Andrea Luca Lucchesi (auch Luchesi; * 23. Mai 1741 in Motta di Livenza; † 21. März 1801 in Bonn) war ein italienischer Organist und Komponist. Von 1774 bis 1794 war er Kapellmeister in Bonn.

Leben

Andrea Luchesi wurde am 23. Mai 1741 als elftes Kind von Pietro Luchese und Catterina Gottardi in Motta di Livenza nahe Treviso geboren. Die recht wohlhabende Familie entstammte einer Gruppe von Adelsfamilien, die im 14. Jahrhundert von Lucca nach Venedig gezogen waren (daher der Name Luchese; ab 1753/55 begann Andrea den Namen Luchesi zu verwenden, der von seinen Zeitgenossen auch als Lucchesi, Lughesi, Luckesi, Lucchezzy usw. geschrieben wird).

Seinen ersten Musikunterricht erhielt Luchesi durch seinen Bruder Don Matteo, dem öffentlichen Lehrer und Organisten der Stadt. Das Talent, das der junge Luchesi an den Tag legte, verschaffte ihm die Gunst von N. H. Jseppo Morosini, einem Mitglied des Quarantina (Rat der Vierzig) und begeisterten Amateurkomponisten. Wahrscheinlich war es auch dieser Kontakt, der es ermöglichte Luchesi im Alter von 15 Jahren nach Venedig zu ziehen. So begann er 1757 seine musikalisch-dramatische Ausbildung bei G. Cocchi (Leiter des Ospedale degl’Incurabili) in Venedig. Eine kirchenmusikalische Ausbildung erhielt er von G. Paolucci sowie dem aus Padua stammenden Giacomo Giuseppe Saratelli. Weitere berühmte Musiker im Venedig dieser Zeit waren Ferdinando Bertoni und Baldassare Galuppi. Darüber hinaus hatte Luchesi didaktische und künstlerische Beziehungen zu zwei wichtigen Musiktheoretikern, Padre Francesco Antonio Vallotti und Graf Giordano Riccati. Durch die Unterstützung des letzteren wurde Luchesi ab 1765 als Opernkomponist in Venedig bekannt. Er sowohl geistliche als auch weltliche Auftragswerke und trat auch in benachbarten Städten als Cembalo- und Orgelvirtuose auf. Er schuf Instrumentalmusik, Kirchenmusik und Bühnenwerke. Im Frühling 1765 wurde seine Opera buffa L’isola della fortuna (Die Glücksinsel) am Wiener Hoftheater aufgeführt.

Während ihrer Reise nach Italien lernten Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart Andrea Luchesi kennen und erhielten eines seiner Cembalokonzerte (Wolfgang spielte das Konzert noch 1777, während Leopold und Nannerl das Konzert oft zu Lehr- und Übungszwecken verwendeten).

1771 reiste Luchesi auf Einladung des Kölner Kurfürsten Maximilian Friederich nach Bonn und arbeitete im kurfürstlichen Hoforchester. Nach dem Tod des vorherigen Kapellmeisters Ludwig van Beethoven des Älteren, dem Großvater des Komponisten Ludwig van Beethoven, wurde Luchesi 1774 zum Hofkapellmeister ernannt.

Luchesi erlangte in seiner neuen Heimat die Staatsbürgerschaft und im Jahr 1775 heiratete er (Josepha) Anthonetta d’Anthoin. Mit Ausnahme eines Besuches in Venedig 1783/84 lebte er bis zu seinem Tod (1801) in Bonn. Seine Rolle als Kapellmeister endete schon 1794, weil das Bonner Hoforchester infolge der französischen Besetzung des Rheinlandes aufgelöst wurde.

Die ab 1994 u. a. in seinem Buch Andrea Luchesi. L’ora della verita verbreiteten Thesen des Mathematikprofessors Giorgio Taboga, der Luchesi eine überragende Bedeutung für die Entwicklung der Wiener Klassik zuschrieb, fanden in der Fachwelt nur sehr wenig Beachtung. Die einzige Rezension (Maria Girardi in Nuova rivista musicale italiana, 1997) bewertete sie als substanzlose Fantasien. Auch für die 1999 bei einem Kongress in Berlin vorgestellte Theorie des Journalisten Luigi della Croce, dass Luchesi den jungen Beethoven unterrichtet haben soll, gibt es keine stichhaltigen Belege.

Werk

  • Il Natal di Giove: Componimento Drammatico da rappresentarsi nel Teatro delle Corte Festeggiandosi Il Giorno Natalizio Di S.A.E.E. Di Colonia; Posto In Musica E Consacrato a S.A.E.E. Presso Fernando Rommerskirchen: Bonna, um 1775 (Digitalisat des Librettos)

Literatur

  • Julia Beemelmans: Lucchesi, Andrea. In: MGG Online. New York, Kassel, Stuttgart 2016ff., zuerst veröffentlicht 2004, online veröffentlicht 2016.
  • Theodor von Frimmel: Beethoven-Handbuch, Leipzig 1926, Band 1, S. 374 f. (Digitalisat)
  • Theodor Anton Henseler: Andrea Luchesi, der letzte Bonner Hofkapellmeister zur Zeit des jungen Beethoven. Ein Beitrag zur Musik- und Theatergeschichte des 18. Jahrhunderts. In: Bonner Geschichtsblätter 1 (1937), S. 225–364.
  • Silvia Gaddini: Lucchesi, Andrea. In: Mario Caravale (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 66: Lorenzetto–Macchetti. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2006.
  • Josef Niesen: Bonner Personenlexikon. Bouvier, Bonn 2007, ISBN 978-3-416-03159-2.
  • Claudia Valder-Knechtges: Die Kirchenmusik Andrea Luchesis (1741–1801). Studien zu Leben und Werk des letzten kurkölnischen Hofkapellmeisters (= Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte 134), Berlin, Kassel 1983.
  • Claudia Valder-Knechtges: Die weltlichen Werke Andrea Luchesis (1741–1801). In: Bonner Geschichtsblätter 36 (1984), S. 79–118.
  • Claudia Valder-Knechtges: Andrea Luchesi, ein Italiener im Umkreis des jungen Beethoven. In: Concerto. 1984, H. 2, S. 66–72.
  • Constantin von Wurzbach: Lucchesi, Andreas. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 16. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1867, S. 129 (Digitalisat).

Einzelnachweise

  1. Theodor Anton Henseler: Andrea Luchesi, der letzte Bonner Hofkapellmeister zur Zeit des jungen Beethoven. Ein Beitrag zur Musik- und Theatergeschichte des 18. Jahrhunderts. In: Bonner Geschichtsblätter 1 (1937), S. 320.
  2. L. Rocco, Motta di Livenza e i suoi dintorni, Bologna 1975 (Neudruck durch Arnaldo Forni Editore), S. 513–514.
  3. Gianantonio Moschini, Della Letteratura veneziana del secolo XVIII fino a’ nostril giorni, Venezia, Stamperia Palese, 3. Bd., S. 211, Nr. 1.
  4. Julia Beemelmans, Art. Lucchesi, Andrea, in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, New York, Kassel, Stuttgart 2016ff., zuerst veröffentlicht 2004, online veröffentlicht 2016, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/395093
  5. G. Prod’homme, Mozart raconté par ceux qui l’ont connu, Paris 1928, S. 15. Siehe auch: Brief von Leopold Mozart vom 11. Juni 1778.
  6. Carlo Vitali: Cattivi maestri, pessimi allievi. Interview (Memento vom 5. Mai 2019 im Internet Archive). In: musica 294, März 2018, S. 61–65 (italienisch, PDF).
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