Operation Bagration
Operation Bagration (russ. Οπερατιον Βαγρατιον) ist der Titel eines 1944 gedrehten deutsch-russischen Episodenflims, der im Rahmen des Filmprojekts Zweiter Weltkrieg verwirklicht wurde. Durch seine unglaubliche Länge von über zwei Tagen (ca. 3.000 Filmminuten) und der gigantischen Anzahl von über 2 Millionen Statisten gilt er als einer der epischsten Filme, die je gedreht wurden.
Aufgrund der aufwändigen Nachbearbeitung und diverser politischer Querelen konnte der Film erst 2002 uraufgeführt werden. Das Hauptverdienst an der Umsetzung hat Leni Riefenstahl, aber auch mehrere andere nahmhafte Regisseure wirkten mit.
Handlung
Die Handlung spielt in einer dystopischen Gegenwart, in der sowohl das Deutsche Reich als auch die Sowjetunion von skrupellosen Diktatoren regiert werden, die gegeneinander um Osteuropa kämpfen. Es gibt zwar keine expliziten Rückblicke, aber es wird deutlich, dass beide früher verbündet waren, nun aber aus ideologischen Gründen eine tiefe Feindschaft zwischen ihnen herrscht. Die Situation ist umso absurder, da beide Mächte die osteuropäischen Völker unverholen verachten, sich ihnen aber als wohlmeinender Verbündeter präsentieren müssen. Schließlich erringt Russland einen deutlichen Sieg: In der letzten Szene erreicht die Rote Armee die Ostsee, worauf der Film abrupt endet.
Konzept
Der Film hebt bewusst nicht auf die politischen Hintegründe ab, sondern erläutert sie nur soweit, dass klar wird, dass es keinen Kampf Gut gegen Böse, sondern eigentlich nur den zweier böser Mächte gegeneinander gibt. Dabei wird das Leid des Krieges und der Wahnsinn fanatischer Ideologien in eindringlichen Bildern geschildert. Wesentliches Stilmittel ist dabei die Erzählung, die stets in Echtzeit erfolgt, sowie der weitgehende Verzicht auf Filmmusik.
Der Film ist in elf Episoden gegliedert, die wie folgt heißen:
- Witebsk-Orscha-Operation (Οπερατιον Ωιτεβσκ-Ορσχα)
- Mogilewer Operation (Οπερατιον Μογιλεω)
- Babrujsker Operation (Οπερατιον Βαβρυισκ)
- Polazker Operation (Οπερατιον Πολαζκ)
- Minsker Operation (Οπερατιον Μινσκ)
- Vilniuser Operation (Οπερατιον Ωιλνιυς)
- Siauliaier Operation (Οπερατιον Σιαυλιαι)
- Bialystoker Operation (Οπερατιον Βιαλυστοκ)
- Lublin-Brester Operation (Οπερατιον Λυβλιν-Bρεστ)
- Kaunasser Operation (Οπερατιον Καυνας)
- Ossowezker Operation (Οπερατιον Οσσοωεζκ)
Um die kulturelle Differenz und die Fremdheit der Besatzer in der Kriegsregion zu verdeutlichen, werden sämtliche schriftlichen Dinge inklusive der Untertitel in der deutschen Version auf Kyrillisch gezeigt, in der russischen Version jedoch mit dem lateinischen Alphabet. Damit wird eine hohe Abstraktion erreicht, sodass das Werk als allgemeingültige Parabel angesehen werden kann. Außerdem wird so der Zuschauer dazu gezwungen, sich rein auf der menschlichen Ebene, also den Charakteren und ihren Schicksalen zu orientieren.
Der Film ist aber nicht durchweg ernst gehalten, es treten oft auch komödiantische oder gar erotische Momente auf. Die bekannteste erotische Szene ist vermutlich die von Riefenstahl persönlich gefilmte Szene in Ossowezker Operation, in der man 10 Minuten lang halbnackte junge Männer vom Reichsarbeitsdienst sieht, die in Ostpreußen einen Graben ausheben. Der zweifellos berühmteste humoristische Aspekt ist die groteske Darstellung des deutschen "Führers", der nur einen Hoden besitzt und deshalb mansich-aggressiv zwischen Minderwertigkeitskomplexen und Größenwahn schwankt. Es gibt aber auch viele versteckte Gags, z.B. die kurze Szene in Vilniuser Operation, in der alle Unterlagen der russischen Heereseleitung in Griechisch statt in Kyrillisch sind. Weiterhin sind viele Namen der Charaktere klischeehaftig übertrieben (wie z.B. Hasso von Manteuffel oder Konstantin Rokossowski).
Produktionsgeschichte
Die Ursprünge des Films gehen auf Leni Riefenstahl zurück, die laut eigener Aussage schon 1932 - kurz nach Beginn ihrer Regietätigkeit - die Idee dazu hatte. Während ihrer Abreit an den Reichsparteitags- und Olympiafilmen 1933 bis 1936 arbeitete sie ihre Idee zu einem Drehbuch aus, das sie 1937 heimlich zur Durchsicht an Alfred Hitchcock schickte. Dabei drängte sie zur Eile, da sich für die nahe Zukunft die optimalen Filmbedingungen anbahnten. So erhielt Riefenstahl im August 1939 das überarbeitete Manuskript zurück, das in weiten Teilen der heutigen Version entspricht - nur dass in dieser Form die Wehrmacht im Film den Sieg davontragen sollte.
Riefenstahl konnte Hitler, der keine Ahnung vom Filmkunst hatte, schnell zur Durchführung dieses einmaligen Projekts überzeugen, und trat sogleich in Verhandlungen mit den Sowjets ein. 1941 konnte der Drehvertrag abgeschlossen worden und Riefenstahl begann sofort mit dem Aufbau der Infrastruktur. Kurz bevor die eigentlichen Dreharbeiten beginnen konnten, hatten sich jedoch die machtpolitischen Verhältnisse so verschoben, dass nun die Sowjets darauf bestanden, den siegreichen Part zu übernehmen. Riefenstahl, die ihr einmaliges Werk gefährdet sah, stimmte zähneknirschend zu und musste kurzfristig sämtliche Rollen vertauschen und alle Drehorte neu festlegen bzw. in eine andere Reihenfolge stellen. Dank Riefenstahls generalstabsmäßiger Planung konnten schließlich die gesamten Dreharbeiten in nur neun Wochen vom 22. Juni bis zum 29. August 1944 abgeschlossen werden. Dies war auch insofern sinnvoll, als dass Unterkunft und Verpflegung der gigantischen Anzahl an Statisten eine astronomische Summe kosteten. Wie viel Geld die Produktion wirklich gekostet hat, ist leider bis heute ein Geheimnis geblieben und aufgrund der wechselvollen Geschichte des Projekts auch kaum mehr ermittelbar.
1945 schlug dann plötzlich die politische Großwetterlage um und das Eintreten des kalten Krieges erwischte Riefenstahl kalt. Ihr gelang es, die Hälfte der etwa 400 Filmrollen, auf denen sich das gesamte Filmmaterial befand, nach München zu bringen - die andere Hälfte jedoch wurde von der Sowjetunion beschlagnahmt, die nun nicht mehr zugeben wollte, ein derartiges Filmprojekt mit dem kapitalistischen Erzfeind durchgeführt zu haben. So gab Riefenstahl die Realisierung von Operation Bagration schweren Herzens auf, bis sie 1972 eine Anfrage von Stanley Kubrick erhielt, der sich gerade auf dem Zenit seines Schaffens befand. Ihn fanszinierte dieses mythische Werk, das unter Filmkennern schon längst zur geheimnisumwitterten Legende geworden war. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurde das gesamte Material nach Großbritannien geschafft, wo Kubrick versuchte, aus der vorliegenden Hälfte das Gesamtwerk zu rekonstruieren und als fertigen Film endlich auf die Leinwand bringen zu können. Schon bald musste er aber einsehen, dass ohne das fehlende Material keine zufriedenstellende Umsetzung des Gesamtkonzepts möglich war und das Projekt einstellen. Allerdings hinterließ er bereits zwei fertige Episoden (Polazker und Minsker Operation), worduch er den gesamten Schnitt und die daraus resultierende Bildsprache für das spätere Werk vorgab. Bis heute gilt diese Umsetzung als unglaublich innovativ und eine Sternstunde der Filmkunst.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 ergab sich plötzlich eine neue Chance für den Film. Nach einer offiziellen Anfrage des deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher konnte das fehlende Material in einwandfreiem Zustand im Russischen Staatsarchiv in Moskau gefunden werden. 1993 wurde es offiziell an die damals 91-jährige Leni Riefenstahl überreicht. Es gelang ihr in bald, Quentin Tarantino und Steven Spielberg zu einer einmaligen Kooperation zu bewegen und den Rest von Operation Bagration zu vollenden, wobei sie selbst als Beraterin fungierte. In jahrelanger Arbeit setzten die beiden Regisseure Episode für Episode dramaturgisch um. Da beide parallel Filme wie Pulp Fiction und Jurassic Park drehten, dauerte die Arbeit bis Ende 1999 - danach folgte die digitale Nachbearbeitung von Bild und Ton. So konnte der Film erst am 7. November 2002 in seiner finalen Version in die Kinos kommen. Aufgrund der gigantischen Länge blieb der Zuspruch aber verhalten bzw. es wurden in den meisten Fällen nur einzelne Episoden gezeigt (wobei die Lublin-Brester Operation sich aufgrund ihrer spektakulären Panzerschlachten die beliebteste war).
So können sich heute nur die wenigsten Menschen rühmten, Operation Bagration komplett gesehen zu haben, obwohl es sich nach einhelliger Kritikermeinung absolut lohnt (Marcel Reich-Ranicki: „Zwarr bei weitem nicht sso gut wie ein schöness Buch, aber verrmutlich dass Besste, wass man mit dem Medium Film sso bewerrkstelligen kann“). Leni Riefenstahl selbst sah den Film noch als 100-Jährige. Von ihr ist die Äußerung überliefert, dass „sich dafür der ganze Ärger doch gelohnt hat.“ Vorwürfe, die im Film getöteten Menschen seien wirklich umgebracht worden, konnten nie vollständig aufgeklärt werden.