Aprotodon
Zeitliches Auftreten
Oberes Eozän bis Unteres Miozän
38 bis 15,97 Mio. Jahre
Fundorte
  • Zentralasien, Südasien, Ostasien
Systematik
Höhere Säugetiere (Eutheria)
Laurasiatheria
Unpaarhufer (Perissodactyla)
Rhinocerotoidea
Nashörner (Rhinocerotidae)
Aprotodon
Wissenschaftlicher Name
Aprotodon
Forster Cooper, 1915

Aprotodon ist eine ausgestorbene Gattung der Nashörner, sie lebte vom Oberen Eozän bis zum Unteren Miozän vor 38 bis 16 Millionen Jahren. Aprotodon war hauptsächlich im heutigen zentralen bis östlichen Asien verbreitet. Fossilfunde sind eher selten, die Nashorngattung ist weitgehend nur über Schädel- und Zahnfunde bekannt. Bemerkenswert sind vor allem die langen und gekrümmten unteren Schneidezähne, die bis zu 20 cm aus dem Maul ragten. Die Form und Größe der Schneidezähne, aber auch der charakteristische Bau der Unterkiefersymphyse führten anfänglich zu einer fälschlichen Zuordnung von Aprotodon zu den Flusspferden.

Merkmale

Aprotodon waren eher urtümliche, aber große Vertreter der Nashörner, deren kleinere Formen rund 1,1 t Körpergewicht erreichten. Allerdings ist die Gattung nur über Reste von Schädeln, Unterkiefern und einige isolierte Zähne bekannt. Ein deformierter Schädel hatte eine Länge von noch 48 cm, während die Breite an den Jochbeinbögen bis zu 14,5 cm betrug. Das Hinterhauptsbein war eher kurz und rechtwinklig gestaltet und sorgte so für eine hohe Schädelhaltung. Das Nasenbein besaß eine grazile Form und war mit 16 cm Länge relativ langgestreckt. Zudem wies es nur eine geringe Dicke auf, die an der vorderen Spitze nur 8 mm betrug. Das Fehlen von Aufrauungen an der Oberfläche des Nasenbeins belegt, dass keine Hörner ausgebildet waren. Die Stirnlinie verlief eher gerade, wobei hinter der Orbita kleine, rippenartige Erhebungen ausgebildet waren. Der Naseninnenraum zwischen Nasenbein und Zwischenkieferknochen war sehr ausgedehnt und reichte bis zum Ende des letzten Prämolaren, die Höhe des Naseninnenraums betrug rund 4,5 cm.

Der Unterkiefer besaß eine eher grazile Form und war im Bereich des zweiten Prämolaren 4,5 cm hoch. Die Höhe des Unterkieferknochens war im Bereich der hinteren Zähne etwa gleichbleibend und übertraf die Höhe der Zähne nur um etwa das Doppelte. Die Symphyse hatte eine breite Form und nahm beginnend vom letzten Prämolar nach vorn deutlich zu, so dass sie am vorderen Ende bis zu 10 cm Breite erreichte. Zusätzlich war sie teilweise stark eingedellt und erinnert in ihrem gesamten Aufbau an jene der heutigen Flusspferde. Im Gebiss war der Eckzahn und ein Teil der Schneidezähne reduziert. Vor allem die unteren Schneidezähne, die jeweils aus den zweiten (I2) bestanden, wiesen eine charakteristische Form auf. Sie waren konisch geformt und stark nach oben gekrümmt und erreichten Längen über die Biegung gemessen von 35,5 bis 43,4 cm, bei direkten Längen von 29,5 bis 34,7 cm. Der Querschnitt an der Basis war oval und maß etwa 4,3 × 3,4 cm. Die Zahnkrone und Zahnwurzel besaßen dabei etwa die gleiche Länge, so dass die Zähne bis zu 20 cm aus dem Maul schauten. Dies ist ein deutlicher ausgeprägtes Merkmal als bei verwandten Arten. So erreichten die unteren Schneidezähne bei Chilotherium maximal 12 cm Kronenlänge, während sie beim riesenhaften Brachypotherium immerhin noch 11 cm maßen. Die Dimensionen der Schneidezähne ähneln, ebenso wie die Unterkiefersymphyse, den massiven Eckzähnen der Flusspferde, die über die Krümmung gemessen bis zu 53 cm lang werden, bei direkten Längen von 36 cm (jeweils einschließlich der Zahnwurzel).

Das hintere Gebiss wurde durch ein Diastema von den Schneidezähnen getrennt. Prämolaren und Molaren wiesen niedrige (brachyodonte) bis moderat hochkronige (hypsodonte) Zahnkronen auf. Dabei waren die Prämolaren kaum molarisiert und wichen so von den Molaren ab. Die gesamte hintere Zahnreihe erreichte 20 cm Länge, wobei die Zahngröße nach hinten zunahm. Der vorderste Prämolar war etwa 1,5 cm lang, während der letzte Molar gut 4,5 bis 5,0 cm Länge aufwies.

Fossilfunde

Funde von Aprotodon sind relativ selten und umfassen meist Schädelbruchstücke und Zahnreste, Elemente des Körperskelettes sind nicht bekannt. Die meisten Fossilien stammen aus Süd-, Zentral- und Ostasien und datieren in die Zeit vom Oberen Eozän bis zum Unteren Miozän vor 38 bis 16 Millionen Jahren. Aus Pakistan und Indien, hier vor allem aus den Bugti-Bergen Belutschistans, stammen überwiegend Reste des Ober- und Unterkiefers und einzelne Zahnfunde. Bedeutende Funde wurden vor allem aus Kasachstan vermeldet, wo mehrere Teilschädel und Unterkieferfragmente entdeckt wurden. Dabei stammt ein deformierter Teilschädel aus Akespe im Südwesten des Landes und gehört ins Untere Miozän. Eine Besonderheit stellt ein Handskelett mit erhaltenem äußeren (fünften) Finger aus der Region Pawlodar im Norden von Kasachstan dar. Bei heutigen Nashörnern kommt der äußerste Finger nicht mehr vor, sie haben insgesamt nur dreistrahlige Hände (und Füße), bei urtümlichen Vertretern, die in der Regel vierstrahlige Hände aufweisen, ist dieser nur äußerst selten nachgewiesen und stark in seiner Größe reduziert, so dass er funktionslos war. Seit den 1980er und 1990er Jahren wurden recht umfangreiche Fossilreste von Aprotodon in China entdeckt. Herausragend ist ein zerbrochener Schädel und mehrere Unterkieferreste aus Zhangjiaping im Lanzhou-Becken in der Provinz Gansu. Diese lagen im Basisbereich des mittleren Schichtglieds der Xianshuihe-Formation, welcher aus weißlichem Sandstein besteht und in das ausgehende Oligozän datiert. Ebenfalls ein oligozänes Alter weisen Schädelreste aus der Jiaozigou-Formation im gleichfalls in Gansu gelegenen Linxia-Becken auf, die hier aus gelblichen Sandsteinen gebildet wird, während mehrere isolierte Zähne, darunter auch massive Schneidezähne, aus der Shangzhuang-Formation der gleichen Lokalität in das Untere Miozän datieren. Zu den ältesten Funden zählen jene aus der Houldjin-Formation in der Inneren Mongolei, die ein Unterkieferfragment nebst einigen isolierten Zähnen umfassen und in das ausgehende Eozän zu stellen sind. Diese waren bereits 1922 während der Third Asiatic Expedition des American Museum of Natural History entdeckt, aber erst 2009 als Reste von Aprotodon erkannt worden.

Paläobiologie

Aprotodon lebte vom ausgehenden Eozän bis zum Beginn des Miozän, eine Phase, die durch klimatische Abkühlung gekennzeichnet war. Die spärlichen fossilen Reste lassen darauf schließen, dass die Nashorngattung nicht sehr häufig war. Die überwiegende Zahl der Funde stammt aus trockenen Klimaabschnitten und geht mit der Verbreitung des riesigen Nashornverwandten Paraceratherium einher. Der breite Bau der Unterkiefersymphyse, der insgesamt an jene der Flusspferde erinnert, lässt einige Experten annehmen, dass Aprotodon auch ähnlich semiaquatisch lebte und Fluss- und Seeufer und überflutete Ebenen besiedelte. Vor allem in der Spätphase des Auftretens von Aprotodon waren die Landschaften mit Koniferenwäldern durchsetzt, bestehend aus Zypressengewächsen, Eiben und Wacholder. Aufgrund der geringen Kronenhöhe der Backenzähne kann auf eine hauptsächliche Ernährung von weicher Pflanzenkost wie Blättern und Zweigen geschlossen werden (browsing).

Systematik

Innere Systematik der Aceratheriinae nach Lu et al. 2023
  Aceratheriinae  

 Floridaceras


   


 Diaceratherium


   

 Aprotodon


   

 Mesaceratherium




   

 Galushaceras


   

 Chilotheridium


   

 Plesiaceratherium


   

 Dromoceratherium


   
  Teleoceratini  

 Alicornops


   

 Prosantorhinus


   

 Brachypotherium


   

 Teleoceras





  Aceratheriini  

 Persiatherium


   

 Subchilotherium


   


 Hoploaceratherium


   

 Acerorhinus


   

 Aphelops




   

 Aceratherium


   

 Peraceras


   

 Chilotherium


   

 Shansirhinus















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Aprotodon ist eine Gattung innerhalb der Familie der Nashörner (Rhinocerotidae). Innerhalb der Nashörner wird die Gattung meist zur ausgestorbenen Unterfamilie der Aceratheriinae gestellt; hornlosen Vertretern, die als entfernte Vorfahren der heute noch lebenden Nashornarten gelten. Forschungsgeschichtlich wurde Aprotodon häufig in die Tribus der Teleoceratini verwiesen. Diese zeichnen sich gegenüber dem Schwestertaxon der Aceratheriini durch extrem robuste und in ihrer Länge stark gekürzte Gliedmaßen aus, ebenso wurde der obere Schneidezahn in ihrer stammesgeschichtlichen Entwicklung nicht reduziert. Einige wenige Forscher sahen Aprotodon aber auch an der Basis der moderneren Unterfamilie der Rhinocerotinae. Eine Studie aus dem Jahr 2023 kommt zu dem Schluss, dass Aprotodon eher einen frühen Vertreter der Aceratheriinae bildet. Demnach gehören Diaceratherium und Mesaceratherium zu den nächsten Verwandten, wobei letzteres die Schwestergattung darstellt.

Es wurden mehrere Arten von Aprotodon beschrieben, anerkannt sind heute fünf:

  • A. aralensis (Borissiak, 1944)
  • A. ayakozensis Bayshashov, 2001
  • A. fatehjangensis (Pilgrim, 1910)
  • A. lanzhouensis Qiu & Xie, 1997
  • A. smithwoodwardi Forster Cooper, 1915

Vor allem die Stellung von A. fatehjangensis ist problematisch. Die Art war bereits 1910 von Guy Ellcock Pilgrim anhand eines Oberkieferfragmentes aus Fatehjang im heutigen Punjab aufgestellt und von ihm zu Teleoceras verwiesen worden, einer eigentlich auf Nordamerika beschränkten Nashorngattung. Nachfolgende Autoren, vor allem mit Bezug auf weit umfangreicherem Fundmaterial, brachten die Art später mit Aprotodon in Verbindung, so unter anderem 1972 Kurt Heissig aufgrund zahlreicher Zahnreste und einzelner Beinelemente aus den Siwaliks, dem sich auch andere Wissenschaftler anschlossen. Wiederum andere Forscher stellen die Form zu Brachypotherium, einer verwandten Gattung mit teils riesigen Vertretern eurasischer und afrikanischer Herkunft.

Die Erstbeschreibung erfolgte im Jahr 1915 durch Clive Forster Cooper. Sie basierte auf nur wenigen Fundstücken des Unterkiefers einschließlich der Symphyse und des Schädels aus Dera Bugti in Belutschistan. Aufgrund der Form der Symphyse und der extrem langen Schneidezähne stellte Forster Cooper die Gattung aber in die Nähe der Flusspferde, wobei er die Schneidezähne als Eckzähne interpretierte. Später, vor allem seit der Erstbeschreibung von Chilotherium im Jahr 1924, wurde eine Ähnlichkeit von Aprotodon zu den Nashörnern erkannt, woraufhin im Jahr 1928 Raymond Vaufrey aufgrund des Aufbaus der Symphyse des Unterkiefers Aprotodon mit Chilotherium gleichsetzte. Im Zuge neuer Fossilfunde führte Elisabeth I. Beliajewa im Jahr 1954 die Gattung Aprotodon wieder ein. Anhand neuer Schädelfunde aus Kasachstan und China in den 1990er Jahren konnte die systematische Zuordnung von Aprotodon zu den Nashörnern eindeutig bestätigt werden.

Einzelnachweise

  1. Deng Tao: Late Cenozoic environmental changes in the Linxia basin (Gansu, China) as indicated by cenograms of fossil mammals. Vertebrata Palasiatica 47 (4), 2009, S. 282–298
  2. 1 2 3 4 5 6 7 Qiu Zhanxiang und Xie Junyi: A new species of Aprotodon (Perissodactyla, Rhinocerotidae) from Lanzhou Basin, Gansu, China. Vertebrata Palasiatica 35 (4), 1997, S. 250–267
  3. 1 2 3 4 Болат У. Байшашов: Первая находка черепа носорога Aprotodon. Известия НАН Республики Казахстан 2, 1994, S. 54–57
  4. Chen Shaokun, Deng Tao, Hou Sukuan, Shi Qinqin und Pang Libo: Sexual dimorphism in perissodactyl rhinocerotid Chilotherium wimani from the late Miocene of the Linxia Basin (Gansu, China). Acta Palaeontologica Polonica 55 (4), 2010, S. 587–597
  5. Esperanza Cerdeño: Etude sur Diaceratherium aurelianense et Brachypotherium brachypus du Miocene Moyen de France. Bulletin du Museum National d'Histoire Naturelle de Paris Series 4 (15) C (1-4), 1993, S. 25–77
  6. 1 2 3 4 5 6 7 Deng Tao: Incisor fossils of Aprotodon (Perissodactyla, Rhinocerotidae) from the Early Miocene Shangzhuang Formation of the Linxia Basin in Gansu, China. Vertebrata Palasiatica, Beijing 51 (2), 2013, S. 131–140
  7. 1 2 Clive Forster Cooper: New genera and species of mammals from the Miocene deposits of Baluchistan. Annals and Magazine of Natural History (8) 16, 1915, S. 404–410
  8. Clive Forster Cooper: The extinct Rhinoceroses of Baluchistan. Philosophical Transactions of the Royal Society of London (B) 223, 1934, S. 569–616
  9. 1 2 Guy E. Pilgrim: The vertebrate fauna of the Gaj Series in the Bugti Hills and the Punjab. Memoirs of the Geological Survey of India (Palaeontologia Indica) New Series 4 (2), 1912, S. 1–83
  10. Bolat U. Bayshashov und Spencer G. Lucas: Fifth digit of Aprotodon (Rhinocerotidae) from the Miocene Kalkaman locality, Kazakstan. New Mexico Museum of Natural History and Science Bulletin 67, 2015, S. 1–4
  11. 1 2 Deng Tao: Neogene rhinoceroses of the Linxia basin (Gansu, China). Courier Forschungsinstitut Senckenberg 256,2006, S. 43–56
  12. Wang Ban-Yue, Qiu Zhan-Xiang, Zhang Quan-Zhong, Wu Li-Jun und Ning Pei-Jie: Large mammals found from Houldjin Formation near Erenhot, Nei Mongol, China. Vertebrata Palasiatica 47 (2), 2009, S. 85–110
  13. Deng Tao und W. Downs: Evolution of Chinese Neogene Rhinocerotidae and Its Response to Climatic Variations. Acta Geologica Sinica 76 (2), 2002, S. 139–145
  14. 1 2 Xiao-Kang Lu, Tao Deng und Luca Pandolfi: Reconstructing the phylogeny of the hornless rhinoceros Aceratheriinae. Frontiers in Ecology and Evolution 11, 2023, S. 1005126, doi:10.3389/fevo.2023.1005126
  15. Kurt Heissig: The Rhinocerotidae. In: Donald R. Prothero und Robert M. Schoch (Hrsg.): The evolution of perissodactyls. New York, London, Clarendon Press und Oxford University Press, 1989, S. 399–417
  16. Болат У. Байшашов: Новые данные о древних копытных из местонахождения Аяқоз и их биостратиграфия. Геология Казахстана 5/6, 2001, S. 140–147
  17. Kurt Heissig: Paläontologische und geologische Untersuchungen im tertiär von Pakistan. 5. Rhinocerotidae (Mamm.) aus den unteren und mittleren Siwalik-Schichten. Bayerische Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Abhandlungen 152, 1972, S. 7–112
  18. Oliver Chavasseau, Yaowalak Chaimanee, Soe Thura Tun, Aung Naing Soe, John C. Barry, Bernard Marandat, Jean Sudre, Laurent Marivaux, Stéphane Ducrocq und Jean-Jaques Jaeger: Chaungtha, a new Middle Miocene mammal locality from the Irrawaddy Formation, Myanmar. Journal of Asian Earth Sciences 28, 2006, S. 354–362
  19. A. M. Khan, A. Habib, M. A. Khan, M. Ali und M. Akhtar: New remains of Brachypotherium fatehjangense from Lower Siwalik Hills, Punjab, Pakistan. The Journal of Animal & Plant Sciences, 20 (2), 2010, S. 79–82
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