Das Amt Ritzebüttel (niederdeutsch Amt Ritzbüttel) war 1394 bis 1864 die Verwaltungseinheit des hamburgischen Außenpostens an der Elbmündung und löste mit seiner Gründung Neuwerk als Sitz des Hamburger Hauptmanns ab. Es wurde auf gleichem Gebiet 1864 durch die Landherrenschaft Ritzebüttel abgelöst und liegt auf dem heutigen Gebiet der Stadt Cuxhaven (Niedersachsen) und der Insel Neuwerk (Hamburg).
Geschichte
Amtsgründung
Hamburg eroberte 1393 das Schloss Ritzebüttel von den Rittern Lappe, die vorher als Lehnsherren des Herzogs von Sachsen-Lauenburg die Herrschaft ausgeübt hatten, und gründete 1394 das hamburgische Amt Ritzebüttel. Von da an wurde Ritzebüttel mit den heutigen Gebieten Cuxhaven, Döse, Duhnen, Groden, Stickenbüttel, Arensch-Berensch, Gudendorf, Holte-Spangen, Oxstedt, Süderwisch und Westerwisch sowie der vorgelagerten Insel Neuwerk samt der Düne Scharhörn von Hamburg regiert. Neuwerk verlor dadurch an Bedeutung.
Verantwortlich für alle Menschen im Amt war ein Amtmann, der aus Hamburg kam und seinen Sitz im Schloss Ritzebüttel hatte. Die Annahme des Amtes galt als freiwillig, da das Leben sehr einfach und die Verbindungen nach Hamburg sehr schlecht waren. Eine Fahrt von Hamburg nach Ritzebüttel bedeutete eine dreitägige Reise.
1720 erhielt das Amt auf Antrag seines Amtmanns David Langermann das erste Amtssiegel. Es zeigt die „Große Bake“ (auch „Ross-Bake“), die 1801 einstürzte und durch den Hamburger Leuchtturm ersetzt wurde. Das Siegel ist die Grundlage für das Wappen des Amtes.
18. Jahrhundert
Ab 1735 wurde Ritzebüttel von dem hamburgischen Amtmann und Dichter Barthold Hinrich Brockes verwaltet. Brockes’ Dichtung galt als etwas unerhört Neues und bildete ein Fundament für die Dichtung deutscher Lyriker wie Klopstock. Die Freude an seinem Leben in Ritzebüttel schwand nach dem Tod seiner Frau. 1741 kehrte er als seelisch gebrochener Mann nach Hamburg zurück. Einer Volkszählung aus dem Jahre 1755 zufolge lebten damals im Amt 3010 Menschen auf insgesamt 587 Häuser verteilt. Davon lebten 967 direkt im Flecken Ritzebüttel in insgesamt 191 Häusern.
1793 wurde Cuxhaven von dem Göttinger Philosophen Georg Christoph Lichtenberg als geeigneter Platz für ein Seebad vorgeschlagen.
Das 19. Jahrhundert
1810, vier Jahre nach dem preußischen Zusammenbruch, annektierte Napoleon I. im Zusammenhang mit der Kontinentalsperre gegen Großbritannien die gesamte deutsche Nordseeküste. Cuxhaven, inzwischen geleitet durch Amtmann Amandus Augustus Abendroth, wurde für relativ kurze Dauer Kanton des Départements des Bouches de l’Elbe.
1813 fand während der Gegenwehr Preußens, Österreichs und Russlands die Völkerschlacht bei Leipzig statt. Napoleon unterlag und musste bis zum linken Rheinufer zurückweichen. Am 18. März wurde Ritzebüttel befreit. Die hamburgische Verfassung wurde wieder eingeführt.
1816 gründete Abendroth das Seebad Cuxhaven. Die klassizistische Martinskirche in Ritzebüttel von 1819 entstand nach Plänen von Axel Bundsen aus Dänemark auf Intitive von Abendroth.
1848 kam es durch den Wunsch nach Liberalismus europaweit zu Revolutionen gegen die bestehenden Herrschaftssysteme. Im März wurden in Hamburg Aufhebung der Zensur, Reformen in der Verwaltung Ritzebüttels und die Aufhebung der Feudalrechte für den Amtmann durchgesetzt. Am 25. März wurden im Amt Ritzebüttel die Farben Schwarz-Rot-Gold eingeführt. Gustav Heinrich Kirchenpauer war der letzte Hamburger Senator, der von 1858 bis 1864 Amtmann war.
Um 1862 zählte das Amt 6000 Einwohner und der Flecken Ritzebüttel 1900 Einwohner.
1864 führten Preußen und Österreich Krieg gegen Dänemark um Schleswig-Holstein. In Cuxhaven wurden preußische und österreichische Kriegsschiffe stationiert und eine Batterie errichtet. Am 9. Mai fand vor Helgoland eine Seeschlacht statt. Im selben Jahr bekam Ritzebüttel eine neue Verfassung als Landherrenschaft Ritzebüttel. Das Amt war so den übrigen hamburgischen Landherrenschaften gleichgestellt; die Verwaltung übernahm ein Amtsverwalter, die Rechtspflege ein Amtsrichter. Somit war 1864 das Gründungsjahr des Cuxhavener Amtsgerichtes.
1870/71 verweigerten die Lotsen Dienst auf französischen Schiffen wegen des Deutsch-Französischen Kriegs. Aufgrund der französischen Schiffe wurde eine Küstenwehr aufgestellt, Sanitätsdienst gelehrt und das Betreten des Deiches während der Dunkelheit verboten. Ab dem 22. August wurde die Nordseeküste durch die französische Flotte vor Helgoland blockiert. Die Leuchttürme Cuxhavens waren außer Betrieb. Erst nach dem deutschen Sieg in der Sedanschlacht im September 1870 verließ die französische Flotte Helgoland, kehrte aber im Oktober zurück und betrieb Kapereien und Raubzüge. Nach der endgültigen Niederlage Frankreichs im Februar wurde Ritzebüttel für seine Kriegskosten entschädigt.
1872 gewann der Name Cuxhaven an Bedeutung, da sich Ritzebüttel und Cuxhaven auf Antrag des hamburgischen Senats zur Landgemeinde Cuxhaven vereinigten.
1888 trat Hamburg dem Deutschen Zollverein bei.
Von der Stadtwerdung Cuxhavens bis zur Abtretung des Amerikahafens
1907 wurde Cuxhaven Samtgemeinde. Die Einwohnerzahl war nach der Eingemeindung von Döse (1905) auf über 10.000 gestiegen, so dass Cuxhaven am 15. März 1907 die Stadtrechte verliehen wurden.
1908 wurde von Hamburg ein Fischmarkt und der Alte Fischereihafen eingerichtet. Die Hafenanlagen wurden in den folgenden Jahren immer weiter vergrößert, so dass 1912 das Steubenhöft und 1914 der Amerikahafen ausgebaut wurden.
1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Ab August galt eine Verdunkelungsanordnung für alle Fenster mit Seeblick. Für Lebensmittel mussten Höchstpreise gezahlt werden. 1918, nach Kriegsende, bildeten sich in vielen Städten Arbeiter- und Soldatenräte, so auch in Cuxhaven, wo am 5. November 1918 ein radikaler Soldatenrat die Macht übernahm. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Stadt ca. 15.000 Einwohner, die Garnison zählte etwa ebenso viele Militärpersonen. Die Kommandantur und die etwa 290 Offiziere der Garnison wurden entmachtet. In den folgenden Wochen herrschten starke Unruhen in Cuxhaven. Dem Soldatenrat gegenüber stand die Stadtverwaltung unter Bürgermeister Max Bleicken, der versuchte, als Vermittler zu erscheinen. Bleicken wurde seines Amtes enthoben. Am 11. Januar 1919 rief der Soldatenrat die Sozialistische Republik Cuxhaven nach dem Vorbild der Ereignisse in Bremen aus. Aufgrund mangelnder Unterstützung aus der Bevölkerung und starkem Widerstand aus Hamburg wurde diese nach sechs Tagen wieder aufgelöst. Am 9. Februar trat der Arbeiter- und Soldatenrat zurück, so dass Ende des Monats wieder gesetzmäßige Zustände in Cuxhaven herrschten.
1920 wurde der ehemalige Cuxhavener Soldatenrat vor Gericht gestellt. Gleichzeitig fand ein Untersuchungsverfahren gegen Offiziere der Grimmershörnkaserne im Zusammenhang mit dem Kapp-Putsch statt.
Am 19. November 1926 wurde die Landherrenschaft Ritzebüttel zugunsten einer einzigen Landherrenschaft im Hamburger Staatsgebiet aufgelöst.
Am 1. März 1935 wurden die Landgemeinden Groden, Süderwisch, Westerwisch, Stickenbüttel, Duhnen, Teile von Sahlenburg sowie Neuwerk und Scharhörn eingemeindet. Die Stadt Cuxhaven wurde im gleichen Jahr der Landherrenschaft Hamburgs unterstellt.
Am 1. April 1937 wurde durch das Groß-Hamburg-Gesetz das Amt Ritzebüttel aufgelöst und Cuxhaven gegen Altona, Harburg-Wilhelmsburg und Wandsbek eingetauscht. Hamburg sicherte sich hierbei allerdings den Amerikahafen als Exklave. Der neugebildete Stadtkreis Cuxhaven wurde Teil der preußischen Provinz Hannover.
Mit dem am 3. Oktober 1961 zwischen Niedersachsen und Hamburg geschlossenen Staatsvertrag (Cuxhaven-Vertrag) tauschte Hamburg den Amerikahafen gegen die Inseln Neuwerk und Scharhörn. Die hieraus resultierende Abtretung der Hafenanlagen an das Land Niedersachsen fand 1993, also genau 600 Jahre nach der Eroberung durch Hamburg statt.
Siehe auch
Literatur
- Friedrich Becker: Cuxhaven und das Amt Ritzebüttel. Otto Meißner, Hamburg 1880, S. 242 (Digitalisat in: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg).
- Georg Hindrichson: Brockes und das Amt Ritzebüttel 1735–41 (= Wissenschaftliche Beilagen zu den Berichten über die Schuljahre 1896/97, 1897/98, 1898/99. 3 Hefte, 1897–1899). Cuxhaven (Digitalisat in: Landes- und Universitätsbibliothek, Heinrich Heine Universität Düsseldorf).
- Erich von Lehe: Die Postverbindung zwischen Ritzebüttel und Hamburg von 1718 bis 1810. Jahrbuch der Männer vom Morgenstern 37 (1956), S. 42–49.
- Publikationen im Niederdeutschen Heimatblatt:
- Peter Bussler: Nachtwächter im Amt Ritzebüttel und in Cuxhaven. Amtmann Abendroth legte 1816 für Cuxhaven Nachtwächterbuch an. In: Männer vom Morgenstern, Heimatbund an Elb- und Wesermündung e. V. (Hrsg.): Niederdeutsches Heimatblatt. Nr. 808. Nordsee-Zeitung GmbH, Bremerhaven April 2017, S. 2–3 (Digitalisat [PDF; 5,9 MB; abgerufen am 16. Juli 2019]).
- Peter Bussler: Eine enge Freundschaft zum Wohle des Amtes Ritzebüttel. Johann Georg Repsold und Amandus Augustus Abendroth. In: Männer vom Morgenstern, Heimatbund an Elb- und Wesermündung e. V. (Hrsg.): Niederdeutsches Heimatblatt. Nr. 814. Nordsee-Zeitung GmbH, Bremerhaven Oktober 2017, S. 1–2 (Digitalisat [PDF; 5,4 MB; abgerufen am 12. Juli 2019]).
Weblinks
- Karte vom Amt Ritzebüttel, 1625 in kulturerbe.niedersachsen.de
Einzelnachweise
- ↑ Ritzebüttel. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 17, Bibliographisches Institut, Leipzig/Wien 1909, S. 20.
- ↑ Cuxhaven, Ross-Bake. In: baken-net.de. Abgerufen am 18. November 2015.
- ↑ Text der Albumrückseite des diesbezüglichen Kaffee Hag Wappens von ca. 1930: So das Bild eines um 1800 geschnittenen, noch erhaltenen Siegelstempels, der nur die Aufschrift „RITZEBÜTTEL“ trägt. Es ist der Turm, den die 1588 erschienene, von Gouvert Willemsen aufgerissene Karte der Elbe und Wesermündung mit der Beschriftung Ritzebüttel zeigt. Die entsprechende Kartensammlung von Govert Willemsen (van Hollesloot) zeigt die Große Bake Die caerte vander Oost ende West Zee. In: Google Books. 1588, abgerufen am 18. November 2015.
- ↑ Ritzebüttel. In: Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. 4., umgearb. und stark vermehrte Auflage, Band 14: Reif–Saugeschacht, Eigenverlag, Altenburg 1862, S. 195.
- ↑ Geschichte der HAPAG-Hallen 1993 bis 1999. (Memento vom 14. Januar 2014 im Internet Archive) In: www.hapaghalle-cuxhaven.de. Abgerufen 12. Juli 2019.
Koordinaten: 53° 51′ N, 8° 41′ O