Umrisskonstruktion
In der Darstellenden Geometrie benutzt man zur Darstellung gekrümmter Flächen (Kugel, Zylinder, Rotationsflächen, …) den Umriss dieser Flächen. Unter dem Umriss kann man sich Flächenkurven vorstellen, die für einen Betrachter die Fläche von ihrer Umgebung trennen (siehe linkes Bild mit der Vase). Offensichtlich hängt der Umriss einer Fläche von der Art der Projektion (Sicht) ab. Für glatte Flächen (es gibt in jedem Punkt eine Tangentialebene) gilt: In einem Umrisspunkt einer Fläche ist der Projektionsstrahl eine Tangente an die Fläche. Bei Parallelprojektion ist die Projektionsrichtung in jedem Punkt gleich, bei Zentralprojektion (die Strahlen gehen durch einen festen Punkt, dem Augpunkt) hängt die Projektionsrichtung von dem zu projizierenden Punkt ab. Die Gesamtheit aller Umrisspunkte bildet die Umrisskurve (oder Umrisslinie) der Fläche. Zum Beispiel ist die Umrisskurve einer Kugel bei Parallelprojektion ein Großkreis (Kreismittelpunkt ist auch Kugelmittelpunkt). Bei Zentralprojektion ist der Umriss auch ein Kreis der Kugel, aber sein Mittelpunkt ist nicht der Kugelmittelpunkt (siehe Bild). In der Darstellenden Geometrie nennt man die Umrisskurve auf der Fläche den wahren Umriss. Die Projektion des wahren Umrisses ist eine ebene Kurve (in der Bildtafel) und heißt scheinbarer Umriss. Bei einer Parallelprojektion ist der wahre Umriss einer Kugel immer ein Großkreis. Bei senkrechter Parallelprojektion ist der scheinbare Umriss ein zum wahren Umriss kongruenter Kreis (die Radien sind gleich). Bei einer Vogelperspektive (schiefe Parallelprojektion, siehe Bild) ist der scheinbare Umriss eine Ellipse. Bei Zentralprojektion ist zwar der wahre Umriss in jedem Fall auch ein Kreis (vorausgesetzt der Augpunkt ist außerhalb der Kugel). Die Projektion dieses Kreises, also der scheinbare Umriss, kann wieder ein Kreis sein, aber nur, wenn der Mittelpunkt der Kugel auf der Lotgerade vom Augpunkt auf die Bildtafel liegt (siehe Bild). In allen anderen Fällen ist der scheinbare Umriss einer Kugel bei Zentralprojektion eine Ellipse. Je weiter der Kugelmittelpunkt von der Lotgerade entfernt ist, desto verzerrter ist der scheinbare Umriss.
Wie das Beispiel mit der Vase zeigt, tragen nicht nur Punkte, in denen die Projektionsrichtung eine Tangentenrichtung ist, zum Umriss bei, sondern auch Randkurven (Deckel und Bodenkreis). Dies ist insbesondere bei der rechnerischen Bestimmung des Umrisses zu beachten. Zeichnerisch macht man das „automatisch“ richtig.
Eine gute Vorstellung vom wahren Umriss erhält man, wenn man sich die Fläche mit parallelem oder zentralem Licht beleuchtet vorstellt. Der wahre Umriss ist dann die Eigenschattengrenze auf der Fläche. Der scheinbare Umriss ist die Schlagschattengrenze der Fläche auf der Bildtafel.
Wie wir im Abschnitt Rechnerische bestimmung des Umrisses nachweisen, ist der wahre Umriss nicht nur bei der Kugel eine ebene Kurve, sondern bei allen Quadriken ist der wahre Umriss und damit als Projektion auch der scheinbare Umriss ein Kegelschnitt (Ellipse, Hyperbel, Parabel, …). Dass dies aber nicht generell der Fall ist, zeigen die Beispiele der Vase oder des Torus (siehe Bild). Rechnerisch ist im Allgemeinen die Bestimmung des Umrisses ein anspruchsvolles Problem und wird meistens mit geeigneten Algorithmen iterativ gelöst. In der klassischen Darstellenden Geometrie (mit Zirkel und Lineal) lassen sich für viele technisch wichtige Fälle (Kugel, Zylinder, Kegel, Torus, Rohrflächen, …) Umrisse bei senkrechter Parallelprojektion relativ leicht durch eine Approximation mit Hilfe eines Kurvenlineals bestimmen. Der Schlüssel für diese zeichnerische Approximation liegt im einfachen Umriss einer Kugel: Der Umriss einer Kugel ist bei senkrechter Parallelprojektion ein Kreis mit dem gleichen Radius. Der Umriss einer Fläche, die Einhüllende einer Schar von Kugeln (eventuell mit variablen Radien) ist, lässt sich als Einhüllende von Kreisen (Umrisse der Berührkugeln) zeichnerisch bestimmen (siehe Abschnitt Zeichnerische Bestimmung des Umrisses).
Bei einem Polyeder (siehe Bild mit Oktaeder und Ikosaeder) besteht der Umriss aus einem oder mehrerer Polygonzüge (zusammenhängende Strecken). Zeichnerisch lässt sich der Umriss eines Polyeders leicht intuitiv bestimmen. Wie man die Umrisskanten rechnerisch findet, wird unten erklärt.
Bemerkung: In manchen Büchern wird der wahre Umriss auch Kontur genannt.