Ashantee ist eine Prosaskizze von Peter Altenberg, die 1897 erstmals publiziert wurde. Thematisiert werden Altenbergs persönliche Erfahrungen während einer Völkerschau in Wien.

Inhalt

In 32 kurzen Skizzen begleitet der Ich-Erzähler (später Peter A., Herr Peter oder Sir Peter genannt), ein dauerhafter Besucher einer Völkerschau, die Ashantee (dt. Aschanti) bis zu ihrer Abreise. Durch Kommunikation mit den Aschanti entwickelt sich ein vertrautes Verhältnis, welches vom Besuch der Hütten bis zur erotischen Beziehung mit einem jungen Aschanti-Mädchen reicht.

Entstehungsgeschichte und Hintergrund

Zwischen Sommer und Herbst 1896 lebten rund 70 Afrikaner im Rahmen einer Völkerschau im privaten Wiener Tiergarten am Schüttel. Die Aschanti lebten in für sie eigens errichteten Hütten und gingen in ihrem Dorf dem täglichen Leben nach. Zur Unterhaltung des Wiener Publikums führten sie Tänze auf und Kampfspiele vor. Die Ausstellung wurde mit großem öffentlichen Interesse verfolgt; was als so genanntes „Aschanti-Fieber“ betitelt wurde. Viele Zeitungen berichteten von Liebesbeziehungen der Aschanti-Männer mit einigen Wienerinnen und auch von Kindern, die hieraus entstanden waren. Peter Altenberg besuchte die Völkerschau regelmäßig und stand im regen Kontakt mit den Aschanti. 1897 publizierte er seine Prosaskizzen unter dem Titel „Ashantee“ und stellte seinen persönlichen Kulturkontakt dar.

Kritik an der Völkerschau

Altenbergs Kritik richtet sich vor allem gegen die Darstellung der Aschanti im Wiener Tiergarten. Die Inszenierungen einer Völkerschau werden als billige Anbiederung an den Geschmack eines breiten Publikums dargestellt, da die Aschanti nur als Objekte fungieren sollen und ihnen ihre persönliche Individualität versagt bleibt. Die Grausamkeit der kommerziellen Vermarktung wird von Altenberg in „Le Cœur“ deutlich:

Ein kalter September-Abend. Gestrickte englische Handschuhe müsste man haben. Wie gut wäre ein Überzieher mit Iltisfellen austapezirt. […] Diese wunderbaren braunen Mädchen tragen nur einen Pagne […].

Die Aschanti müssen trotz der ungünstigen Wetterbedingungen im kalten Wien ihre Nacktheit zur Schau stellen, denn der Voyeurismus des Publikums soll befriedigt werden. Weiterhin übt Altenberg in der Szene „Akolé“ Kritik am Publikum:

‚Das soll die Schönste sein‘ sagen die Besucher, ‚eine beauté ihrer Heimath. Wo liegt dieses Aschanti?! Nun, für eine Negerin – – –. Stolz ist sie, wirklich unsympathisch. Was glaubt sie eigentlich, dieses Mohrl?! Eine Ehre sollen wir uns machen, ihren Schmarren zu kaufen?! Nicht einmal ansehen möchte sie uns, während sie unser Geld nimmt für Le Ta Kotsa, Zahnkraut. Gewiss ein Schwindel. Hast du Heimweh?! Unsere Verkäuferinnen würden ein schlechtes Geschäft machen. Musst freundlich sein, Schatzerl, thut dir ja Niemand was. Frieren thut sie, der arme Hascher. No, no, no, no, nur nicht gleich aufbegehren! Was bist du zu Hause?! Eine Gnädige?! Du wirst es noch billiger geben. Ein arroganter Fratz. Adieu. Es ist nichts aus ihr herauszubekommen. Goodbye, Mohrl, thu’ dir nichts an. Es wird schon besser werden. Servus.‘ ‚Bénjo, bénjo – – – – –!‘ (Geh’ zum Teufel, packe dich.)

Das Verhalten des Publikums gegenüber den Aschanti wird hier als grob, aufdringlich und arrogant dargestellt. Es ist nicht in der Lage, einen Kulturkontakt von beiden Seiten aus zu betreiben und charakterisiert das koloniale Denken des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Hingegen handelt der Ich-Erzähler als omnipräsenter Vermittler und Interpret. Somit kann die Kritik an der Völkerschau und die damit verbundene Kritik am kolonialen Denken als ein vorrangiges Motiv Altenbergs gelten.

Erotisierung der Aschanti

Jedoch entwirft auch Altenberg koloniale Bilder – dies wird besonders in der Erotisierung der Aschanti deutlich – und kann ihre Individualität nur als Exotikum würdigen. Denn die Aschanti agieren nur hinsichtlich ihrer exotischen Entkleidung individuell und werden nicht als vollwertige Charaktere, sondern als Stereotype dargestellt.

Es kommt zur Fokussierung der erotischen Attraktivität und die Klischees des wilden, schönen Körpers, also der kolonialen Denkweise, treten in den Mittelpunkt. Auch die freie Sexualität, die Altenberg und auch die Wiener Presse propagiert, sind eine Eigenschaft der Aschanti. In „Ein Brief aus Accra“ heißt es:

Ich trete in die Hütte. Auf dem Boden liegen Monambô, Akolé, die Wunderbare und Akóschia. Kein Polster, keine Decke. Die idealen Oberkörper sind nackt. Es duftet nach edlen reinen jungen Leibern. Ich berühre leise die wunderbare Akolé.

Im Gegenzug werden die bürgerlichen Konventionen von Liebe, Sexualität und Geschlechterrolle bloßgestellt. In der Szene „Complications“ will eine wohlhabende Frau für ihren Sohn eine Aschanti kaufen, denn „Keine Sprache spricht sie. Man hat sie in seiner Gewalt. Uns gehört sie.“

Zugleich stellen die Prosaskizzen auch eine Anleitung bzw. ein Protokoll zur sexuellen Verführung dar. Altenberg beschreibt detailliert, unter welchen Bedingungen die Aschanti-Mädchen zur Liebe im sexuellen Sinn bereit seien. Die Skizze „L’homme médiocre“ zeigt dies deutlich, denn hier wird erläutert, dass die Mädchen nur unter der Bedingung der Liebe des Mannes, die hier wohl als ausschließlich sexuelle Begierde gedeutet werden kann, bereit sind, sich ihm anzuschließen. Hingegen werden die Intentionen der Aschanti als liebevoll und unschuldig dargestellt.

Literatur

  • Peter Altenberg: Ashantee. Fischer, Berlin 1897 (Collection Fischer).
  • Peter Altenberg (Autor), Kristin Kopp (Hrsg.): Ashantee. Afrika und Wien um 1900. Löcker Verlag, Wien 2008, ISBN 978-3-85409-460-9.
  • Stephan Besser: Schauspiele der Scham. Juli 1896, Peter Altenberg gesellt sich im Wiener Tiergarten zu den Aschanti. In: Alexander Honold, Klaus R. Scherpe (Hrsg.): Mit Deutschland um die Welt. Eine Kulturgeschichte des Fremden in der Kolonialzeit. Metzler, Stuttgart 2004, ISBN 3-476-02045-2, S. 200–208.
  • Werner M. Schwarz: Anthropologische Spektakel. Zur Schaustellung „exotischer“ Menschen, Wien 1870–1910. Verlag Turia & Kant, Wien 2001, ISBN 3-85132-285-1, S. 187–203.

Einzelnachweise

  1. Heinz Lunzer und Victoria Lunzer-Talos: Peter Altenberg: Extracte des Lebens. Einem Schriftsteller auf der Spur. Residenz-Verlag, 2003. S. 83
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