Agana war Äbtissin des Stifts Essen im 10. Jahrhundert. Ihre exakten Lebensdaten sind nicht bekannt, nach einer Eintragung im Essener Nekrolog starb sie am 17. November eines dort nicht genannten Jahres. Agana gilt als Erbauerin der ersten Krypta des Essener Münsters.
Quellenlage
Zeitgenössische Quellen zu Agana gibt es vermutlich nicht, lediglich erheblich spätere Essener Quellen, die zum Teil auf älteren, verlorenen Quellen beruhen, erlauben zusammen mit anderen Quellen Mutmaßungen über Aganas Regierungszeit. Agana wird im Essener Necrolog, das um 1300 auf der Basis älterer Überlieferung geschrieben wurde, am 17. November erwähnt: „Florini confessoris. Obiit Yda abbatissa domine iehsu christe. Obiit Agana abbatissa domine iehsu christe“. Das Todesdatum am Fest des Heiligen Florinus gilt als sicher, da es durch weitere Essener Quellen bestätigt wird. Der liber ordinarius, in dem die Messverpflichtungen und Liturgie des Essener Stifts aufgezeichnet sind, entstand um 1370 ebenfalls auf älterer Überlieferung und ordnete für diesen Tag eine Messe für Agana an. Der liber ordinarius regelte ferner, dass in der Nacht vom 16. auf den 17. November vier Kerzen an ihrem Grab in der Krypta aufzustellen seien, die Reste dieser Kerzen mussten aufbewahrt werden, um am 5. Januar erneut in der Krypta entzündet zu werden.
Forschung
Agana wird als Verantwortliche für den Bau der ersten Krypta angesehen. Basis dieser Annahme ist eine Eintragung in einem Nachtrag im sogenannten Sakramentar D 2 des Essener Stifts, das in Essen geschrieben wurde und auf die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts datiert wird. Dort findet sich für den 5. Januar der Eintrag dedicatio cripte, also Weihe der Krypta. Da es durch die erhaltene Weiheinschrift ausgeschlossen ist, dass sich der Eintrag auf die am 9. September 1051 geweihte Krypta der Äbtissin Theophanu bezieht, handelt es sich beim 5. Januar eindeutig um das Weihedatum eines Vorgängerbaus. Im Zusammenhang damit, dass die Kerzen aus der Gedächtnisillumination Aganas bis zum 5. Januar aufbewahrt und dann in der Krypta erneut entzündet werden sollten, ist Agana als Bauherrin der ersten Krypta wahrscheinlich.
Aus den Ergebnissen seiner archäologischen Ausgrabungen im Essener Münster hat Walter Zimmermann 1958 die erste Essener Krypta als Rezeption der Krypta von St. Maximin in Trier befunden, von der die Weihe im Jahr 952 belegt ist. Aufgrund dessen müsste Agana das Stift nach 952 geführt haben und wäre damit als Nachfolgerin der Äbtissin Hadwig anzusehen, die 947 nach dem verheerenden Brand der Essener Stiftskirche eine Bestätigung der Privilegien von König Otto I. erhielt.
Diese Ansetzung Aganas ist jedoch nicht unumstritten, da sie mit anderen Quellen kaum in Einklang zu bringen ist. Zunächst soll der Eintrag Aganas nach einer Auffassung zeitlich vor dem Eintrag Luitgarts, der Gemahlin Konrads des Roten und Tochter Ottos I., erfolgt sein; diese starb im Jahr 953. Da Äbtissin Hadwig nach ihrer überlieferten Grabinschrift den Stiftsbrand 946 mehrere Jahre überlebt hat, ergäbe dieses für Agana eine sehr kurze Amtszeit. Allerdings können Einträge im Necrolog bei der Abschrift aus älteren Quellen vertauscht worden sein. Gravierender ist der Einwand, der sich aus der Auswertung des ältesten Nekrologs des Stiftes Borghorst ergibt. Das Stift Borghorst war 968 von Essen aus gegründet worden, die neue Frauengemeinschaft nahm die Memorialüberlieferung des Essener Stiftes mit. In dem Borghorster Nekrolog erscheinen daher auch die Essener Äbtissinnen Hadwig und Ida. Wenn die Ansetzung von Agana als Hadwigs Nachfolgerin richtig ist, müsste Ida wiederum Aganas Nachfolgerin gewesen sein. Agana fehlt aber im Borghorster Nekrolog, während ihre Vorgängerin und Nachfolgerin genannt wären. Für eine solche Auslassung hat die Memorialforschung keine Erklärung. Das Problem wäre zu lösen, wenn Agana nicht zwischen Hadwig und Ida regiert hätte, da die ersten Borghorster Stiftsdamen wohl nur die Essener Stiftsdamen in ihren Nekrolog aufnahmen, die sie selbst erlebt hatten und die bei der Gründung von Borghorst bereits verstorben waren. In diesem Fall könnte Agana nach der Äbtissin Ida, als Vorgängerin der bedeutendsten Äbtissin Mathilde, regiert haben, was für ihr Abbatiat allerdings nur die kurze Zeitspanne vom Jahr 971, in dem nach einer Überlieferung unklarer Herkunft Ida verstorben sein soll, bis zum Jahr 973, in dem Mathilde urkundlich als Äbtissin belegt ist, übrig ließe. Die zweite Erklärungsmöglichkeit ist, dass Agana vor Hadwig Äbtissin des Stiftes Essen war, den neuen Borghorster Stiftsdamen nicht mehr Mitsanctimoniale gewesen war und daher nicht in deren Totengedenken aufgenommen worden ist. In diesem Fall könnte die erste Essener Krypta allerdings nicht von der Trierer Krypta von St. Maximin beeinflusst sein. Diese Beeinflussung ist nicht zwingend, sie könnte entgegen Zimmermanns Annahme umgekehrt erfolgt sein, oder beide Bauwerke könnten einem gemeinsamen, unbekannten Vorgänger folgen. Die Möglichkeit, Agana als Vorgängerin Hadwigs anzusehen, wird daher bauhistorisch nicht ausgeschlossen. Für eine Ansetzung Aganas in das frühe 10. Jahrhundert spricht auch, dass nach einer Quelle des 17. Jahrhunderts eine Äbtissin Hagana die Ummauerung der Burgfreiheit, also des Stiftsbezirkes, zur Zeit des Königs Heinrich I. vorgenommen haben soll; dieser regierte von 919 bis 936. Ein weiteres Indiz für eine frühe Ansetzung liefern die Grabungsbefunde Zimmermanns in der Krypta, dieser fand an der dem liber ordinarius entsprechenden Stelle zwei Gräber übereinander, wobei das obere Grab (als Nr. 152 bezeichnet) das untere Grab (Nr. 104) angeschnitten hatte. Das obere Grab wies Zimmermann der Äbtissin Suanhild (1058–1085) zu, inzwischen wird es jedoch Lange folgend für das Grab der Äbtissin Mathilde (973–1011) gehalten. Das untere Grab könnte dann das der Äbtissin Agana sein. Der Umstand, dass es bei der Anlage des Grabs Mathildes angeschnitten wurde, könnte ebenfalls dafür sprechen, dass zwischen beiden weitere Äbtissinnen amtierten.
Es ist daher wahrscheinlich, dass Agana in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts als Äbtissin des Stifts Essen amtierte.
Literatur
- Katrinette Bodarwé: Sanctimoniales litteratae: Schriftlichkeit und Bildung in den ottonischen Frauenkommunitäten Gandersheim, Essen und Quedlinburg, Aschendorff’sche Verlagsbuchhandlung, Münster 2004, ISBN 3-402-06249-6.
- Klaus Lange: Die Krypta der Essener Stiftskirche. In: Essen und die sächsischen Frauenstifte im Frühmittelalter. Klartext Verlag, Essen 2003. ISBN 3-89861-238-4.
- Tobias Nüssel: Überlegungen zu den Essener Äbtissinnen zwischen Wicburg und Mathilde In: Das Münster am Hellweg, Jahrbuch des Vereins für die Erhaltung des Essener Münsters-Münsterbauverein e.V., Essen 2010, S. 7–31.
- Alfred Pothmann: Die Äbtissinnen des Essener Stifts. In: Das Münster am Hellweg, Mitteilungsblatt des Vereins für die Erhaltung des Essener Münsters. Essen 1987, S. 5–11.
- Alfred Pothmann: Die Äbtissin Agana – Die Erbauerin der ersten Essener Krypta. In: Das Münster am Hellweg, Mitteilungsblatt des Vereins für die Erhaltung des Essener Münsters. Essen 1987, S. 11–13.