Al-Ichlas (arabisch الإخلاص, DMG al-iḫlāṣ ‚Der Glaube ohne Vorbehalt‘ [alʔixˈlɒːsˁ]) ist die 112. Sure des Korans und eine seiner kürzesten.

Sie besteht aus vier Versen (ayat) und behandelt das Konzept des Tauhīd (Einheit Gottes). Aufgrund ihres Inhalts heißt diese Sure auch „Tauhīd“ und wegen der dort vorkommenden Bezeichnung Gottes „samad“. Oft dient der erste Vers zur Bezeichnung der gesamten Sure.

Ichlas bedeutet „Ergebenheit, Treue, Aufrichtigkeit, Loyalität“, Das Wort kommt in dieser Sure nicht vor, sondern dient als eine Art Inhaltsangabe. Gemeint ist mit diesem Wort „die religiöse Haltung derer‚ die ihren Glauben ganz auf Gott einstellen‘“. Die Frage, ob al-Ichlas eine mekkanische oder medinensische Sure ist, ist umstritten. In der offiziellen Koranausgabe der Azhar (1924) wird sie als mekkanisch bezeichnet. In den islamischen Koranwissenschaften wird sie aber oft als medinensisch verstanden, weil man den Inhalt als Antwort Mohammeds auf eine Frage der dortigen Juden über das Wesen Gottes verstand.

Die Literatur gibt an, das Wort Ichlas, als IV. Form der dazugehörigen Wurzel, das Konzept von Reinigung und Hingabe versinnbildlicht. Aus diesem Grund gehöre es zu den einem Muslim innewohnenden Eigenschaften, aufrichtig und hingebungsvoll in seinen religiösen Handlungen zu sein sowie in seiner Beziehung mit Gott und der Gesellschaft, in der er lebt. Der Koran bezeichnet jemanden, der dies tut und seine Verpflichtungen gegenüber Gott erfüllt beispielsweise in der zweiten Sure im Vers 139 als Muchlis.

Die Sure gehört neben der Eröffnungsure al-Fātiha zu den bekanntesten Suren und ist häufig Bestandteil des rituellen Gebetes (salat) im Islam.

Text der Sure

قُلْ هُوَ ﭐللهُ أحَدٌ
أللهُ الصَّمَدُ
لَمْ يَلِدْ وَلَمْ يُولَدْ
وَلَمْ يَكُنْ لَهُ كُفُوًا أَحَدٌ

qul huwa llāhu aḥad
allāhu ṣ-ṣamad
lam yalid wa-lam yūlad
wa-lam yakun lahu kufuwan aḥad

Übersetzung und Nachdichtung des Dichters und Orientalisten Friedrich Rückert (1788–1866) gemäß der Reimprosa im arabischen Originaltext:

Sprich: Gott ist Einer,
Ein ewig reiner,
Hat nicht gezeugt und ihn gezeugt hat keiner,
Und nicht ihm gleich ist einer.

Bedeutung

In Vers 1 wird das monotheistische Prinzip des Islam unterstrichen. Der Vers widerspiegelt auch das jüdische Glaubensbekenntnis Schma Jisrael aus Dtn 6,4 . Vers 3 wird als Absage an die christlichen Auffassungen über die Gottessohnschaft Jesu Christi aufgefasst. Die Bedeutung des Wortes „samad“, bei dem es sich um ein Hapax legomenon handelt, erläutern die Koranexegeten unterschiedlich und in der Koranforschung ist sie ebenfalls umstritten. Eine mögliche Interpretation ist „jemand, der von allen Bedürfnissen (Essen, Trinken, Verdauung) frei ist“, aber auch „Herr“, „Führer“ oder „oberste Instanz“, was dahingehend umschrieben wird, dass alles im Universum von Allāh abhängig ist, er jedoch von nichts abhängt. Im I. Stamm hat das Wort auch sinngemäß die Bedeutung „sich begeben“ oder „sich etwas zuwenden“, die ersten beiden Verse könnten also dahingehend verstanden und interpretiert werden, dass Allāh der einzige Gott ist, dem man sich zuwenden muss. Eine andere Interpretation gibt der Berliner Arabist und Orientalist Friedrich Dieterici in seinem Werk Arabisch-Deutsches Handwörterbuch zum Koran und Thier und Mensch mit „Gott, der Unwandelbare“ an.

Als 697 der umayyadische Kalif ʿAbd al-Malik zum ersten Mal islamische Münzen prägen ließ, trugen diese auf der Rückseite als Aufschrift den Text der Sure. Auch in drei der vier erhaltenen Inschriften des von ʿAbd al-Malik errichteten Felsendoms erscheint die Sure.

Im Volksglauben wird der Sure auch eine Schutzfunktion zugesprochen. In Marokko dient diese Sure als Amulett gegen den bösen Blick, vorausgesetzt, sie ist von einem jungen Mann mit dem Namen Muhammad oder Ahmad aufgeschrieben worden.

Literatur

  • Arne Ambros: Die Analyse von Sure 112 – Kritiken, Synthesen, neue Ansätze. In: Der Islam, Band 62, Heft 2, 1986, S. 219–247
  • Edwin E. Calverley: The Grammar of Sūratu ʾl-Ikhlāṣ. In: Studia Islamica, 1957, 8, S. 5–14
  • Theodor Nöldeke: Geschichte des Qorāns. 2. Auflage, bearbeitet von Friedrich Schwally. Leipzig 1909.
  • ikhlāṣ. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Band 3, S. 1059

Einzelnachweise

  1. Übersetzung: Rudi Paret
  2. Ebenso handelt es sich um einen Bezug zur „umgangssprachlichen“ Bedeutung „in aller Kürze“, da in dieser außergewöhnlich kurzen Sure das wesentliche Element des islamischen Monotheismus ausgedrückt wird.
  3. Siehe Lamya Kandil: Die Surennamen in der offiziellen Kairiner Koranausgabe und ihre Varienten. In: Der Islam, 69, 1992, S. 43 ff., S. 54.
  4. Rudi Paret: Der Koran. Kommentar und Konkordanz. S. 530.
  5. Theodor Nöldeke: Geschichte des Qorāns. Band 1. S. 107.
  6. L. Gardet: Ik̲h̲lāṣ. In: P. Bearman, Th. Bianquis, C.E. Bosworth, E. van Donzel, W.P. Heinrichs (Hrsg.): Encyclopaedia of Islam. Second Edition.
  7. Umschrift nach DMG ohne Nunationen am Zeilenende, da diese beim Zitieren des Korans aufgrund des Reim-Schemas nicht gesprochen werden.
  8. Der Koran in der Übersetzung von Friedrich Rückert. Hrsg.: Hartmut Bobzin. Würzburg 2000. ISBN 3-933563-70-4.
  9. Dirk Hartwig: Der ‚Urvertrag‘: ein rabbinischer Diskurs im Koran. In: Dirk Hartwig, Walter Homolka, Michael J. Marx, Angelika Neuwirth (Hrsg.): „Im vollen Licht der Geschichte“. Die Wissenschaft des Judentums und die Anfänge der Koranforschung. ERGON Verlag, 2008, ISBN 978-3-89913-478-0, S. 191.
  10. Rudi Paret: Der Koran. Kommentar und Konkordanz. S. 530, mit weiteren Quellen.
  11. Ayşe Başol-Gürdal: Allāh ist das Licht von Himmel und Erde. Der Lichtvers Sura 24 an - Nur 35. Seine Bedeutung im Kontext der Offenbarung und Grundzüge seiner Auslegung in der islamischen Gelehrsamkeit. In: Islamkundliche Untersuchungen, Band 286. Klaus Schwarz Verlag, Berlin 2008, S. 16, ISBN 978-3-87997-357-6 (Dissertation)
  12. Friedrich Dieterici: Arabisch-deutsches Handwörterbuch zum Koran und Thier und Mensch. J.C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1881, S. 89
  13. Josef van Ess: Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert Hidschra. Eine Geschichte des religiösen Denkens im frühen Islam. Band I. Berlin / New York 1991, S. 10.
  14. Vgl. die literarische Bezugnahme bei N. Maḥfūẓ im Roman Zwischen den Palästen (Kapitel 1): „Über die Welt der Dämonen wusste sie viel mehr als über die Welt der Menschen, und so hatte sie denn auch nie das Gefühl verloren, in diesem großen Haus nicht allein zu leben … Nichts konnte helfen, außer die Fatiha und die Samadija zu sprechen“ (Übersetzung von D. Kilias).
  15. August Fischer: Vergöttlichung und Tabuisierung der Namen Muhammad’s bei den Muslimen. In: Richard Hartmann, Helmuth Scheel (Hrsg.): Beiträge zur Arabistik, Semitistik und Islamwissenschaft. Leipzig 1944, S. 326.
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