Aigues-Mortes
Staat Frankreich
Region Okzitanien
Département (Nr.) Gard (30)
Arrondissement Nîmes
Kanton Aigues-Mortes (Hauptort)
Gemeindeverband Terre de Camargue
Koordinaten 43° 34′ N,  12′ O
Höhe 0–3 m
Fläche 57,78 km²
Einwohner 8.664 (1. Januar 2020)
Bevölkerungsdichte 150 Einw./km²
Postleitzahl 30220
INSEE-Code 30003
Website www.ville-aigues-mortes.fr/

Luftaufnahme der Bastide

Aigues-Mortes [ɛgˈmɔʀt] (okzitanisch Aigasmòrtas) ist eine Stadt im französischen Département Gard mit 8664 Einwohnern (Stand 1. Januar 2020). Sie ist eine der größten noch erhaltenen mittelalterlichen Festungsstädte.

Geografie

Der Name „Aigues-Mortes“ bedeutet tote Wasser. Die Einwohner werden gemeinhin Aiguemortais bzw. Aiguemortaises genannt.

Im 13. Jahrhundert als Hafenstadt konzipiert, lag Aigues-Mortes damals an den Ufern einer großflächigen Lagune und war durch Kanäle mit dem Mittelmeer verbunden. Zum westlichen Delta der Rhône führten Wege durch weitläufige Moore. Anlässlich der Stadtgründung wurde eine Fernstraße auf einem Damm angelegt, die die einzige Verbindung zum Festland bildete und durch den Tour Carbonnière verteidigt wurde.

Nach der Verlandung der Flachwasserzone liegt Aigues-Mortes heute rund sechs Kilometer vom Meer entfernt, ist aber von dort aus noch über einen Kanal erreichbar. Die Stadt liegt außerdem am Canal du Rhône à Sète, einer schiffbaren Verbindung zwischen der Rhone und Sète. Von dort besteht eine Verbindung zum Canal du Midi.

Geschichte

Antike

Gaius Marius erwähnt eine Siedlung an diesem Ort um 102 v. Chr. Der Name Ayga Mortas („Totes Wasser“) wird erstmals im 10. Jahrhundert verwendet.

Mittelalterliche Stadtgründung

Bis in das 13. Jahrhundert hinein besaß der französische König kein Land in Süd-Frankreich. Das Gebiet der Provence gehörte zum Heiligen Römischen Reich, während das Languedoc-Roussillon den Königen von Aragón gehörte.

1240 erwarb Ludwig IX., der Heilige, das Gebiet. Er ließ zwischen 1241 und 1250 zunächst die Tour de Constance errichten und begann 1248 mit der Anlage der Stadt als Bastide. Damit gewann er seinen ersten Mittelmeerhafen auf eigenem Gebiet. Von hier brach der König zum Sechsten (1248–1254) und Siebten Kreuzzug (1270) auf. 1270 starb Ludwig während des Kreuzzuges an Typhus. Die Stadt war zu dieser Zeit fast fertiggestellt. Auf dem Hauptplatz der Stadt steht eine Statue des Königs aus dem 19. Jahrhundert.

Ab 1268 wurde zur Finanzierung des Baus der Stadtmauer eine Steuer von einem Pfennig pro Pfund einer Ware erhoben. Die Nachfolger Ludwig IX., insbesondere sein Sohn Philipp der Kühne, ließen später ein Festungsviereck mit einem umlaufenden Wehrgang und 10 darin regelmäßig verteilten Stadttoren anlegen. Als Planer gilt der Baumeister Eudes de Montreuil. Das Fundament der von ihm entworfenen Stadtmauer ruht auf einer hölzernen Plattform, die von Eichenpfählen gestützt wird, die bis auf den festen Grund im Boden gerammt sind. Sie ist 1634 m lang. Während des Krieges mit Aragón stockte der Ausbau, wurde aber auf Betreiben Philipp IV. des Schönen wieder aufgenommen. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts war die Stadtmauer vollendet. Sie ist heute noch vollständig erhalten. Aigues-Mortes gilt im Städtebau als herausragendes Beispiel der mittelalterlich-geschlossenen Stadt und wird bei Le Corbusier und Leonardo Benevolo besprochen.

Frühe Neuzeit

Zunächst entwickelte sich Aigues-Mortes als Hafenstadt gut. Durch die Verlandung der Lagune wich das Meer allmählich immer weiter zurück. Die Stadt war bis zum 16. Jahrhundert einer der bedeutendsten Verkehrsknotenpunkte der französischen Mittelmeerküste. 1481 fiel die Provence an Frankreich und Marseille verdrängte die Stadt als führender französischer Mittelmeerhafen. Die wirtschaftliche Aktivität der Bewohner konzentrierte sich nun auf Handel, Weinbau und die Salinen.

Karl V. und Franz I. trafen sich 1538 in Aigues-Mortes, um Verhandlungen zu führen, die zum Friedensvertrag von Nizza führten.

In der Reformation wurde die Stadt hugenottisch. Am 22. August 1622 übergab ihr Kommandant, Gaspard III. de Coligny, später Herzog von Châtillon, die Stadt kampflos an Louis XIII., der mit einer Armee vor Aigues-Mortes erschienen war, um die Hugenottenrebellion im Languedoc zu unterdrücken. Das brachte de Coligny eine Belohnung von 5.000 Pfund und den Marschallstab ein.

Neuzeit

1893 kam es in den Salinen zu schnell eskalierenden Auseinandersetzungen zwischen Ortsansässigen und italienischen Wanderarbeitern, die zu einem Massaker an den Italienern führten. Nach einer offiziellen Bilanz gab es 8 Tote und 50 Verletzte, während italienische Berichte von 50 Toten und 150 Schwerverletzten sprachen.

Bevölkerungsentwicklung

Jahr19621968197519821990199920102017
Einwohner42034197453144724999601283418325
Quellen: Cassini und INSEE

Wappen

Das Wappen der Stadt stellt St. Martin dar, der seinen Mantel mit einem Bettler teilt. St. Martin ist der Schutzpatron der Stadt und der französischen Könige. Geistiger Vater des Wappens soll ein Waffenrichter namens d'Hozier gewesen sein, das Wappen stammt vom 26. April 1697.

Sehenswürdigkeiten

Hauptsehenswürdigkeit ist die vollständig erhaltene Stadtmauer mit dem Wehrturm Tour de Constance. Dieser und andere Türme der Stadtmauer dienten zur Zeit der Hugenottenkriege als Gefängnis für Protestanten. Abraham Mazel, einem Anführer der protestantischen Widerstandsbewegung (Kamisarden), gelang 1705 die unmöglich erschienene Flucht aus diesem Turm. Die durch ihre lange Gefängnisstrafe bekannt gewordene Marie Durand war dort 38 Jahre, von 1730 bis 1768, lang eingekerkert, da sie ihrem protestantischen Glauben nicht abschwor.

Im Mittelalter lag Aigues-Mortes inmitten eines Sumpfgebiets. Der einzige Zugang zur Stadt von der Landseite führte durch den Wacht- und Zollturm Tour Carbonnière, dessen älteste erhaltene Erwähnung von 1346 stammt. Der Turm liegt 3,2 km nordnordöstlich der Bastide auf dem Gebiet der Gemeinde Saint-Laurent-d’Aigouze.

Die Kirche Notre-Dame-des-Sablons war Ausgangspunkt des siebten und des achten Kreuzzugs. Sehenswert sind auch die Kapellen der Grauen und der Weißen Büßer (Chapelle des Pénitents gris und Chapelle des Pénitents blancs).

Verkehr

Aigues-Mortes liegt an der Bahnstrecke Saint-Césaire–Le Grau-du-Roi. Die eingleisige, nicht elektrifizierte Strecke wurde 1873 von der Compagnie des chemins de fer de Paris à Lyon et à la Méditerranée (P.L.M.) eröffnet, zunächst war Aigues-Mortes deren südlicher Endpunkt. 1909 wurde sie über den Canal du Rhône à Sète bis Grau-du-Roi verlängert; unmittelbar südlich des Bahnhofs wurde eine 21 m lange Drehbrücke errichtet, auf der sie die Einfahrt zum Stadthafen quert.

Hauptstraße in Nord-Süd-Richtung ist die Route départementale D 979, die bei Codognan von der Route nationale 113 abzweigt und in Grau-du-Roi endet. Sie wird in Aigues-Mortes von der West-Ost-Achse D 62–D 58 (Carnon–Sylvéréal) gekreuzt. Nächste Autobahn ist die Autoroute A 9, die bei Orange in die Richtung Paris führende A 7 („Autoroute du Soleil“) mündet und in südlicher Richtung bis zur spanischen Grenze führt.

Der schiffbare Süßwasserkanal Canal du Rhône à Sète wurde 1806 in Betrieb genommen. In Aigues-Mortes zweigt ein Seitenkanal nach Grau-du-Roi ab, der dort ins Mittelmeer mündet.

Persönlichkeiten

Sonstiges

Der erste Teil von Ernest Hemingways The Garden of Eden (deutsch: Der Garten Eden), einem 1986 postum erschienenen Roman über eine Ménage à trois, spielt unter anderem in Aigues-Mortes und dem benachbarten Le Grau-du-Roi.

Commons: Aigues-Mortes – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikivoyage: Aigues-Mortes – Reiseführer

Einzelnachweise

  1. Aigues-Mortes. In: Colum P. Hourihane (Hrsg.) The Grove Encyclopedia of Medieval Art and Architecture. Oxford University Press, 2013. Abgerufen am 3. Dezember 2020 bei Oxford Reference (Beschränkter Zugriff)
  2. Informationsbroschüre der Touristinformation
  3. Le Corbusier: La Ville radieuse, Paris 1933
  4. Leonardo Benevolo: Die Geschichte der Stadt, Campus, Frankfurt a. M. & New York 1983, S. 524–529
  5. Frank Caestecker: Der Migrant. In: Ute Frevert, Heinz-Gerhart Haupt (Hg.): Der Mensch des 19. Jahrhunderts. Campus, Frankfurt a. M. & New York 1999, S. 256.
  6. Josef Müller-Marein, Alfred Pletsch: Südfrankreich. C.J.Bucher, München und Luzern 1985, ISBN 3-7658-0498-3, S. 143 f.
  7. Le pont tournant d’Aigues-Mortes in: Ferrovissime Nr. 105, S. 55 ff.
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