Die Siphoviren haben Prokaryoten zum Wirt. Gewöhnlich sind dies Bakterien, was sie nicht-taxonomisch als Bakteriophagen klassifiziert. Es gibt aber auch Siphoviren, die Archaeen infizieren. Eine künstlerische Darstellung von Virusteilchen der Siphoviren, eine Bakterienzelle angreifend, findet sich zusammen mit Details des Schwanzaufbaus bei EurekAlert (Nov. 2020).
Die Ordnungen, Familien und Gattungen der Siphoviren unterscheiden sich hinsichtlich der Organisation des Genoms, den Mechanismen der DNA-Verpackung und dem Vorhandensein einer DNA-Polymerase. Einige Gattungen (λ-ähnliche bis L5-ähnliche Viren) haben ein regulär-ikosaedrisches (d. h. isometrisches) Kapsid, bei den anderen ist das Kapsid langgestreckt und nicht-isometrisch.
Wichtige Spezies der Siphoviren sind das Escherichia-Virus Lambda (Lambda-Phage, Gattung Lambdavirus), der Salmonella-Virus Chi (Chi-Phage, Gattung Chivirus), der Escherichia-Virus HK97 (HK97-Phage, Gattung Hendrixvirus), das Bacillus-Virus Gamma (Gamma-Phage, Gattung Wbetavirus) und der „Enterobacteria-Phage Phi80“ (Phi80-Phage, Status zum 6. Februar 2021: Vorschlag ohne Gattungszuordnung).
Die Gruppe galt lange Zeit als ein Virustaxon im Rang einer Virusfamilie mit der Bezeichnung Siphoviridae. Im März 2021 wurde vorgeschlagen, diese Familie mitsamt der Ordnung Caudovirales wegen fehlender Monophylie aufzulösen und (wie damals bereits z. T. geschehen) durch neu zu schaffende Familien zu ersetzen, damit neue Ergebnisse aus der Metagenomik in die Taxonomie aufgenommen werden können. Zudem scheint es Viren zu geben, die keinem der drei Caudoviricetes-Morphotypen zuzuordnen sind, wie etwa den Roseobacter-Phagen DSS3Φ8, der den Bakterienstamm Ruegeria pomeroyi DSS-3 infiziert. Dieser wird zwar unter die Siphoviren klassifiziert (Subtyp B3), zeigt aber auch Merkmale von Podoviren.
Das International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) hat dem im März 2022 entsprochen. Gemäß Vorschlag bleibt die Bezeichnung „Siphoviren“ (englisch siphoviruses) aber als informeller Sammelbegriff morphologisch ähnlicher Prokaryotenviren mit einem linearen Doppelstrang-DNA-Genom erhalten.