Arnold Paole (* vor 1727; † 1732 in Medvedga; auch: alb, Arnaut Pale, Arnod Paole, Arnond Parle, Arnold Pavle) war ein serbischer Hajduk, der nach seinem Tod angeblich zum Vampir wurde. Der Historiker Peter M. Kreuter merkt zum Namen des Unglücklichen an, dass „Arnont“ kein Eigenname sei, sondern, „was Cossowa sowie türckisches Servien bereits andeuten, für Arvanit steht“, und damit einen Albaner meint. Sein Fall und der des Peter Plogojowitz gelten als bekannteste Beispiele für den damals in Serbien alltäglichen Glauben an Vampire, da sie durch die Aufzeichnungen kaiserlicher österreichischer Offiziere und Ärzte dokumentiert worden waren.
Paoles Tod
Im Frühjahr 1727 kehrte Arnold Paole von seinem Militärdienst in der osmanischen Armee zurück in seine Heimat Medvedga an der Morava, in der Nähe der serbischen Stadt Niš. Das Gebiet im Süden Serbiens war seit einigen Jahren unter habsburgischer Herrschaft. Der ehemalige Söldner erwarb ein Stück Land, wandte sich der Landwirtschaft zu und war bald in der Dorfgemeinschaft bekannt. Möglicherweise erhielt er als ehemaliger Soldat auch Zuschüsse von der kaiserlichen Militärverwaltung, die bemüht war an der Grenze zum Osmanischen Reich eine Grenzer-Miliz aufzubauen, die mit dem Land, aber auch mit der Kriegsführung der Osmanen vertraut war. Nach einiger Zeit verliebte er sich in die Tochter des Landbesitzers, dessen Land an seines grenzte, und die beiden heirateten.
Arnold erzählte seiner Frau, dass er große Angst davor hätte, frühzeitig zu sterben. Während seiner Militärzeit war er in Gossowa (vermutlich in der heutigen Republika e Kosovës) stationiert gewesen, wo der Aberglaube besagte, dass ein Fluch jene ereilt, die sich selbst töten: Sie werden in ruhlose Untote, d. h. in Vampire verwandelt. Auch erzählte er seiner Frau, dass er dort von einem untoten Wesen besucht wurde, er aber das Grab dieses Wesens aufgesucht und den Leichnam verbrannt hätte, so wie es dort üblich war. Darüber hinaus hatte er von der Erde, unter welcher der Vampir begraben lag, gegessen, um sich vor weiteren Attacken zu schützen. Dieses Erlebnis hatte ihn jedoch so stark beeinträchtigt, dass er das Militär verließ und nach Hause zurückkehrte.
Im Jahre 1732 stürzte Arnold von einem Heuwagen und wurde bewusstlos ins Haus getragen, wo er kurz darauf verstarb. Er wurde auf dem örtlichen Friedhof begraben.
Die Folgen
Kurze Zeit danach begannen die Gerüchte um Arnold. Er wurde mehrfach im Ort gesehen, immer bei Nacht. Einige Zeugen behaupteten sogar, er habe sie besucht und gewürgt. Allerdings war in keinem der Augenzeugenberichte vom Blutsaugen die Rede. Einige Wochen später wurden jedoch mehrere der Personen, die behauptet hatten, Arnold nach seinem Tod gesehen zu haben, tot aufgefunden, ohne dass die Todesursache erkennbar war. Klarheit sollte eine offizielle, von der habsburgischen Militärverwaltung in Belgrad ausgesandte Kommission schaffen, die aus zwei Stabsärzten, zwei Armeeangehörigen und einem Priester bestand. Sie entschlossen sich, das Grab Arnold Paoles zu öffnen und seinen Leichnam zu exhumieren. Was sie vorfanden war mehr als erstaunlich: Sein Leichnam war offenbar überhaupt nicht verwest und seine Haare und Fingernägel schienen nachgewachsen zu sein. Doch der letzte Beweis, dass Arnold ein Vampir sei, war das frische Blut, welches sich in seinen Mundwinkeln befand. Die österreichischen Kommissare ließen den Körper von Arnold Paole sowie alle anderen Leichen, die Zeichen von Vampirismus aufwiesen, pfählen und verbrennen.
Der Stabsarzt Johann Flückinger sandte einen ausführlichen Bericht nach Wien, in dem er die Ereignisse in Serbien schilderte und eine Erklärung zu finden versuchte. Sein Bericht wurde binnen weniger Wochen in zahlreichen Zeitungen nachgedruckt und löste eine über mehrere Jahre andauernde Diskussion über den Charakter des Vampirs aus. Mehr als zwanzig Schriften (unter anderem von Johann Christoph Harenberg, Michael Ranft und Augustin Calmet) erschienen innerhalb weniger Jahre. Zentrum der Debatte war das protestantische Deutschland, denn nach der offiziellen theologischen Lehre durfte es keine Wiedergänger geben, die nach ihrem Tod aus dem Grab heraus den Lebenden erschienen und ihnen Schaden zufügten.
Literatur
- Johann Flückinger: Der Actenmäßige Bericht über die Vampirs, so sich zu Medvegia in Servien an der Türckischen Gräntzen sollen befunden haben. Januar 1732
- Michael Ranft: Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern, Worin die wahre Beschaffenheit derer Hungarischen Vampyrs und Blut-Sauger gezeigt, Auch alle von dieser Materie bißher zum Vorschein gekommene Schrifften recensiret werden. 1734, Teubners Buchladen (Neuauflage beim UBooks-Verlag 2006, ISBN 3-86608-015-8)
- E.W.S.G.: Acten-mäßige und Umständliche Relation von denen Vampiren oder Menschen-Saugern, Welche sich in diesem und vorigen Jahren, im Königreich Servien herfürgethan. Leipzig 1732
- Dieter Sturm und Klaus Völker (Hrsg.): Von denen Vampiren oder Menschensaugern. Dichtungen und Dokumente. München 1967 u. ö.
- Klaus Hamberger (Hrsg.): Mortuus non mordet. Kommentierte Dokumentation zum Vampirismus 1689-1791. Wien 1992. ISBN 978-3-85132-025-1
- Stefan Grothe: Der Einfluss der Seuchen auf die Entstehung des Vampirmythos im Spiegel der Leipziger Vampirdebatte 1725–1734. Köln 2001 (mediz. Diss.)
- Peter M. Kreuter: Der Vampirglaube in Südosteuropa. Berlin 2001 (phil. Diss.).
- Jutta Nowosadtko: Der „Vampyrus Serviensis“ und sein Habitat: Impressionen von der österreichischen Militärgrenze (PDF; 5,5 MB). In: Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit. S. 151 ff.
- 300 Jahre Karl VI. (1711–1740). Spuren der Herrschaft des „letzten“ Habsburgers, hrsg. von der Generaldirektion des Österreichischen Staatsarchivs Herausgeber: Stefan Seitschek – Herbert Hutterer – Gerald Theimer. S. 254. Wien 2011.
Einzelnachweise
- ↑ Herausgeber: Stefan Seitschek – Herbert Hutterer – Gerald Theimer (Hrsg.): 300 Jahre Karl VI. (1711–1740). Spuren der Herrschaft des „letzten“ Habsburgers, hrsg. von der Generaldirektion des Österreichischen Staatsarchivs. Wien, S. 129.