Andreastor (auch: Andreaspforte) bezeichnet drei Toranlagen der Stadtbefestigung Worms.
Benennung
Westlich vor der Stadt existierte bereits vor dem Jahr 1000 eine dem Heiligen Andreas geweihte Klerikergemeinschaft. Dieses wurde unter Bischof Burchard von Worms an der Wende zum 11. Jahrhundert hinter die Stadtmauer an den jetzigen Standort des Andreasstifts verlegt.
Mittelalterliches Inneres Andreastor
Geografische Lage
Das mittelalterliche (innere) Andreastor war das Stadttor, das als Durchlass für die Andreasgasse im westlichen inneren Mauerring der Stadtbefestigung von Worms diente. Es befand sich im südlichen Abschnitt der westlichen Stadtmauer.
Baulichkeit
Das Tor war etwa 34 m hoch. Vor dem Torturm spannte sich eine Brücke über den Stadtgraben.
Geschichte
Die älteste erhaltene Erwähnung des mittelalterlichen Andreastors findet sich in der Mauerbauordnung aus der Zeit von Bischof Thietlach an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert. Die nächst jüngere Nennung hält eine Urkunde von 1141 fest.
Das Andreastor galt als eine besonders gefährdete Stelle im Verteidigungsring der Stadt, weil in der Nähe viele Kleriker lebten. Das Verhältnis zwischen Kirche und Stadt war oft gespannt und die Stadt fürchtete, dass der Klerus sich mit einem vor der Stadt liegenden Feind verbünden und ihm das Tor öffnen könne. Auf einer Zeichnung von Peter Hamman, die er von der 1689 zerstörten Stadt Worms gefertigt hat, stellt er das Andreastor als komplett zerstört da. Beim Wiederaufbau der Stadt im 17. Jahrhundert wurde das Tor wohl wieder so weit hergestellt, dass es als Zolltor verwendet werden konnte. Militärisch war es nun funktionslos und wurde – wie viele andere Partien der der Stadtmauern – spätestens im 19. Jahrhundert beseitigt.
Äußeres Andreastor
Geografische Lage
Das Äußere Andreastor (auch: Äußere Andreaspforte) diente der Fortsetzung des Andreasgasse, die von hier Richtung Alzey weiter führte, vor dem inneren Mauerring und der Inneren Andreaspforte. Es lag unmittelbar nordöstlich des Jüdischen Friedhofs.
Baulichkeit
Das Äußere Andreastor hatte einen Torturm auf viereckigem Grundriss. Dem war Dem war eine frühneuzeitliche Bastion vorgelagert, über die die Straße mit einem leichten Winkel nach Südwesten führte. Den davor liegenden Graben überspannte eine Brücke, vor der auf der Feldseite ein weiteres Tor errichtet war.
Im Bereich zwischen diesen beiden Andreastoren bestand ein 1519 gebauter unterirdischer Gang vom Stadtgraben am inneren Andreastor durch den äußeren Wall zum Graben vor der äußeren Verteidigungsanlage. Der Gang war 36 m lang, 1,50 m hoch und 80 cm breit. Er wurde 1930 ausgegraben, dabei wurden die Grabsteine geborgen und innen in den Westabschnitt der nördlichen Umfassungsmauer des Friedhofs eingelassen. In den 1970er Jahren waren vom westlichen Eingang des Ganges im Hang zur Bahnstrecke Mainz–Mannheim noch Spuren zu erkennen, heute nicht mehr.
Andreastor von 1907
Geografische Lage
Die heute bestehende und als „Andreastor“ bezeichnete Anlage liegt unmittelbar südwestlich des Andreasstifts und ist ein Durchbruch durch den südlichen Mauerabschnitt der inneren Stadtmauer für die kurze Straße „Am Andreastor“, eine Verbindung zwischen dem heutigen Weckerlingplatz und der Hanns-Thierolf-Anlage.
Geschichte
Dieses dritte Andreastor entstand 1907 unter dem Baudezernenten und Bürgermeister Georg Metzler als Durchlass für den zunehmenden Verkehr, nahezu gleichzeitig mit dem Raschitor in der inneren Nordmauer und dem Durchlass Herzogenstraße in der inneren Ostmauer. Bei den Bauarbeiten erwies sich die Stadtmauer in diesem Bereich als so marode, dass der Abschnitt komplett abgetragen werden und zusammen mit dem neu geschaffenen Tor neu aufgemauert werden musste.
Bauwerk
Das Tor hat einen großen Bogen zum Durchfahren und einen kleinen für Fußgänger. Ebenso wie die beiden anderen „modernen“ Tore wurde dem Durchlass eine historisierende Form gegeben.
In dem Neubau wurden auch einige Spolien vermauert, unter anderem ein romanisches Christus-Relief.
Wissenswert
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Begriff „Andreastor“ für eine der vier damals bestehenden NSDAP-Ortsgruppen verwendet.
Literatur
- Karl Heinz Armknecht: Die Wormser Stadtmauern. In: Der Wormsgau 9 (1970/1971), S. 54–65.
- Gerold Bönnen und Joachim Kemper: Das geistliche Worms: Stifte, Klöster, Pfarreien und Hospitäler bis zur Reformation. In: Gerold Bönnen (Hg.): Geschichte der Stadt Worms. Theiss, Stuttgart 2005. ISBN 3-8062-1679-7, S. 691–734.
Anmerkungen
Einzelnachweise
- ↑ Bönnen und Joachim Kemper: Das geistliche Worms, S. 693.
- ↑ Fritz Reuter: Wehrhaftes Worms. 3. Türme, Mauern und Wehrgang. In: Wormser Monatsspiegel vom April 1982, S. 5–8 (8).
- ↑ Armknecht: Die Wormser Stadtmauern, S. 59.
- ↑ Bönnen und Kemper in Bönnen (Hg.): Das geistliche Worms, S. 693.
- ↑ Armknecht: Die Wormser Stadtmauern, S. 56.
- ↑ Isele: Das Wehrwesen, S. 76.
- ↑ Peter Hamman: [Ansicht der Stadt Worms nach der Zerstörung 1689 von Norden]. Stadtarchiv Worms, Abt. 1B, Nr. 48.
- ↑ Armknecht: Die Wormser Stadtmauern, S. 63; Peter Hamman: Statt Wormbß wie selbige 1631 vor dem Schwedischen Ruin der Vorstätt [...] verblieben. (Federzeichnung). Frankfurt am Main, 1691. Stadtarchiv Worms, Abt. 1B, Nr. 48.
- ↑ Fritz Reuter: Warmasia – das jüdische Worms. Von den Anfängen bis zum jüdischen Museum des Isidor Kiefer (1924). In: Gerold Bönnen (Hg.): Geschichte der Stadt Worms. Theiss, Stuttgart 2005. ISBN 3-8062-1679-7, S. 664–690 (666).
- ↑ Otto Böcher: Der alte Judenfriedhof zu Worms (= Rheinische Kunststätten. Band 148). 7. Auflage. Neusser Verlag und Druckerei, Neuss 1992, ISBN 3-88094-711-2, S. 4.
- ↑ Armknecht: Die Wormser Stadtmauern, S. 63.
- ↑ Reuter in Bönnen (Hg.): Der Sprung, S. 537.
- ↑ Olaf Wagener und Aquilante de Filippo: Die Wormser Stadtmauer – Neue Erkenntnisse zu Datierung und Entwicklung sowie Bericht über die Bauforschung an der Stadtmauer im Bereich des Andreasstifts. In: Der Wormsgau 30 (2013), S. 19–57 (23).
- ↑ Irene Spille: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Band 10 (Stadt Worms). Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 1992, ISBN 978-3-88462-084-7, S. 42.
- ↑ Gerold Bönnen: Von der Blüte in den Abgrund. Worms vom Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg (1914–1945). In: Gerold Bönnen (Hg.): Geschichte der Stadt Worms. Theiss, Stuttgart 2005. ISBN 3-8062-1679-7, S. 545–606 (586).