Alexander Dunlop Lindsay, 1. Baron Lindsay of Birker, auch A.D. Lindsay oder kurz Sandie Lindsay, (* 14. Mai 1879 in Glasgow; † 18. März 1952 in Keele) war ein schottischer Philosoph und Adeliger.

Leben und Tätigkeit

Herkunft und früher Werdegang

Lindsay war ein Sohn des Thomas Martin Lindsay (1845–1914), eines Universitätsprofessors, und seiner Ehefrau Anna geb. Dunlop (1845–1903).

Lindsay wurde von 1887 an an der Glasgow Academy ausgebildet. Anschließend studierte er an der University of Glasgow, wo er 1899 einen Master-Abschluss im Fach classics (antike Klassiker) erwarb. Danach wechselte er an das University College der Oxford University. Zwischendurch verbrachte er von 1900 bis 1901 einige Semester in Tübingen und Leipzig.

1903 erhielt Lindsay eine Fellowship für Moralphilosophie (moral philosophy) der Edinburgh University. Von 1904 bis 1906 unterrichtete er als assistant lecturer an der Victoria University of Manchester, bevor er 1906 als vollwertiger Dozent (fellow) für Philosophie an das Balliol College in Oxford wechselte.

Ab 1915 (?) nahm Lindsay aktiv am Ersten Weltkrieg teil, in dem er den Rang eines Lieutenant colonel erreichte.

Zwischenkriegsjahre

Ab 1922 unterrichtete Lindsay als Professor of Moral Philosophy an der University of Glasgow. 1924 übernahm er die Funktion eines master am Balliol College der Universität Oxford, die er bis 1949 innehaben sollte. Er war damals das erste Mitglied der Labour Party – die er in Bildungsfragen beriet –, das die Leitung eines Colleges an der Oxford University übertragen bekam, was damals eine sehr umstrittene Personalentscheidung war. Während der mehr als zwanzig Jahre, die er diese Stellung beibehielt hatte Lindsay großen Einfluss auf seine Studenten, u. a. auf den späteren Premierminister Edward Heath.

Als Master des Balliol College wird Lindsay als Bewahrer des antiautoritären und kritischen Geistes dieser Institution bewertet: So untersagte er es seinen Studenten während des Generalstreiks von 1926 als Streikbrecher zu betätigen und fungierte er zu Beginn der 1930er Jahre als Gastgeber Mohandas Ghandis – der damals in Großbritannien noch äußerst umstritten war – während seines Aufenthaltes in Oxford. Von 1924 bis 1925 amtierte Lindsay zugleich Präsident der Aristotelian Society.

1935 erhielt Lindsay den Posten des Vizekanzlers der Oxford University. In dieser Stellung verblieb er bis 1938. Unter seiner Ägide wurde die Universität mit Hilfe von umfangreichen Spenden von Lord Nuffield um ein Labor für physikalische Chemie und um ein College für Doktoranden der Sozialwissenschaften, das später den Namen Nuffield College erhielt, erweitert.

Anlässlich einer Nachwahl im Wahlkreis Oxford City im Herbst 1938 kandidierte Lindsay als parteiloser Kandidat – wobei er sich als „unabhängiger Progressiver“ (Independent Progressive) beschrieb – erfolglos für einen Sitz im House of Commons, dem britischen Parlament. Im Wahlkampf, in dem er von der Labour Party, der Liberal Party und einzelnen Konservativen wie Harold Macmillan und Winston Churchill unterstützt wurde, konzentrierte er sich als „Ein-Themen-Kandidat“ darauf seine scharfe Ablehnung des in diesem Jahr abgeschlossenen Münchener Abkommens zwischen der britischen und französischen Regierung einerseits und dem Deutschen Reich andererseits herauszustellen, in dem er einen gefährlichen und verfehlten Versuch der Befriedung eines außenpolitischen Aggressors erblickte. Lindsay unterlag in dieser Nachwahl – die als eine der umkämpftesten Nachwahlen in Großbritannien im 20. Jahrhundert gilt („one of the most contentious by-elections of the century“) – schließlich gegen den konservativen Kandidaten Quintin Hogg.

Ende der 1930er Jahre geriet Lindsay als prominenter Unterstützer der antinazistischen Volksfront-Bewegung ins Visier der nationalsozialistischen Polizeiorgane, die ihn schließlich als wichtige Zielperson einstuften: Im Frühjahr 1940 setzte das Reichssicherheitshauptamt in Berlin ihn auf die Sonderfahndungsliste G.B., ein Verzeichnis von Personen, die der NS-Überwachungsapparat als besonders gefährlich oder wichtig ansah, weshalb sie im Falle einer erfolgreichen Invasion und Besetzung der britischen Inseln durch die Wehrmacht von den Besatzungstruppen nachfolgenden Sonderkommandos der SS mit besonderer Priorität ausfindig gemacht und verhaftet werden sollten.

Nachkriegszeit

Am 13. November 1945 wurde Lindsay als baron Lindsay of Birker, of Low Ground in the County of Cumberland in den erblichen Adelsstand erhoben. Nach seinem Tod ging sein Adelstitel auf seinen ältesten Sohn Michael über.

1948 wurde Lindsay mit dem Posten des Vorsitzenden (chairman) der offiziellen Britischen Kommission zur Reformierung der Universitäten in der britischen Besatzungszone Deutschlands betraut.

1949 wurde Lindsay von der Oxford University pensioniert. Als Unterstützer der Erwachsenenbildung übernahm er als Pensionär den Posten eines Direktors (Principal) des University College of North Staffordshire (heute bekannt als Keele University).

Ehe und Nachkommen

1907 heiratete Lindsay Erica Violet Storr (* 1877; † 28. Mai 1962), mit der er zwei Söhne und eine Tochter hatte.

Schriften

  • The Philosophy of Bergson, 1911.
  • The Philosophy of Immanuel Kant, 1911. (Nachdrucke 1919, 2016)
  • Oxford Pamphlets, 1914.
  • The Essentials of Democracy, 1929.
  • The Balsam Firs of Western Australia, 1932.
  • Christianity and Economics, 1933.
  • Kant, 1934.
  • Toleration and Democracy, 1942.
  • The Modern Democratic State, Bd. 1, 1943.
  • Religion, Science and Society in the Modern World, 1943.
  • The Good and the Clever, 1945.
  • The Essentials of Democracy, 1951.
  • A New Theory of Vision. And Other Writings, 1954.
  • A.D. Lindsay, 1879–1952 – Selected Addresses, 1957. (Zusammenstellung von Reden Lindsays durch anonyme Beiträger für die Studenten des University College in Keele)

Literatur

  • Drusilla Scott: A.D. Lindsay. A Biography, London 1971.

Einzelnachweise

  1. Robert Shepherd: A class divided: appeasement and the road to Munich, 1938, 1988, S. 258.
  2. Eintrag zu Lindsay auf der Sonderfahndungsliste G.B. (Wiedergabe auf der Website des Imperial War Museums in London).
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