Und sie bewegt sich doch!

Dass die Erde sich um die Sonne dreht, hat Galileo Galilei im siebzehnten Jahrhundert eindrucksvoll bewiesen: mittels Beobachtung durch ein simples Fernrohr, Mathematik und ein bisschen Grips. Dummerweise besaß keiner der kirchlichen Robenträger eine dieser drei Sachen, sondern höchstens die Bibel, und es machte sich auch keiner von ihnen die Mühe, sich mit Galileis Werken auseinanderzusetzen, sodass sie Galilei unter Hausarrest stellten, bis er krepierte.
Drei Jahrhunderte hat es gedauert, bis die katholische Kirche mal in Erwägung zog: „Hmh, mittlerweile könnte man ja mal darüber nachdenken, ob wir damals nicht im Unrecht waren.“

Man könnte ja mal in Betracht ziehen, dass er doch Recht haben könnte...

Stein des Anstoßes

Vorbereitung des Naturwunders Fat Man

Nachdem Papst Benedikt XIV. [sic!] 1741 auf Bitten von Wissenschaftlern die Bücher von Galileo Galilei nach fast einhundert Jahren freigegeben hat und nicht mehr als des Teufels Werke abstempelte, passierte eine längere Zeit gar nichts. Doch nach zwei Weltkriegen, einem Atombombenabwurf und der Mondlandung kamen selbst dem Vatikan Zweifel auf, ob man Galileo Galilei nicht vielleicht doch zu Unrecht verurteilte und ob die Ansichten der katholischen Kirche nicht vielleicht etwas überholt sein könnten. Möglicherweise. Also, so ganz rein hypothetisch.
Wenn die Kirche aus dem 21. Jahrhundert noch weiterhin an den wissenschaftlichen Grundsätzen von anno 1642 festgehalten hätte, hätten zahlreiche naturwissenschaftliche Phänomene nie aufgeklärt werden können: Der damalige Papst Urban VIII. hat geglaubt, dass die Menschheit schlicht zu blöd für Gottes Werke ist, um sie auch nur ansatzweise zu verstehen. Die bereits erwähnten Atombombenabwürfe hat die katholische Kirche 1945 dementsprechend auch als „von Gott gewollt“ tituliert und listete sie in ihrer internen Liste unter „temporäre Naturwunder, die sich nicht erklären lassen können“.
Die katholische Kirche sah sich dementsprechend genötigt, ihre Ansichten mal zu überdenken, auch mit dem hohen Risiko, mal falsch gelegen zu haben. Allerdings hätte dies einen Kratzer in der Unfehlbarkeit der Kirche bedeutet - etwas, was man definitiv nicht hinnehmen konnte.

„Lass' mal überprüfen!“

Und sie zogen aus, um die Lösung zu finden.

Diese Zwickmühle versuchte der Papst Johannes Paul II. zu umgehen: Er rief 1979 eine interdisziplinäre Studienkommission ein. Also sowas wie Gutachter, nur eben halt über mehrere Disziplinen. Ein Novum: Erstmals begutachtete die Kirche eine wissenschaftliche These nicht nur aus glaubensrechtlicher Sicht, sondern auch aus wissenschaftlicher Sicht! Und das machte sie erstaunlich fix: Gerade mal dreizehn Jahre (!) hat es gedauert, bis die Kommission zu einem Ergebnis kam.
Die lange Dauer lässt sich damit erklären, dass innerhalb der interdisziplinären Studienkommission zunächst mal ein Streit darüber ausbrach, ab wo Glauben beginnt und ab wo Wissenschaft. Denn letztlich sei die Wissenschaft auch nur reines Glauben, denn wer könne denn beweisen, dass der Apfel vom Baum fällt, weil es die Schwerkraft gibt? Es ist nur eine Theorie. Konservative Kommissionsmitglieder, die noch den Lehren Aristoteles' folgten, begründeten die Gravitation stets mit „Der Gegenstand hat das Verlangen, auf den Boden zurückzuwollen, weshalb er dann auch gen Boden fällt“. Warum die Menschen dann nicht fliegen könnten? „Gott hat es ihnen verboten.“ So einfach war das. Und wer was anderes sagt, gehöre eingesperrt.
Das wäre bei den Gläubigen jedoch nicht besonders gut angekommen. Und bei den Nichtgläubigen und den Wissenschaftlern erst recht nicht. Deshalb musste etwas revidiert werden.
Ein bisschen.
Vielleicht.

Arbeitsweise

Untergruppe „Ergebnis schönsaufen“

Kurz und knackig: Man weiß es nicht. Nur, dass es wie bei der Aushandlung eines Koalitionsvertrages eine unbekannte Zahl von Untergruppen gab, die allesamt von einem Kardinal zusammengehalten wurden. Jeder der Untergruppen hatte ihre eigene Aufgaben. Zum Beispiel die Kathedrale putzen. Für den Papst beten. Oder Skat spielen. Die Gruppe war die beliebteste.
Dass am 31. Oktober 1992 dann tatsächlich ein Ergebnis präsentiert werden konnte, war dem trunkenen Kardinal zu verdanken, der nach einer Messe und zu viel Blut Jesu seinem Sekretär einfach mal ein paar Zeilen runterrasselte. Vermutlich erklärt sich so zumindest ansatzweise das wirre Ergebnis.

Ergebnis

Meine Herren Kardinäle, Exzellenzen, meine Damen und Herren!
Die geozentrische Darstellung der Welt in der Kultur der Zeit war allgemein als vollkommen der Lehre der Bibel entsprechend anerkannt, in der einige Aussagen, wenn man sie wörtlich nahm, den Geozentrismus zu bestätigen schienen. Das Problem, welches sich die Theologen der Zeit stellten, war also die Übereinstimmung des Heliozentrismus mit der Heiligen Schrift. So zwang die neue Wissenschaft mit ihren Methoden und der Freiheit der Forschung, die sie voraussetzte, die Theologen, sich nach ihren Kriterien für die Deutung der Bibel zu fragen. Dem Großteil gelang dies nicht.

Das Ergebnis war revolutionär: Die Kirche schaffte es, keinerlei Fehler einzugestehen und doch Galileo Galilei für unschuldig zu erklären. Die Quadratur des Kreises gelang, indem man die Bibel neu schrieb interpretierte: Die Welt mag zwar physikalisch gesehen nicht das Zentrum des Universums sein, aber ist es doch kulturell. Wie kann es also dieser Galilei wagen, zu sagen, dass das kulturelle Zentrum des Universums die Sonne sei? Dadurch hat es die Kirche geschafft, ihr Urteil erneut zu legitimieren. Brillant!

Hoppla

Na ja, es ist immerhin etwas für den Galilei.

Trotzdem wäre es nicht gelungen, mit dieser Erklärung die Kirche in eine neue Richtung zu schubsen. Doch es gab noch eine Hintertür für die Kirche: Der damalige Papst Urban VIII. hat das Urteil gegen Galileo Galilei nie unterzeichnet. Was zu unserer Zeit einen großen Skandal hätte bedeuten können, wurde 1992 einfach mit einer Rehabilitierung Galileis abgeschlossen. Damit war für die katholische Kirche klar: Galilei saß nie im Knast, das hat er alles freiwillig gemacht. Er hätte erkannt, dass er ansonsten Gottes Zorn hätte fürchten müssen. ...oder so ähnlich. Eine fadenscheinige Ausrede, bei der Galilei vermutlich im Grab um die Sonne rotierte. Aber so wurde die Welt ein Stückchen besser und die Kirche öffnete sich der Wissenschaft.

Nachwirkungen

Nun konnten auch bisher ungeklärte Phänomene auch im Vatikan mittels Wissenschaft erklärt werden. Nicht nur, dass der Papst nun über das Manhattan-Projekt aufgeklärt wurde, ihm wurde auch erzählt, dass es mittlerweile Schreibmaschinen gab und Regenbogen weder von Kobolden noch von Homosexuellen produziert worden, sondern dies mittels Brechung der Sonnenstrahlen durch die Regentropfen geschehe.
In anderen Bereichen muss sich der Vatikan dennoch geschlagen geben: So fortschrittlich sich die Kirche seit 1992 und insbesondere seit Papst Franziskus jedoch auch gibt, so rückwärtsgewandt ist sie jedoch auch in Fragen der Moral und der Ethik. Vermutlich sollte man ihnen mal stecken, dass AIDS nicht durch Ungläubigkeit weitergegeben werden kann. Doch - oh, welch Ironie! - Gott sei Dank bestimmt der Papst nicht mehr über aller Leben.

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