Spiegelwelten:Schöpfungsgeschichte nach dem 1. Buche Kurts
Am Anfang war das Nichts. Es gab keine Planeten und keine Sterne, keine Kometen und keine schwarzen Löcher, kein Leben und keinen Tod. Es gab weder Licht noch Dunkelheit. Es war eben einfach das unendliche Nichts.
Dieser Artikel ist zwar im Namensraum Spiegelwelten zu finden, er spielt aber in der Orbis Alius. Was ist die Orbis Alius? • Was sind die Spiegelwelten? |
Wie lange dieses Nichts existierte, kann niemand sagen, denn damals gab es schließlich niemanden, der auf die Uhr oder auf den Kalender hätte schauen können. Auch etwas, wie die Zeit selbst, gab es damals nicht. Es könnte Ewigkeiten existiert haben, vielleicht aber auch nur wenige Bruchteile einer Sekunde.
Jedenfalls existierte in diesem Nichts plötzlich ein Gedanke. Man kann nicht sagen, wo er herkam, immerhin gab es weit und breit niemanden, der den Gedanken hätte denken können. Vermutlich war es das Nichts an sich, das diesen Gedanken hatte. Das Nichts umfasste nämlich alles, was es damals gab, nämlich nichts. Und dieser Gedanke war eben einfach Bestandteil dieses Nichts, weil es ja ansonsten nichts gab. Das hört sich für den Normalsterblichen sehr verwirrend an, denn bis jetzt gibt es niemanden, der das wirklich verstanden hat. Bis auf das Nichts selbst natürlich.
Der Gedanke jedenfalls war: „Ich bin!“ Mehr nicht. Dieser mysteriöse Gedanke war einfach nur eine kurze Phrase aus zwei Wörtern. Wenn heutzutage jemand diesen Gedanken hätte, würde rein gar nichts passieren. Es würde auch niemand auf die Idee kommen, sowas zu denken, immerhin ist es allgemein bekannt, dass man da ist. Doch damals hatte dieser Gedanke eine große Wirkung. Man könnte sagen, dass das der zweitwichtigste Gedanke des Universums war. Denn plötzlich war es. Und das Nichts war nicht mehr. Doch was war es überhaupt? Das konnte es selbst nicht so genau sagen. Gerade noch hatte es gemütlich nicht existiert und plötzlich war es einfach da. Nur weil es diesen komischen Gedanken gehabt hatte. Wie auch immer… Es beschloss erstmal, sich selbst einen Namen zu geben. Ab jetzt nannte es sich selbst Kurt. Das war bestimmt kein besonders toller Name, aber immerhin besser als nichts. Jetzt, da Kurt einen Namen hatte, musste er überlegen, was er als nächstes tun sollte. Das war gar nicht mal so einfach, immerhin hatte er bis jetzt noch nie wirklich existiert. Er wusste auch gar nicht, wie das ging oder was man dabei machen musste.
Jedenfalls störte es ihn, dass er alles war, was es damals gab. Jetzt da er das Nichts verdrängt hatte, war ja schließlich nur noch er übrig. Also entschied Kurt sich, etwas zu erschaffen. Er strengte sich furchtbar an, doch das war natürlich das erste Mal, dass Kurt überhaupt irgendwas erschuf und so kam nur ein mickriges Wasserstoffatom heraus. Es war nicht mal ein besonders schönes Atom, denn der Atomkern war eher kartoffelförmig und das Elektron flog nicht in einem Kreis, sondern eher in einer verwackelten Ellipse, aber Kurt freute sich, dass er jetzt nicht mehr allein war. Er erschuf gleich noch eins, sodass er noch mehr Gesellschaft hatte. Und dann noch eins und noch eins und noch eins. Irgendwann hatte Kurt so viel Wasserstoff, dass daraus ein richtiger Stern entstand. Endlich gab es im Universum auch mal Licht. Von seinem Erfolg motiviert, beschloss Kurt, weitere Dinge zu erschaffen, indem er seine Wasserstoffatome geschickt zusammenfügte.
Bald war das ganze Universum voll von Planeten, Sternen und mysteriösen schwarzen Löchern, doch irgendetwas fehlte. Kurt war der einzige, der denken konnte. Also vielleicht konnten seine Atome ja denken, aber so genau wusste Kurt das nicht, sie konnten sich ihm ja schlecht mitteilen, wenn es so wäre. Kurt entschloss sich, ein Lebewesen nach seinem Ebenbild zu erschaffen. Doch er wollte es nicht einfach irgendwo hinsetzen. Für seinesgleichen musste schon etwas ganz Besonderes her. Er schuf einen Planeten, der weder zu groß, noch zu klein, weder zu heiß, noch zu kalt und weder zu stürmisch noch zu ruhig war. Er nannte seinen neu erschaffenen Planeten Orbis Alius. An der schönsten Stelle seiner Welt platzierte er eine Insel, die er Hy nannte. Er betrachtete sein Werk und war damit sehr zufrieden.
Jetzt, da der Lebensraum geschaffen war, nahm Kurt sich sein allererstes Atom und schuf daraus zwölf Eier. Diese Eier stellte er genau in der Mitte von Hy, an einem Ort, den er für heilig erklärte, ab. Von nun an, so entschied Kurt, wollte er kein allmächtiges Wesen mehr sein, sondern auf der von ihm erschaffenem Welt leben. Die Eier brütete er höchstpersönlich aus. Daraus schlüpften… Hühner.
Und diese Hühner hatten eine große Aufgabe: Sie sollten für immer und ununterbrochen denken „Ich bin nicht.“ Denn wenn diesen Gedanken niemand denkt, dann denkt ihn das Nichts und wenn das Nichts diesen Gedanken denkt, dann wird das ganze Universum wieder verschwinden. Und das ist ja wohl etwas, was unbedingt vermieden werden sollte.
Auch heute existieren die Hühner auf der Insel Hy noch. Die Nachfahren der Urhühner denken auch heute immer abwechselnd im Schichtbetrieb „Ich bin nicht!“ Seit dem Tag, an dem das erste Huhn geschlüpft ist, gab es keinen Augenblick, in dem nicht mindestens ein Huhn diesen Gedanken gedacht hat. Was passiert, wenn die Hühner damit aufhören, weiß niemand. Außer dem Nichts natürlich. Aber das gibt es ja nicht, solange die Hühner den wichtigsten Gedanken des Universums denken.