Abraham Pisarek (* 24. Dezember 1901 in Przedbórz bei Łódź, Russisches Kaiserreich; † 24. April 1983 in West-Berlin) war ein deutscher Fotograf.
Leben und Werk
Abraham Pisarek wurde als Sohn des jüdischen Kaufmanns Berek Pisarek und dessen Ehefrau Sura in Russisch-Polen geboren. In Łódź besuchte er die Religions- und die Mittelschule. 1918/1919 siedelte er nach Deutschland über und arbeitete dort in einer Fabrik in Herne. 1924 verließ Pisarek Deutschland in Richtung Palästina als Chaluz (deutsch: Pionier) und arbeitete dort unter anderem als Steinmetz. Vier Jahre später kehrte er nach einem kurzen Aufenthalt in Frankreich nach Deutschland zurück und ließ sich in Berlin-Reinickendorf nieder. Hier absolvierte er eine fotografische Ausbildung und war seitdem als Fotograf für Bildverlage und das Berliner Theaterleben tätig. Seine Bilder wurden in der Arbeiter Illustrierten Zeitung und in der jüdischen Presse veröffentlicht. Im Jahre 1929 trat er dem Reichsverband der Deutschen Presse bei. Aus Kontakten Pisareks zur KPD resultierte eine Zusammenarbeit mit John Heartfield. Auch wurde er Mitglied der Arbeiterfotografengruppe Berlin-Nord. Als Freund Max Liebermanns verkehrte er in Kreisen bedeutender Künstler und Literaten der Weimarer Republik.
Da Pisarek nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 offiziell Berufsverbot erhielt, durfte er ausschließlich für die Jüdische Gemeinde tätig sein. Von da an arbeitete er als Fotograf der fünf bis 1941 bestehenden jüdischen Zeitungen sowie für den Jüdischen Kulturbund Berlins (dort fotografierte er u. a. die Pianistin Grete Sultan). 1935 machte er die einzigen Fotos von der Beerdigung Max Liebermanns. Pisarek beteiligte sich an illegalen, antifaschistischen Aktivitäten, was mehrmals zu Verhaftungen und Vorladungen zur Gestapo führte. 1936 wurden er, seine nichtjüdische Frau Gerda und ihre beiden Kinder Georg und Ruth aus der Reinickendorfer Wohnung ausgewiesen. Sie zogen in die Oranienburger Straße in Berlin-Mitte. Im Mai 1944 brannte diese Wohnung infolge eines Luftangriffs aus.
Mit der endgültigen Auflösung aller jüdischen Organisationen in Deutschland 1941 wurde Pisarek arbeitslos. Er musste Zwangsarbeit leisten, unter anderem als Dolmetscher für polnische und sowjetische Zwangsarbeiter. Eine Emigration in die USA scheiterte. Er überlebte die NS-Herrschaft dank der Rosenstraße-Proteste.
Nach dem Krieg arbeitete er als Dolmetscher für die Sowjetische Militäradministration in Berlin. Auch nahm er seine Bildreportertätigkeit wieder auf und dokumentierte auf diese Art die „antifaschistisch-demokratische Umwälzung“ in der Sowjetischen Besatzungszone und die Gründung der DDR sowie ihre ersten Aufbaujahre. Die Fotoserie vom Händedruck Otto Grotewohls und Wilhelm Piecks beim Vereinigungsparteitag der SED 1946 gehört zu seinen bekanntesten Fotos. Auch zahlreiche Künstlerporträts, zum Beispiel von Helene Weigel, Thomas Mann und Hanns Eisler, entstanden in dieser Zeit. Seit dem Ende der 1950er Jahre wandte Pisarek sich nahezu ausschließlich der Theaterfotografie zu. Abraham Pisarek starb 1983 in West-Berlin.
Seine fotografischen Arbeiten sind Bestandteil mehrerer Archive, etwa der Deutschen Fotothek, der Theatersammlungen der Stiftung Stadtmuseum Berlin, der Stiftung Archiv der Akademie der Künste, den Bildagenturen akg-images und ullstein bild, sowie des Bildarchivs Preußischer Kulturbesitz (bpk).
Bildergalerie
- Baptisten-Kapelle, Berlin 1946
- Deutscher Frauenkongress für den Frieden in der Deutschen Staatsoper Berlin
- Meissen Stadt
- Theaterfotografien
- Szenenbild aus der Komödie Wie es euch gefällt von William Shakespeare am Schlossparktheater Berlin-Steglitz, 1946
- Szenenbild aus dem Stück Der Widerspenstigen Zähmung von William Shakespeare auf der Naturbühne Schöneberg im Stadtpark, 1945
Literatur
- Inge Unikower: Suche nach dem gelobten Land. Verlag der Nation, Berlin, 1978, DNB 790353679. (Literarische Version der Lebensgeschichte von A.P.)
- Nicola Gallina (Hrsg.): Wegweiser durch das jüdische Berlin. Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1987.
- Hans J.Reichardt: Raus aus den Trümmern. Landesarchiv Berlin. Transit Buchverlag, 1987.
- Hazel Rosenstrauch (Hrsg.): Aus Nachbarn wurden Juden. Transit Verlag, Berlin 1988.
- Fritz Schulleri: Berliner Kindheit vor 50 Jahren, Fotografien von Fritz Eschen und Abraham Pisarek. Wartenberg Verlag, 2002.
- Hans-Michael Koetzle: Lexikon der Fotografen 1900 bis heute. Droemersche Verlagsanstalt. Th. Knaur, 2003.
- Les juifs à Berlin photographiés par Abraham Pisarek 1933–1941. Text von Dominique Bourel. Biro editeur, Paris 2010.
- Jüdisches Leben in Berlin 1933–1941. Fotografien von Abraham Pisarek mit einem Essay von Joachim Schlör. Edition Braus, Berlin 2012.
Multimedia
- Grenzgänger. Der Fotograf Abraham Pisarek. DVD. Cine Impuls KG Laabs und Partner. Ein Film von Walter Brun. Berlin. 1991.
- Vorbei – Beyond Recall. Bear Family Records. Hambergen. 2001.
Weblinks
- Literatur von und über Abraham Pisarek im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Astrid Volpert: Pisarek, Abraham. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
- Bilder eines Grenzgängers; Artikel der Berliner Zeitung vom 20. November 2001; abgerufen: 15. Oktober 2009
- Abraham Pisarek in der Deutschen Fotothek
Einzelnachweise
- ↑ Theatersammlung der Stiftung Stadtmuseum Berlin (Memento vom 15. September 2010 im Internet Archive); abgerufen: 27. Oktober 2009
- ↑ Stiftung Archiv der Akademie der Künste (Memento vom 25. Oktober 2007 im Internet Archive); abgerufen: 27. Februar 2012