Antiparallele bezeichnet in der Kontrapunktlehre eine Fortschreitung zweier Stimmen in Gegenbewegung, bei der sich ihr Abstand um eine Oktave verkleinert oder vergrößert. Im engeren Sinne bezieht sich der Begriff auf Prime, Oktave, Quinte und ihre Oktaverweiterungen. Abhängig vom Zielintervall spricht man dabei von Antiprime, Antioktave und Antiquinte.
- Notenbeispiel a): Antiparallele von der Oktave zur Prime (Antiprime)
- Notenbeispiel b): Antiparallele von der Duodezime zur Quinte (Antiquinte)
- Notenbeispiel c): Antiparallele von der Oktave zur Doppeloktave (Antioktave)
Analog zum Verbot paralleler Fortschreitungen perfekter Konsonanzen (siehe Quintparallele) reglementieren Kontrapunktlehren auch den Gebrauch von Antiparallelen. Im zweistimmigen Satz gelten sie als verboten. Im fünf- und mehrstimmigeren Satz hingegen werden sie mitunter ausdrücklich erlaubt.
In Kompositionen sind sie jedoch auch im drei- und vierstimmigen Satz auffindbar (siehe das folgende Notenbeispiel: Johann Sebastian Bach: Choral Meinen Jesum lass’ ich nicht BWV 154, T. 1–2).
Literatur
- Thomas Daniel: Der Choralsatz bei Bach und seinen Zeitgenossen. Eine historische Satzlehre. 4. Auflage, Dohr, Köln 2019, ISBN 978-3-86846-156-5.
- Thomas Daniel: Kontrapunkt. Eine Satzlehre zur Vokalpolyphonie des 16. Jahrhunderts. 3. Auflage, Dohr, Köln 2016, ISBN 978-3-86846-132-9.
- Robert Gauldin: A Practical Approach to 16th Century Counterpoint: Revised Edition. Waveland Press, Long Grove 2013, ISBN 978-1-47860-471-6.
- Rudolf Louis / Ludwig Thuille: Harmonielehre. Klett & Hartmann, Stuttgart 1907. 7. Auflage (1920) auf archive.org.
- Heinrich Schenker: Kontrapunkt. Erster Halbband: Cantus firmus und zweistimmiger Satz. J. G. Cotta, Stuttgart/Berlin 1910 (archive.org).
- Orazio Tigrini: Il compendio della musica. Venedig 1588.