Andreas von Flotow (* 25. Juli 1900 in Wedendorf; † 30. April 1933 bei Neubukow) war ein deutscher Politiker (NSDAP).

Leben

Flotow entstammte der seit 1241 urkundlich nachgewiesenen Familie Flotow und war der älteste Sohn des Großgrundbesitzers Georg (Jürgen) von Flotow (1868–1956) auf Stuer. Am 3. Oktober 1924 heiratete er in Groß Potrems bei Laage Anna-Margarethe von Gadow (* 7. Juni 1901 in Klein-Ridsenow; † 4. November 1986 in Börßum bei Wolfenbüttel), eine Tochter des Gutsbesitzers Fritz von Gadow und der Elisabeth von Randow, von der er 1930 wieder geschieden wurde. Aus der Ehe gingen die Kinder Andreas von Flotow (* 5. April 1926 in Niegleve), Barbara von Flotow (* 20. September 1927 in Niegleve) und Sabine von Flotow (* 15. Juni 1929 in Groß Potrems) hervor.

Flotow besuchte mit seinem jüngeren Bruder Jürgen Tiedecke von Flotow (1902–1976), der später die Güter Stuer und Stuer-Vorwerk erbte, das Friderico-Francisceum in Doberan. Einen Schulabschluss erwarben beide nicht. Noch 1917 wurde er Fahnenjunker und schlug eine Offizierslaufbahn ein. Offiziersberuf und firmiert als Fahnenjunker und Fähnrich mit Leutnants-Charakter. Als junger Mann nahm er 1917/18 mit dem Mecklenburgischen Dragoner-Regiment 17 am Ersten Weltkrieg teil. Danach gehörte er bis 1923 einem Freikorps an.

Weimarer Republik

1924 übernahm von Flotow die über 1281 ha großen Besitzungen um Stuer bei Plau am See, die aber nominell im Eigentum des Vaters verblieben und teilweise verpachtet waren. Daneben besuchte er eine Landwirtschaftliche Hochschule. Zum 1. Juli 1930 trat Flotow in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 292.541). Außerdem wurde er Mitglied der Sturmabteilung (SA), in der er rasch Karriere machte. Flotow wurde vorher bei der Gruppe Süd (Bayern) angelernt und dann als SA-Major (Sturmbannführer) zur Gruppe Schlesien versetzt, um dort nachfolgend Leiter der Untergruppe Oberschlesien zu werden. 1931 war er der neben Kurt Wege-Berlin erste Organisator und Führer der in diesem Jahr entstandenen Mecklenburgischen SS. Im Frühjahr 1932 übernahm er den Posten des SA-Oberführers der stark verschuldeten Gruppe Ostsee. In dieser Funktion führte er die Parteiarmee der NSDAP in den deutschen Nordgebieten, d. h. in Pommern, Mecklenburg und Lübeck.

Bei der Reichstagswahl Juli 1932 wurde Flotow als Kandidat seiner Partei für den Wahlkreis 9 (Oppeln) in den Reichstag gewählt, dem er in der Folge bis zum November desselben Jahres angehörte. Anlässlich der Reichstagswahl vom November 1932, bei der die Nationalsozialisten erhebliche Stimmenverluste verbuchen mussten, schied Flotow aus dem Reichstag aus.

Der Mordfall Andreas von Flotow

Im Februar 1933 wurde von Flotow aus der NSDAP ausgeschlossen – also nur wenige Monate nach dem Gipfelpunkt seiner Karriere. Anlass für seine Verstoßung aus der NSDAP war ein Artikel, den Flotow am 3. Januar 1933 unter dem Kürzel v.F. in der dem Hitler-Widersacher Kurt von Schleicher nahestehenden Tageszeitung Tägliche Rundschau veröffentlicht hatte. In dem besagten Artikel hatte er ausgeführt, dass es für die NSDAP an der Zeit sei, „zu sterben und neuen Formen Raum zu geben“ und dass ein neuer Kampfbund an die Stelle der Partei treten müsse.

Flotow verließ daraufhin Mecklenburg und ging nach Berlin, wo er sich der Schwarzen Front anschloss und Kampfkreisleiter Mecklenburg für die Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten um Otto Strasser wurde. Seine Wohnung in der Hauptstadt wurde seit Ende Februar 1933 ständig beobachtet.

Am 30. April 1933 wurde Flotow von einem dreiköpfigen SA-Kommando unter Führung von Julius Uhl verhaftet. Auf der Fahrt mit dem Auto nach Schwerin wurde er auf der Chaussee zwischen Neubukow und Teschow erschossen. Uhl und seine Mitarbeiter Truppführer Alfa und Scharführer Schuhböck rechtfertigten die Erschießung damit, dass Flotow versucht habe zu fliehen. Hierzu ist anzumerken, dass es in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen bei politisch motivierten Mordtaten durch sogenannte „Femeorganisationen“ aber auch die Freikorps der frühen 1920er Jahre. Dazu gehörten auch die SA, SS sowie Gestapo nach 1933 und später auch der Sicherheitsdienst der NSDAP als eine gängige Praxis, unliebsame Personen auf Transporten in entlegenen Gegenden zum Verlassen des Fahrzeugs zu zwingen und sie dann im freien Gelände zu erschießen. Auf diese Weise sollte üblicherweise eine formalrechtliche Rechtfertigung für die Erschießung ohne Gerichtsurteil, also eine Verkleidung für eine von staatlichen Gewaltträgern durchgeführte Mordtat, hergestellt werden.

Als wahrscheinlicher Auftraggeber der Erschießung gilt der damalige Stabschef der SA Ernst Röhm: dieser Verdacht wurde nicht nur von Flotows Vater in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft geäußert, sondern ist auch durch den Umstand naheliegend, dass Uhl der Chef von Röhms persönlicher Stabswache war und in dem Ruf stand, Röhms „Leibmörder“ zu sein. Aus Röhms Warte konnte Flotows politische Abkehr von der NSDAP aufgrund seiner früheren Tätigkeit als hoher SA-Führer als persönlicher Treubruch aufgefasst werden. Eine Anfrage aus dem Ausland über das Reichsinnenministerium wurde vom Staatsministerium Mecklenburg-Schwerin Mitte Mai 1933 so beantwortet, Flotow sei wegen landesverrätischer Umtriebe auf der Flucht erschossen worden.

Ein gegen Uhl und andere eingeleitetes Strafverfahren vor dem Oberlandesgericht Rostock wurde mit Bescheid vom 10. März 1934 eingestellt. Nach der Erschießung Röhms und Uhls im Zuge des so genannten Röhm-Putsches im Juli 1934 wurde das Verfahren wieder aufgenommen, im November 1934 erneut eingestellt. Mehrere Versuche von Flotows Vater, das Verfahren erneut aufrollen zu lassen wurden von der Staatsanwaltschaft abgelehnt. Der Regierungskommissar von Mecklenburg, Friedrich Hildebrandt, ließ als Zeuge in einem anderen Verfahren die Hintergründe für die Erschießung Flotows durchblicken. Er sagte aus, Flotow habe Schleicher Ende Dezember 1932/Anfang Januar 1933 zu einer geheimen Unterredung aufgesucht und sei anschließend Mitglied einer heimlichen Front geworden, deren Ziel darin bestanden hätte, Adolf Hitler zu beseitigen, weswegen man ihn als Verräter und Feind der Bewegung betrachtet habe.

Archivmaterial

  • Bundesarchiv Berlin: R 3001/112425 (Akte des Reichsjustizministeriums zum Fall Flotow)

Literatur

  • Der „Fall Flotow“ – vom Aufstieg und Fall eines mecklenburgischen SA-Führers, in: Geschichtswerkstatt Rostock e. V. (Hg.): Zeitgeschichte regional Mitteilungen aus Mecklenburg, Rostock, Jahrgang 7 (2003), Heft 2, S. 5–13.

Einzelnachweise

  1. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser 1901. (Uradel). In: Standardwerk der Genealogie. Erster Jahrgang Auflage. Justus Perthes, Gotha 1900, S. 309 (uni-duesseldorf.de [abgerufen am 14. September 2021]).
  2. Hans Friedrich v. Ehrenkrook, Friedrich Wilhelm v. Lyncker und Ehrenkrook: Genealogisches Handbuch der Adeligen Häuser / A (Uradel) 1962. In: Ausschuss für adelsrechtliche Fragen/Deutsches Adelsarchiv (Hrsg.): GHdA Gesamtreihe von 1951 bis 2015. Band VI, Nr. 29. C. A. Starke, 1962, ISSN 0435-2408, S. 115 f. (d-nb.info [abgerufen am 14. September 2021]).
  3. Jahresbericht des Großherzoglichen Gymnasium Friderico-Francisceum zu Doberan. Ausgegeben Ostern 1915 von G.-Prof. Dr. Lüth, Direktor. Inhalt: Schulnachrichten. 1915. Progr. Nr. 950. Druck von Hermann Rehse & Co., Doberan 1915, S. 22 (uni-duesseldorf.de [abgerufen am 14. September 2021]).
  4. Carl Reuter, Das Gymnasium Friderico-Francisceum, Rosto ck 1929, S. 57ff.
  5. Ehren-Rangliste des ehemaligen Deutschen Heeres auf Grund der Ranglisten von 1914 mit den inzwischen eingetretenen Veränderungen. 1926. In: Bund Deutscher Offiziere (Hrsg.): Rangliste. E. S. Mittler & Sohn, Berlin 1926, S. 754 (d-nb.info [abgerufen am 14. September 2021]).
  6. Ernst Seyfert, Hans Wehner, W. Baarck: Niekammer`s Landwirtschaftliches Güter-Adreßbücher, Band IV, Mecklenburg. In: Niekammer (Hrsg.): Letzte Ausgabe. 4. Auflage. Band IV. Niekammer`s Güter-Adreßbüchern G.m.b.H., Leipzig 1928, S. 212 f. (g-h-h.de [abgerufen am 14. September 2021]).
  7. Das Deutsche Reich von 1918 bis Heute (1932). In: Cuno Korkenbach (Hrsg.): Jahres-Reihe: Das Deutsche Reich bis Heute. Verlag für Presse, Wirtschaft und Politik GmbH, Berlin 1932, S. 523 (google.de [abgerufen am 14. September 2021]).
  8. Bundesarchiv R 9361-II/246094
  9. Christian Hartmann, G. Sauer, Clemens Vollnhals: Hitler: Von der Reichstagswahl bis zur Reichspräsidentenwahl, Oktober 1930-März 1932. In: Institut für Zeitgeschichte (Hrsg.): Hitler. Reden. Schriften. Anordnungen. Band IV. K. G. Saur, München 1996, ISBN 978-3-598-22001-2, S. 46 (google.de [abgerufen am 14. September 2021]).
  10. Stephan Malinowski: Vom König zum Führer. Deutscher Adel und Nationalsozialismus. In: Die Zeit des Nationalsozialismus. 3. Auflage. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN 978-3-596-16365-6, S. 580 (google.de [abgerufen am 14. September 2021]).
  11. Universität Rostock: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock, 1951, S. 240.
  12. Beate Behrens: Mit Hitler zur Macht. Aufstieg des Nationalsozialismus in Mecklenburg und Lübeck 1922 - 1933. 1. Auflage. Neuer Hochschschulschriftenverlag, Rostock 1998, ISBN 978-3-929544-52-7, S. 115172 (d-nb.info [abgerufen am 14. September 2021]).
  13. Franz Wegener: Weishaar und der Geheimbund der Guoten - Ariosophie und Kabbala. Hrsg.: Kulturförderverein Ruhrgebiet. KFVR, Gladbeck 2005, ISBN 978-3-931300-17-3, S. 51 (google.de [abgerufen am 14. September 2021]).
  14. Lothar Elsner, Eva-Maria Elsner, Heinz Koch: Die Herrengesellschaft. Leben und Wandlungen des Wilhelm von Oertzen-(Roggow). Weymann Bauer, Rostock 1998, ISBN 978-3-929395-39-6, S. 13 (google.de [abgerufen am 14. September 2021]).
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