Alvise Giovanni Mocenigo oder Alvise IV. Mocenigo (* 19. Mai 1701 in Venedig; † 31. Dezember 1778 ebenda) war von seiner Wahl am 19. April 1763, bzw. seiner Einsetzung am folgenden Tag, bis zu seinem Tod der drittletzte Doge der Republik Venedig.

Ab 1726 übernahm er alljährlich die dem städtischen Adel vorbehaltenen Ämter. Vor allem aber wurde er als Botschafter und Gesandter an den wichtigen Höfen in Paris, Neapel und Rom eingesetzt.

Während seiner Regierungszeit setzte sich der Niedergang der Republik, ihr Machtverlust innerhalb der europäischen Mächte und die Stagnation ihrer Wirtschaft fort.

Herkunft

Alvise IV. Mocenigo war der letzte einer Reihe von sieben Dogen, die aus der Familie Mocenigo stammten. Vor ihm waren Tommaso Mocenigo (1414–1423), Pietro Mocenigo (1474–1476), Giovanni Mocenigo (1478–1485), danach drei Familienangehörige mit dem Namen Alvise Dogen, nämlich ein erster Alvise von 1570 bis 1577, ein zweiter von 1700 bis 1709, schließlich ein dritter von 1722 bis 1732.

Alvise IV. war der jüngste der vier Söhne Alvises III. Mocenigo, genannt Marcantonio, und der Paolina Badoer di Pietro di Sebastiano. Während der Vater dem Familienzweig aus S. Stae entstammte, gehörte die Mutter zum Zweig von S. Moisè. Um den jungen Alvise von seinen zahlreichen gleichnamigen Verwandten zu unterscheiden, erhielt er zusätzlich den Namen Giovanni. Ihr gemeinsamer Sohn war mit Pisana Cornèr verheiratet, die 1769 während seines Dogats verstarb. Das Paar hatte sechs Söhne.

Leben

Ämterlaufbahn

Zwar gelangte Alvise IV. mittels der Balla d’oro in den Großen Rat, ihm gestattete also ein Losverfahren nicht nur lange vor seinem 25. Lebensjahr in dieses zentrale Gremium Venedigs zu gelangen, doch erst 1726 bekleidete er erstmals ein öffentliches Amt, nämlich das eines Savio agli Ordini. Dabei handelte es sich um eine häufig gewählte Einstiegsposition, um später in die höheren Ränge aufzusteigen. Im folgenden Jahr allerdings lehnte er die Wiederwahl in dieses Amt ab und zog es vor, das weniger angesehene Amt eines Camerlengo di Comun zu übernehmen.

Botschafter in Paris (1730–1733) und Rom (1734–1737)

Am 10. März 1729 wählte ihn der Große Rat, obwohl er bis dahin keinerlei diplomatische Aufgaben wahrgenommen hatte, zum Gesandten beim französischen Königshof. Er konnte sich in den entsprechenden Kreisen bewegen, besaß rednerische Qualitäten und ein erhebliches Vermögen. Im April 1730 kam er an den Hof, wo er am 7. Mai 1733 vom König persönlich entlassen wurde. Erst am 18. Februar 1734 trug Alvise Mocenigo seine Relazione vor, seinen seit langem vorgeschriebenen, abschließenden Bericht über seine diplomatische Mission. Darin hatte er ein besonderes Augenmerk auf die Finanzen Frankreichs unter Fleury, aber auch den gescheiterten Sanierungsversuch unter John Law, der 1720 aus Frankreich hatte fliehen müssen, und der sich zeitweise in Venedig aufgehalten hatte, an den Tag gelegt. Law war 1729 in Venedig gestorben.

Mocenigos Mission war überaus erfolgreich. Er kehrte als Ritter nach Venedig zurück. Auch brachte er einige Reliquien des heiligen Dogen Pietro Orseolo mit. Am 12. Dezember 1733 nahm er folgerichtig die Nominierung zum Botschafter am Hof Papst Clemens’ XII. an. Dementsprechend zog er nach Rom, wo er sich von April 1734 bis April 1737 aufhielt. Wie üblich, lieferte er auch danach eine Relazione ab.

Gesandter in Neapel (1738)

Während er sich noch in Rom aufhielt, erreichte ihn die Nachricht von seiner Nominierung zum Prokurator di San Marco de citra am 27. Juni 1736 – eine der wenigen Positionen, die auf Lebenszeit besetzt wurden. Wieder in Venedig wurde er sogleich Savio del Consiglio im zweiten Halbjahr 1737. Spätestens damit war er, wenn auch noch nicht auf Dauer, im innersten Machtkreis angelangt. Bald musste er nämlich von diesem Amt zurücktreten, weil er zum Sondergesandten an den Hof Karls III. von Neapel, des späteren Königs von Spanien gewählt worden war. Im Februar 1738 brach er an den Hof auf, den er am 2. März erreichte. Dort konnte er dem König zur Verehelichung mit Maria Amalia von Sachsen gratulieren. Er blieb bis zum 28. Oktober 1738 am Hof. Ähnlich wie am päpstlichen Hof enthielt seine Relazione eher negative Urteile über den Herrscher.

Im innersten Machtzirkel Venedigs (ab 1737), Heirat Pisana Corners (1739)

Wieder in Venedig übernahm er erneut die Stellung eines Savio del Consiglio, diesmal für das erste Halbjahr 1739. Danach wurde er Provveditore alle Biave, war also für die Getreideversorgung der Stadt zuständig. Dieses Amt beinhaltete den Umgang mit gewaltigen Geldbeträgen, aber auch mit den zahllosen Kontroll- und Steuerungsmitteln der Stadt.

Am 5. Oktober 1739 heiratete er Pisana Corner. Diese Hochzeit wurde mit größtem Aufwand gefeiert, da beide Familien zu den vermögendsten Venedigs zählten. Das Paar hatte sechs Söhne, die allesamt als einen ihrer Vornamen den Namen Alvise erhielten.

In dem knappen Vierteljahrhundert von 1739 bis 1763 gehörte Mocenigo als Savio del Consiglio nun jeweils in der ersten Jahreshälfte dem innersten Machtkreis an. In der zweiten Jahreshälfte übernahm er verschiedene andere Ämter. Zwei Mal allerdings verhinderten Kriege den Aufbruch, wie 1740 die vorgesehene Reise an den päpstlichen Hof Benedikts XIV., bzw. Clemens’ XIII. – Carlo Rezzonico, der Gewählte, war Venezianer – im Juli 1758, als der Papst die Gratulaten von der beschwerlichen Reise dispensierte.

Ämter und Zuständigkeiten

Weitere zwei Male war Mocenigo Provveditore alle Biave, ein Amt, in das er zum 23. Juli 1740 und am 8. Juli 1747 gewählt wurde. Am 7. Juli 1742 erfolgte seine Wahl zum Savio alle Acque, ein Amt, in das er noch mehrfach gewählt wurde. Auch an der Provvision del Danaro erhielt er entsprechende Posten, nämlich am 5. August 1741, am 20. Juli 1743, am 4. Juli des Folgejahres, dann erneut am 14. November 1754, am 12. Juli 1755, am 15. Juli des Folgejahres und abermals am 21. Juli 1759.

Zum Consigliere ducale, zum Dogenrat für das Sestiere Santa Croce, wurde er von März bis September 1751 gewählt, dann zum Riformatore dello Studio di Padova – vor allem der dortigen, wichtigen Fakultät der Rechte – vom 22. April 1752 bis zum 23. April 1754, erneut vom 8. Mai 1756 bis zum 7. Mai 1758 und abermals vom 9. Juni 1762 bis zum 8. Juni 1764 – durch die Wahl zum Dogen wurde die letzte Wahl allerdings obsolet. Noch am 5. Juni 1762 wurde er zum Nachfolger des Marco Foscarini als Verantwortlicher für die Marciana-Bibliothek bestimmt.

Sondergesandter in Neapel, Rom, Geheimverhandlungen (1760–1761)

Anlässlich der Thronbesteigung Ferdinands von Neapel wurde er am 24. November dazu bestimmt, dem neuen König zu gratulieren. Den Hof erreichte er am 31. März 1760; er hielt sich dort bis zum 4. November auf, ein ungewöhnlicher langer Aufenthalt. Auf der Rückreise hielt er sich vom 15. November 1760 bis zum 17. Oktober 1761 in Rom auf. Offiziell war er weiterhin Sondergesandter in Neapel, während er in dem komplexen Geflecht zwischen den Höfen von Neapel, Madrid und Wien geheime Verhandlungen über ein Zusammengehen oder Bündnis vorantrieb. Sein Vertreter am Neapolitaner Hof war der Sekretär Marino Corniani. In der Relazione, die Mocenigo am 10. Dezember 1761 vor dem Senat hielt, erwähnt er die geheime Reise nach Rom jedenfalls nicht.

Das Dogenamt (1763–1778)

Am 19. April 1763 wurde Mocenigo im ersten Wahlgang einstimmig zum Dogen gewählt.

Handelspolitik

Mit Beginn der 1770er Jahre wurde die wirtschaftliche Situation der Republik bedrohlich. Um die Finanzlage zu stabilisieren, erließ man Gesetze gegen Luxus und Verschwendung, die jedoch weitgehend nicht eingehalten wurden. Man experimentierte mit einer Steuerreform und suchte nach neuen Handelskontakten mit dem Maghreb, Russland und sogar Amerika. So kam es zu Verträgen mit Tripolis (1763), Tunis (1764) und Marokko (1765), dann mit Algerien (1769). Auch wurde der Handel mit Dänemark und Russland, vor allem aber mit Cádiz und Lissabon intensiviert. Dadurch wurde 1766 der Handel mit deren Kolonien in Amerika möglich.

Nach französischem Vorbild entstand eine Handelskammer und die Landverbindungen in die Gebiete jenseits der Alpen wurden verbessert. Auch wurden die Korporationen aufgelöst, der Besitz der Kleriker begrenzt, aber auch die religiösen Feste, was zum Konflikt mit Papst Clemens XIII. führte.

Innenpolitik

Im Sommer 1774 kam es über die Frage, ob der Staat die bis dahin privat geführte Post übernehmen solle, zu einer weitreichenden Verfassungsdebatte. Tatsächlich wurde die Zuständigkeit an den reformfreudigeren Rat der Vierzig überwiesen. Entscheidend war, dass sich damit Angriffe gegen das besagte Collegio verbanden, das den Senat weitgehend entmachtet hatte, aber auch gegen die Inquisition. Eigens eingesetzte Korrektoren tagten im Kloster San Salvatore. Die Spielbank des Ridotto wurde geschlossen, man versuchte, den Senat wieder zu stärken, Akademien zur Förderung der Landwirtschaft in den Städten Venetiens entstanden und eine Akademie der Künste. Die Beamtengehälter sollten erhöht werden, um der Korruption entgegenzuwirken. Auch versuchte man, Familien des Provinzadels, die seit mindestens vier Generationen dem Adel angehörten und ein Jahreseinkommen von 10.000 Dukaten aufzuweisen hatten, einen Sitz im Großen Rat anzubieten. Man hoffte seitens der Reformer auf vierzig Familien, die dazu bereit sein sollten, doch fanden sich am Ende nur neun.

Zugleich kochten Finanz- und Sittenskandale hoch, in die auch der Doge selbst verwickelt war, da sich der berühmte Dogenring, mit dem jährlich die Vermählung des Dogen mit dem Meer begangen wurde, in der Hand einer adeligen Dame mit schlechtem Leumund wiederfand.

Nach dem Tod seiner Frau im Jahr 1769 zeigte der Doge immer deutlicher Anzeichen verstärkter Religiosität. Seine Unentschlossenheit und Führungsschwäche trugen ihm öffentlichen Spott ein. Allerdings war er Neuerungen durchaus aufgeschlossener, als sein Vorgänger. Mocenigo starb am 31. Dezember 1778 und wurde in der Kirche San Zanipolo neben seiner Frau begraben.

Quellen

  • Staatsarchiv Venedig, Misc. Codd., I, St. veneta, reg. 20: Marco Barbaro, Antonio Maria Tasca: Arbori de’ patritii veneti, V, c. 174, 189.
    • Segretario alle voci, Elezioni in Maggior Consiglio, reg. 26, c. 259; reg. 27, c. 114; reg. 28, c. 3, 7; reg. 30, c. 118.
    • Segretario alle voci, Elezioni in Pregadi, reg. 22, c. 7, 9–11, 16, 28, 53, 67, 72 f., 76, 136, 190; reg. 23, c. 1–7, 48 f., 51, 53, 57, 59, 82, 86, 137 f., 140; reg. 24, c. 1–4, 63 f., 67, 71, 86, 100, 137, 140.
    • Senato, Dispacci, Roma, f. 282 f. (röm. Mission 1760–1761).
  • Relazione del cav. Alvise Mocenigo IV letta in Senato il 28 novembre 1737, reduce dall’ambasciata di Roma, Venedig 1864. (Google Books)
  • Luigi Firpo (Hrsg.): Relazioni di ambasciatori veneti al Senato, Bd. V: Francia (1492-1600), Turin 1978, S. XLI; Bd. VII: Francia (1659-1792), Turin 1975, S. 691–712.
  • Michele Fassina (Hrsg.): Corrispondenze diplomatiche veneziane da Napoli. Relazioni, Rom 1992, S. 8 f., 32, 53 f., 171–183, 185–203.
  • Pietro Berti: Laudatio in funere Ser.mi Principis Aloysi Mocenigo habita coram venetis patribus a Alvise IV Petro Bertio ade SS. Joannis et Pauli IV idus Januari, anno 1789, Venedig 1779.
  • Ruggero Moscati: Il Regno di Napoli in una relazione veneziana (1760), in: Rassegna storica napoletana III (1935) 129 f.

Literatur

  • Giuseppe Gullino: Mocenigo, Alvise, in: Dizionario Biografico degli Italiani 75 (2011) 111–113.
  • Giuseppe Pavanello: Mocenigo, Alvise IV, in: Enciclopedia Italiana (1934).
  • Andrea Da Mosto: I dogi di Venezia nella vita pubblica e privata, Florenz 1977, S. 510–517, 595.
  • Piero Del Negro: Introduzione, in: Piero Del Negro, Paolo Preto (Hrsg.): Storia di Venezia, Bd. VIII: L’ultima fase della Serenissima, Rom 1998, S. 34, 41, 60, 69.
Commons: Alvise Mocenigo IV. – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Dies geschah immer im Juli, nämlich nach dem 7. Juli 1742 am 8. dieses Monats im Jahr 1745, am 14. Juli 1746, dann 1748 (20. Juli), 1749 (3.), 1750 (9.), 1751 (15.), 1757 (7.) und schließlich am 16. Juli 1762.
  2. Heinrich Kretschmayr: Geschichte von Venedig, Bd. III: Der Niedergang, Stuttgart 1934, S. 436 f.
VorgängerAmtNachfolger
Marco FoscariniDoge von Venedig
1763–1778
Paolo Renier
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