Die Überdeterminierung beschreibt mehrere, unabhängige, gleichzeitig auftretende Ursachen für ein Ereignis.

Nach Sigmund Freud ist der Traum überdeterminiert, weil die „meisten Traumgedanken ausgiebigste Berührungen aufweisen“ und so „Knotenpunkte“ darstellen, in denen „viele der Traumgedanken zusammentreffen“. Die Traumdeutung müsse daher der Vieldeutigkeit Rechnung tragen. – Wolfgang Loch hat die Determinierung des seelischen Geschehens zusammen mit Arthur Kronfeld als zentrale Voraussetzung der psychoanalytischen Arbeit angesehen und dabei Deutung und Protokollaussagen als „parteilose Instrumente“ der tiefenpsychologischen Forschungsmethode eingeschätzt. Deutungen seien als experimentell zu belegende Versuche zu betrachten, die in den Protokollaussagen angenommenen vielfältigen Determinanten als Beweis der für die Kausalität maßgeblichen Faktoren zu erbringen. Dies geschehe ähnlich wie das „Messer des Chirurgen“ die Diagnose des Abszesses bestätigt. Solche Determinanten können situatives Verhalten, Wiederholungszwang, Über-Ich und Es darstellen, zwischen denen eine Beziehung aufzustellen ist. Sie ist mit einem Magnetfeld vergleichbar, das die Eisenspäne in eine bestimmte Ordnung bringt. Die Deutung der Traumsymbole unterliegt hier prinzipiell den gleichen Bedingungen.

Louis Althusser spricht in dem Aufsatz „Widerspruch und Überdeterminierung“ (1968) in einem historisch-politischen Sinne von den sozialen Kräften, die in ein überdeterminiertes Ereignis münden könnten, die Revolution. Elemente sind dann überdeterminiert, wenn sie nicht auf eine einfache Ursache zurückzuführen sind oder eine eindeutige Bedeutung haben, sondern sich aus mehreren Quellen speisen und sich gegenseitig beeinflussen.

Literatur

  • Louis Althusser: Widerspruch und Überdeterminierung. Anmerkungen für eine Untersuchung. In: ders.: Für Marx. Suhrkamp, Berlin 2011, ISBN 978-3-518-12600-4, S. 105–144.
  • Jean Laplanche, Jean-Bertrand Pontalis: Überdeterminierung (oder mehrfache Determinierung). In: Das Vokabular der Psychoanalyse. Unter der Leitung von Daniel Lagache. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972, S. 544–546.

Einzelnachweise

  1. Sigmund Freud: Die Traumdeutung. [1900] Gesammelte Werke, Band II/III, S. Fischer, Frankfurt / M; folgende Seitenangabe aus: Taschenbuch-Ausgabe der Fischer-Bücherei, Aug. 1966, VI. Die Traumarbeit, S. 239.
  2. Wolfgang Loch: Zur Theorie, Technik und Therapie der Psychoanalyse. S. Fischer Conditio humana (hrsg. von Thure von Uexküll & Ilse Grubrich-Simitis 1972), ISBN 3-10-844801-3, S. 46–65.
  3. Arthur Kronfeld: Das Wesen der psychiatrischen Erkenntnis. Berlin 1920.
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