Die Afghanische Radsport-Frauennationalmannschaft war eine Gruppe von jungen Frauen in Afghanistan, die trotz zahlreicher Widrigkeiten Radsport in ihrem Heimatland betrieb. Ihr Ziel war die Qualifikation für Olympische Spiele. 2016 wurde das Team für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.
Die Mannschaft bestand aus rund 40 Fahrerinnen. Sie wurde von Abdul Sadiq Sadiqi trainiert, der auch Präsident des afghanischen Radsportverbandes war. 2013 war das Team die erste afghanische Frauenmannschaft, die an Asiatischen Radsportmeisterschaften teilnahm. Schon ab 1986 gab es eine afghanische Radsport-Frauennationalmannschaft, die aber unter den Taliban aufhörte zu existieren. 2011 gründete Abdul Sediq ein neues Team, dem auch seine Tochter Marjan Sadiqi angehört.
Vielen Afghanen missfällt es, dass sich Frauen in knapper Sportkleidung mit Rennrädern auf der Straße zeigen, auch wenn sie den Hidschāb unter ihrem Helm tragen. Oft werden die Teammitglieder beschimpft sowie mit Steinen und Müll beworfen. 2013 wurde eine Fahrerin absichtlich angefahren und verletzt. Deshalb absolviert die Mannschaft ihr Training meist früh morgens oder spät abends am Stadtrand der Hauptstadt Kabul.
2016 wurde die Mannschaft für den Friedensnobelpreis nominiert. Dem war ein Aufruf des italienischen Fernsehsenders Rai 2 vorausgegangen, für eine Petition zu stimmen, das Fahrrad für den Friedensnobelpreis zu nominieren. Es sei ein „Instrument des Friedens“ und das „demokratischste Transportmittel der Menschheit“. Auch löse das Fahrrad keine Kriege aus, die oftmals wegen des Erdöls geführt würden, und es sei umweltfreundlich. Ausgehend von dieser Aktion nominierten 118 italienische Parlamentarier die afghanische Radsport-Frauennationalmannschaft für den Friedensnobelpreis.
Unterstützt wurde das afghanische Frauen-Radsportprogramm von der Non-Profit-Organisation Mountain2Mountain der US-amerikanischen Aktivistin Shannon Galpin, die auch ein Buch über das Team verfasste. Die Fahrradmarke Liv von Giant, die auf Räder für Frauen spezialisiert ist, unterstützte das Team mit Rädern und weiterer Ausrüstung. Die Nominierung für den Nobelpreis, so Galpin, habe die Unerschrockenheit und den Mut dieser Frauen erkannt, sich die Straßen und ihr Recht auf Fahrräder zurückzuerobern.
2013 wurde ein Kurzfilm über die Mannschaft gedreht. Der längere Dokumentarfilm Afghan cycles kam 2018 in die Kinos.
2017 scheiterte das Projekt jedoch vorläufig. Es kam zu Korruptionsvorwürfen und Streit zwischen Galpin und Sadiki, einige Mitglieder beantragten auf Reisen der Mannschaft Asyl. Inzwischen bildeten sich unabhängig voneinander Frauenabteilungen in Radsportverereinen. Nach dem Rückzug der ausländischen Truppen und der Machtübernahme der Taliban im August 2021 wurde es für Frauen nahezu unmöglich, weiterhin Radsport auf öffentlichen Straßen in Afghanistan zu betrieben. Manche Radsportlerinnen versteckten sich aus Angst um ihr Leben, andere flüchteten aus dem Land.
Für Oktober 2022 plant der Weltradsportverband UCI die Ausrichtung einer afghanischen Straßenmeisterschaft für Frauen im schweizerischen Aigle, wo die UCI ihren Sitz hat. Es werden rund 50 Sportlerinnen erwartet, die derzeit alle außerhalb ihres Heimatlandes leben.
Literatur
- Shannon Galpin: Mountain to Mountain: a Journey of Adventure and Activism for the Women of Afghanistan. St Martin’s Press, 2015, ISBN 978-1-250-04664-2 (englisch).
Weblinks
- Boundary Breakers Afghan Women’s Cycling Team bei nationalgeographic.com, 13. November 2015.
- Afghan Cycles Trailer. In: vimeo.com. 18. November 2013, abgerufen am 8. Oktober 2016 (englisch).
- Afghan cycles in der Internet Movie Database (englisch)
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Der Friedensnobelpreis 2016 wurde an den Staatspräsidenten von Kolumbien, Juan Manuel Santos, verliehen, s. .
- ↑ Frauen-Radsport in Afghanistan: Kopftuch und Trikot. In: Spiegel Online Fotostrecke (1). 13. März 2015, abgerufen am 8. Oktober 2016.
- 1 2 3 Afghan women’s cycling team nominated for Nobel Peace Prize. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Velo News.com. 22. Februar 2016, archiviert vom am 8. Oktober 2016; abgerufen am 8. Oktober 2016 (englisch). Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- 1 2 Afghanistan: Die Radfahrerinnen von Kabul. In: zeit.de. 17. März 2015, abgerufen am 8. Oktober 2016.
- ↑ Frauen-Radsport in Afghanistan: Kopftuch und Trikot. In: Spiegel Online Fotostrecke (5). 13. März 2015, abgerufen am 8. Oktober 2016.
- ↑ Frauen-Radsport in Afghanistan: Kopftuch und Trikot. In: Spiegel Online Fotostrecke (2). 13. März 2015, abgerufen am 8. Oktober 2016.
- ↑ Bicycle 'should win Nobel Peace Prize'. In: - BBC News. 23. Juni 2016, abgerufen am 8. Oktober 2016 (englisch).
- ↑ Liv Partners with Afghan Cycles To Tell Story of Women Riders in Afghanistan. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Giant Bicycles. 27. August 2014, archiviert vom am 8. Oktober 2016; abgerufen am 8. Oktober 2016 (englisch). Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Afghan Cycles. (Nicht mehr online verfügbar.) In: siff.net. Archiviert vom am 26. Oktober 2019; abgerufen am 26. Oktober 2019 (englisch). Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Die Radlerinnen von Kabul - Wie Träume in Afghanistan platzen. In: rnz.de. 1. April 2017, abgerufen am 26. Oktober 2019.
- ↑ Selene Yeater: ‘Afghan Cycles’ Premieres After 5 Years of Controversy, Corruption, and Violence. 8. Mai 2018, abgerufen am 26. Oktober 2019 (englisch).
- ↑ Jessica Coulon: Women Cyclists in Afghanistan Fear for Their Lives As the Taliban Takes Over. In: bicycling.com. 20. August 2021, abgerufen am 27. Mai 2022 (englisch).
- ↑ In Afghanistan mogen vrouwen niet koersen, dus organiseert UCI Afghaans kampioenschap in Zwitserland. In: sporza.be. 28. September 2022, abgerufen am 29. September 2022 (niederländisch).