Winckelmann Pelz-Fachverlag
Der Winckelmann Pelz-Fachverlag, kurz Winckelmann Verlag, wurde 1909 von Louis Winckelmann (* 1882 in Holstein; † 1937 in Deauville) mit ursprünglichem Sitz in Leipzig gegründet. Im selben Jahr veröffentlichte er, in einer Zeit der zunehmenden Telefonanschlüsse, das erste Adress- und Telefonbuch der Pelzbranche. Ursprünglich hatte er nur an einen kleinen Wandzettel gedacht, der die Pelzgroßhändler mit ihren Telefonnummern auflistet. Er bekam sofort von fünf Unternehmen Anzeigenaufträge für je einen Streifen der Tabelle. Von jetzt an erschien das Wandplakat, zunehmend größer werdend, alle sechs Monate. Auf Anregung seines Freundes, dem Pelzveredler und -händler Franz Märkle, Firma Märkle & Co., kamen in den 1920er Jahren Ausgaben in den jeweiligen Landessprachen für die meisten europäischen Staaten hinzu. Dies begründete eine Fachverleger-Familie, die weltweit Adressbücher und Zeitschriften für die sich schnell entwickelnde Pelzindustrie herausgab. Die „Winckelmänner“ waren nicht nur im deutschsprachigen Raum für die Taschenbücher letztlich ein feststehender Begriff innerhalb des Fachbereichs. Die Auflagenhöhen scheinen nicht publiziert worden zu sein, Ausgaben für das Pelzhandelszentrum Leipziger Brühl einschließlich Berlin und in anderen Ländern erschienen zeitweilig sogar zweimal im Jahr.
Louis Winckelmann verließ Deutschland am Tag nach der Machtergreifung Hitlers. Ralf (Ralph) Winckelmann (* 9. Oktober 1912; † 25./26. Juni 2002 in Saint-Jean-Cap-Ferrat/Nizza (Grabstätte?)) ging nach dem Verlassen der Schule nach England. In London besuchte er, neben der Assistenz bei den Adressbüchern, die Wirtschaftsschule. Nur englische und französische Ausgaben erschienen jetzt. 1935 besucht Ralf die Universität von Genua. 1937, nach dem Tod seines Vaters, führte Ralf die Hauptgeschäftsstelle, die er später nach London verlegte. Ralf Winckelmann war verheiratet mit Isabella Winckelmann (* 1916; † 6. September 1990). Ihre Söhne waren John und Christopher Winckelmann, die Tochter Teresa Pisani. John Winckelmann übernahm den Verlag von seinem Vater im Dezember 1989. Als Ralf Winckelmann im Alter von 90 Jahren starb, hinterließ er seinen Sohn John, die Tochter Teresa, vier Enkel und sieben Urenkel. Er liegt begraben in Beaulieu-sur-Mer, Frankreich. Unter den redaktionellen Beiträgen der Pelzhändler sticht, neben einigen anderen, besonders der Engländer Francis Weiss (1893–1982) hervor, der nebenbei auch einige englischsprachige Bücher veröffentlichte. Der gebürtige Ungar mit deutscher Mutter, lange Jahre in Leipzig wohnhaft und dort beruflich tätig, schrieb auch für die deutschen Ausgaben des Winckelmann Pelzmarkts.
Der Erste Weltkrieg (1914–1918) unterbrach die weltweite Ausweitung das Verzeichnisses, in den 1920er Jahren dehnte der Vertrieb sich dann auf die meisten europäischen Staaten aus. 1921 erschien die erste englische Ausgabe. 1941 wurden bei einem Bombenangriff auf London alle archivierten Winckelmann-Ausgaben zerstört, als eine Landmine in das John Schackman’s Building in der Cannon Street einschlug, gegenüber dem Firmensitz. Die anschließend gesammelten Ausgaben wurden der Guildhall Library (King Street), City Corporation, E. 1 und E. 8 District, übergeben. Auf allen Länderausgaben ist das Jahr 1909 als erstes Erscheinungsjahr für das Adressregister angegeben. 1994 schrieb der Herausgeber in einer Antwort auf eine Leserbriefanfrage, dass die ältesten der Bibliothek übergebenen Aufzeichnungen bis in das Jahr 1884 zurückreichen („earliest records back to 1884“).
Die Erzeugnisse waren in der Regel kostenlos, die Finanzierung erfolgte über Anzeigen des Großhandels, als da sind Rauchwarenhändler, Konfektionäre und Zulieferer. Einige große Firmen belegten sämtliche Länderausgaben, der Teil mit Annoncen anderer Länder überstieg bei kleineren Staaten teilweise den inländischen Adressteil. Die Druckwerke wurden an Kürschner und Einzelhandel sowie den Zwischenhandel versandt und auf den Fachmessen in Frankfurt am Main, Mailand usw. zur Mitnahme ausgelegt. Im Frankfurter Pelzhandelszentrum Niddastraße wurden sie an die dort ansässigen Unternehmen von Hand verteilt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg traf sich die Pelzbranche in Basel, um einen Neuanfang der internationalen Beziehungen zu beginnen. Dem International Fur Industry Congress stand Ralf Winckelmann als Präsident vor. Das Ergebnis war die Gründung der International Fur Trade Federation.
Bei den Rauchwarenauktionen in London und Skandinavien legte John Winckelmann ein Diarium aus, in das sich die Einkäufer eintragen konnten, wenn sie ihren Besuch dokumentieren wollten. Im Winckelmann Sales Report erschien dann eine Rubrik, mit einem Text wie im Dezember 1974: „Diese Liste enthält die Namen der Einkäufer, die sich im Sales Report Register in der unteren Lobby des Copenhagen Fur Center eingetragen haben“.
Nach dem plötzlichen Tod des letzten Inhabers John Winckelmann im Dezember 2007 wurden alle Publikationen eingestellt. Die letzte Auflage des „Winckelmann Pelz & Markt“ erschien am 21. Dezember 2007. Der Verlag wurde 2009 vom Sohn Luke Winckelmann, Bad Homburg, Geschäftsführer seit 8. Mai 2008, offiziell aufgelöst.
Die neben dem Adressverzeichnis zusätzlich herausgegebenen großformatigen Wandtabellen mit den Adressen des Großhandels hingen in den Geschäftsräumen aller Rauchwarenhändler und sehr vieler Kürschner.
Über eine eventuell nähere Verwandtschaft der Familie mit dem bekannten Verleger Carl Georg Winckelmann (* 14. Dezember 1801; † 1. März 1875), Sohn und Geschäftspartner von Johann Christian Winckelmann, später Nachfolger in der Leitung des Verlages Winckelmann & Söhne (bis 1934), Berlin scheint nichts bekannt. Dieser war der Vater von Max Winckelmann, der ihm in der Geschäftsführung dieses Verlages nachfolgte.