Abū Huraira (arabisch أبو هريرة, DMG Abū Huraira; gestorben 678, 679 oder 680) war ein Gefährte des islamischen Propheten Mohammed aus dem südarabischen Stamm Daus, der vor allem als Überlieferer von Hadithen bekannt ist. Mit mehr als 3300 Hadithen, in deren Überliefererkette er erscheint, ist er im sunnitischen Islam zahlenmäßig der wichtigste Gewährsmann prophetischer Traditionen überhaupt. Schon früh gab es allerdings auch Zweifel an der Glaubwürdigkeit der von ihm überlieferten Hadithe.

Leben

Abū Huraira bekehrte sich schon um das Jahr 619 zum Islam. Die neue Religion wurde ihm durch seinen Stammesgenossen at-Tufail ibn ʿAmr vermittelt, der nach Mekka gereist war und dort den Islam angenommen hatte. Um 620 reiste Abū Huraira selbst in Begleitung at-Tufails nach Mekka und traf dort mit Mohammed zusammen, kehrte jedoch danach wieder zu seinem Stamm zurück.

Im Jahr 628, kurz vor dem Feldzug nach Chaibar, wanderte Abū Huraira mit 80 anderen Stammesgenossen nach Medina aus. Dort gehörte er zu den sogenannten Ahl as-Suffa („Leute des Schattendachs“), einer Gruppe von ärmeren Prophetengefährten, die in unmittelbarer Nähe zu Mohammed in seiner Moschee lebten. Zeitweise war er bei Mohammed auch als Diener tätig. Es heißt, dass die beiden öfter Hand in Hand auf gemeinsamen Gängen in der Stadt zu sehen waren. Im Dhū l-Qaʿda 629 begleitete er den Prophetengefährten Ibn al-Hadramī nach Bahrain. Ein Jahr später nahm er an dem Feldzug nach Tabūk teil, um kurze Zeit danach erneut mit der Steuerkarawane nach Bahrain zurückzukehren.

Ab etwa 641 diente er dem Kalifen ʿUmar ibn al-Chattāb als Statthalter von Bahrain. Im Jahre 644 rief ihn ʿUmar jedoch nach Medina zurück und konfiszierte sein Privatvermögen unter dem Vorwurf, er habe sich am Vermögen der Gemeinde bereichert. Da Abū Huraira die Maßnahme für rechtswidrig hielt, weigerte er sich, das Geld herauszugeben. ʿUmar soll ihn daraufhin so lange beschimpft und mit der Peitsche geschlagen haben, bis er das Geld im Schatzhaus einzahlte. ʿUmar wollte ihn zwar wieder nach Bahrain zurückschicken, doch weigerte sich Abū Huraira mit dem Hinweis auf die erlittene Vermögenseinbuße und die beschämende Behandlung.

Als während des Kalifats von Muʿāwiya I. (661–680) der umayyadische Prinz Marwān Gouverneur von Medina war, setzte er Abū Huraira während seiner Abwesenheitsphasen als Stellvertreter ein. Zu Spannungen mit dem Gouverneur kam es allerdings, als Marwān den medinensischen Kaufleuten erlaubte, Sakk genannte Gutscheine für ihre Nahrungsmittel auszustellen, und Abū Huraira zusammen mit Zaid ibn Thābit bei ihm vorstellig wurde und einen Ausspruch des Propheten vorbrachte, der diese Art Handelstransaktionen angeblich untersagte.

Abū Huraira hatte in der Nähe von Dhū l-Hulaifa, dem Punkt, wo die Pilger aus Medina den Ihrām anlegten, ein Landgut. Dort soll noch seine alte Mutter den Haushalt geführt haben.

Name

Abū Huraira ist vor allem unter seiner Kunya bekannt. Deren Bedeutung (Abū Huraira = „Vater des Kätzchens“) soll darauf zurückgehen, dass er eine kleine Katze besaß, die er besonders liebte. Das Wort Huraira wird in der Verbindung mit Abū diptotisch.

Über Abū Hurairas eigentlichen Namen (Ism) gibt es sehr unterschiedliche Angaben: ʿAbd ʿAmr, ʿUmair, Sukain, Burair usw. Verbreitet war die Überlieferung, dass sein Name in der Dschāhilīya ursprünglich ʿAbd Schams war und er anlässlich seiner Konversion zum Islam vom Propheten den neuen Namen ʿAbd ar-Rahmān (bzw. ʿAbdallāh) verliehen bekam.

Seine Rolle als Überlieferer

Allgemein stand Abū Huraira im Rufe großer Frömmigkeit. Wie ʿAbdallāh ibn ʿAbbās war er für die Überlieferung biblischer Erzählstoffe von Juden und Christen bekannt, doch berief man sich auch bei Traditionen zu rechtlichen, rituellen und theologischen Fragen auf seine Autorität. Auch viele frauenfeindliche Hadithe werden auf Abū Huraira zurückgeführt.

Zweifel an der Glaubwürdigkeit Abū Hurairas im frühen Islam

Schon im Milieu der frühen Hadith-Überlieferer gab es allerdings Zweifel, ob wirklich alle Hadithe, die im Namen Abū Hurairas kursierten, auf ihn selbst zurückgehen. Zweifel erregte insbesondere die Tatsache, dass er erst relativ spät zum Islam konvertiert war und auch nicht in der unmittelbaren Nähe Mohammeds gelebt hatte. Es gibt eine große Anzahl von Berichten darüber, dass Prophetengefährten Abū Huraira dafür kritisierten, dass er so viele Berichte vom Propheten überlieferte. Auf diese Kritik soll er geantwortet haben, dass es nicht seine Schuld sei, dass die anderen Prophetengefährten vergessen hätten, was sie gehört hatten. Nach einem Bericht, den an-Naisābūrī in seinem Mustadrak überliefert, soll ʿĀ'ischa einmal Abū Huraira gefragt haben, wieso er so vieles vom Propheten überliefere, das die anderen Prophetengefährten weder gehört noch gesehen hätten. Darauf soll er ihr geantwortet haben, dass sie durch Spiegel, Schminke und Verschönerung für den Propheten abgelenkt gewesen sei, ihn jedoch nichts von ihm abgelenkt habe. Abū Huraira soll selbst damit geprahlt haben, dass er noch viel mehr von dem Propheten wisse, es aber lieber verberge, weil man ihn sonst mit Schuhen und Kot beschmeißen und für verrückt erklären würde. Darauf soll al-Hasan ibn ʿAlī geantwortet haben: „Bei Gott, er hat recht. Wenn er uns berichten würde, dass das Haus Gottes niedergerissen und angezündet würde, so würden ihm die Leute nicht mehr glauben.“

Besonders die Muʿtaziliten verwiesen gerne auf Berichte, die Abū Huraira lächerlich machen sollten. So führte an-Nazzām einen Bericht an, nach dem Abū Huraira seine Hadithe mit der Formel einzuleiten pflegte: „Mein Vertrauter hat mir berichtet (ḥaddaṯanī ḫalīlī)“. Daraufhin soll ʿAlī ihn einmal gefragt haben: „Seit wann ist der Prophet dein Vertrauter (ḫalīl), Abū Huraira?“ Ibn Kathīr überliefert einen Bericht, wonach ʿUmar ibn al-Chattāb Abū Huraira drohte, ihn in das Gebiet der Daus zurückzuschicken, falls er nicht damit aufhöre, Hadithe vom Gottesgesandten zu überliefern. Der Murdschi'it Bischr al-Marīsī (gest. 833) behauptete, dass ʿUmar Abū Huraira als den größten Lügner unter den Hadith-Überlieferern bezeichnet hatte. Der Hadith-Gelehrte ad-Dārimī (gest. 869) wies dies jedoch als eine Lüge zurück und insistierte darauf, dass Abū Huraira einer der glaubwürdigsten Überlieferer sei.

Moderne Debatten über die Authentizität der Abū-Huraira-Hadithe

Die Debatte über die Authentizität der Abū-Huraira-Hadithe ist im 20. Jahrhundert unter den Muslimen erneut aufgeflammt. Im Jahre 1958 verfasste Mahmūd Abū Raiya ein Buch mit dem Titel Aḍwāʾ ʿalā l-sunna al-muḥammadīya („Lichter über die mohammedanische Sunna“), in dem er Fälschungen innerhalb der kanonischen Hadith-Sammlungen aufzudecken suchte, wobei er besonders auf Hadithe von Abū Huraira abstellte. Als Reaktion auf diejenigen, die Abū Hurairas Glaubwürdigkeit in Zweifel zogen, schrieben andere muslimische Autoren Bücher zu seiner Verteidigung. So veröffentlichte schon Raschīd Ridā 1928 eine Fatwa, in der er die Glaubwürdigkeit Abū Hurairas verteidigte.

Literatur

Arabische Quellen
  • Abū Saʿīd ʿU̱tmān ibn Saʿīd ad-Dārimī: Naqḍ al-imām Abī-Saʿīd ʿU̱tmān Ibn-Saʿīd ʿalā l-Marīsī al-Ǧahmī al-ʿAnīd. Ed. Rašīd Ibn-Ḥasan al-Almīʿī. Maktabat ar-Rušd, Riyad, 1998. Bd. II, S. 617–631. Online-Version
  • Muhammad ibn Saʿd: Kitāb aṭ-Ṭabaqāt al-kabīr. Bd. II/2, Ed. Friedrich Schwally. Brill, Leiden, 1912. S. 117–119. Digitalisat
  • Ibn Qutaiba: Taʾwīl Muḫtalaf al-ḥadīṯ. Ed. Muḥammad Muḥyī d-Dīn al-Aṣfar. Al-Maktab al-islāmī, Beirut, 1999. S. 72f. Digitalisat
  • Šams ad-Dīn aḏ-Ḏahabī: Siyar aʿlām an-nubalāʾ. Ed. Šuʿaib al-Arnāʾūṭ. 11. Aufl. Muʾassasat ar-Risāla, Beirut, 1996. Bd. II, S. 578–632. Digitalisat
  • Ibn Kathīr: al-Bidāya wa-n-Nihāya. Maktabat al-Maʿārif, Beirut, 1992. Bd. VIII, S. 103–115. Digitalisat
  • Al-Ḥākim an-Naisābūrī: Al-Mustadrak ʿalā ṣ-Ṣaḥīḥain. Ed. Muṣṭafā ʿAbd al-Qādir ʿAṭā. Dār al-kutub al-ʿilmīya, Beirut, 2002. Bd. III, S. 578–588 Digitalisat
  • ʿAbd al-Munʿim Ṣāliḥ al-ʿAlī al-ʿAzzī: Difāʿ ʿan Abī Huraira. 2. Aufl. Maktabat an-Nahḍa, Beirut, 1981. Digitalisat
Sekundärliteratur
  • Khaled Abou El Fadl: Speaking in God's Name. Islamic Law, Authority, and Women. Oneworld, Oxford, 2001. S. 215–217, 224–231.
  • Ignaz Goldziher: „Abū Huraira“ in Enzyklopädie des Islam Bd. I, S. 99b-100a. Digitalisat
  • Helga Hemgesberg: Abu Huraira, der Gefährte des Propheten. Ein Beitrag zur Geschichte des frühen Islam. Frankfurt/Main, Diss. 1965.
  • G. H. A. Juynboll: The authenticity of the tradition literature: Discussions in modern Egypt. Brill, Leiden 1969, S. 62–99.
  • G. H. A. Juynboll: Abū Hurayra. In: Encyclopaedia of Islam. THREE. Herausgegeben von Gudrun Krämer, Denis Matringe, John Nawas, Everett Rowson. Brill Online, 2013.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Hemgesberg: Abu Huraira. 1965, S. 171.
  2. Vgl. Hemgesberg: Abu Huraira. 1965, S. 17–21.
  3. Vgl. Hemgesberg: Abu Huraira. 1965, S. 57.
  4. Vgl. Hemgesberg: Abu Huraira. 1965, S. 171.
  5. Vgl. Hemgesberg: Abu Huraira. 1965, S. 113 f.
  6. Vgl. Hemgesberg: Abu Huraira. 1965, S. 152.
  7. Vgl. Hemgesberg: Abu Huraira. 1965, S. 132 f.
  8. Vgl. Hemgesberg: Abu Huraira. 1965, S. 38.
  9. Vgl. Hemgesberg: Abu Huraira. S. 39–43.
  10. Vgl. Hemgesberg 32f und al-Ḥāzimī: ʿUǧālat al-mubtadiʾ wa-fuḍālat al-muntahī fī n-nasab Ed. ʿAbdallāh Kunūn. Kairo 1973, S. 59, Z. 5–6 Digitalisat.
  11. Vgl. Reuben Firestone: Journeys in Holy Lands. The Development of the Abraham-Ishmael legend in Islamic exegesis. Albany 1990. S. 9, 31–38.
  12. Abou El Fadl: Speaking in God's Name. 2001. S. 215.
  13. Abou El Fadl: Speaking in God's Name. 2001. S. 216.
  14. an-Naisābūrī: Al-Mustadrak. 2002, Bd. III, S. 582.
  15. Muhammad ibn Saʿd: Kitāb aṭ-Ṭabaqāt al-kabīr. 1912, Bd. II/2, S. 119.
  16. Ibn Qutaiba: Taʾwīl Muḫhtalaf al-ḥadīṯ. 1999, S. 72f.
  17. Juynboll: The authenticity of the tradition literature. 1969, S. 72f.
  18. ad-Dārimī: Naq̣d al-imām Abī-Saʿīd ʿU̱tmān Ibn-Saʿīd ʿala 'l-Marīsī al-Ǧahmī al-ʿAnīd. Bd. II, S. 617.
  19. ad-Dārimī: Naq̣d al-imām Abī-Saʿīd ʿU̱tmān Ibn-Saʿīd ʿala 'l-Marīsī al-Ǧahmī al-ʿAnīd. Bd. II, S. 618–631.
  20. Rašīd Riḍā: Fatāwā al-imām Muḥammad Rašīd Riḍā. Ed. Ṣalāḥ-ad-Dīn al-Munaǧǧid und Yūsuf Q. Ḫūrī. Dār al-Kitāb al-Ǧadīd, Beirut, 1970–1971. S. 2034f. Digitalisat
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