August Klett (geboren 1864 oder 1866 in Heilbronn; gestorben 1928 in Weinsberg) war ein deutscher Art-brut-Künstler. Er gehörte zu den „schizophrenen Meistern“, wie ihn der Psychiater Hans Prinzhorn in seinem Buch „Bildnerei der Geisteskranken“ porträtierte. Das Pseudonym Klotz bzw. August Klotz wurde von Prinzhorn zur Anonymisierung vergeben.

Leben

Kletts Vater war ein wohlhabender schwäbischer Kaufmann. Der junge Klett besuchte Gymnasium und Handelsschule und absolvierte den Wehrdienst. Danach war er viele Jahre für das väterliche Geschäft in Antwerpen, Brüssel und London als Wein- und Sektverkäufer tätig. Er führte ein ausschweifendes Leben. Abgesehen von einer Gonorrhoe war er bis zu einem Grippeanfall im Jahr 1903 gesund. Nach dieser Krankheit und einer gescheiterten Liebesaffäre fiel er in eine tiefe Depression, während der er halluzinatorische Stimmen hörte, die ihn beleidigten. Er unternahm einen Selbstmordversuch, indem er sich mit einem Messer den Unterleib aufschnitt.

Klett wurde in eine psychiatrische Anstalt in Göppingen eingewiesen, wo er laut Krankenakte im August 1903 künstlerisch tätig war. 1905 wurde Klett als „unheilbar krank“ in die Königliche Heilanstalt Weinsberg überwiesen, wo er bis zu seinem Tod blieb.

Künstlerisches Wirken

Klett rieb mit Fett Zahlen in seine Tapete und nannte sie „Freimaurerzeichen“. Er erstellte Diagramme, in denen Buchstaben mit Zahlen korrespondierten, deren Summen Farben entsprachen. Er liebte Wortspiele. Dies findet sich auch in seinen Zeichnungen und Aquarellen wieder. Er erfand oft lange zusammengesetzte Substantive, wie z. B. „Halmdolchfischgradtropfenweiß“ oder „Phosphorfruchtknotenblausäureeiskornkälte“, und seine Bilder können auch eine doppelte Bedeutung haben. Ein Beispiel dafür ist Kletts Zeichnung Wurmlöcher, die der Kunsthistoriker Roger Cardinal folgendermaßen beschreibt: „Ein Kopf im Profil mit gewelltem Haar, in das Fingerspitzen, Würmer und Raupenköpfe integriert sind. Ein anderer Teil des Kopfes stellt Nonnen und Flamingos nebeneinander.“

Im Gegensatz zu den meisten Outsider-Künstlern war Klett in seinem Werk wenig konsistent. Manchmal begann er eine Zeichnung, indem er einen Stein auf ein Blatt Papier legte und eine Linie um ihn herumzog. Prinzhorn sah in ihm ein leuchtendes Beispiel für den schöpferischen Impuls in seiner elementarsten Form. „Er lässt sich stets von momentanen Impulsen leiten, so dass seine Bilder in der Regel die unbewussten Komponenten des Bildschaffens in einer seltenen Reinheit enthalten ... er komponiert völlig passiv, fast wie ein Zuschauer, und versucht danach, seine Konfigurationen zu interpretieren“.

Künstlerische Bewertung

1950 besuchte Jean Dubuffet – der Erfinder der Kunstgattung Art brut – die Sammlung Prinzhorn und bewertet August Klett neben Hermann Behle und Johann Knopf sehr positiv. Die anderen von Prinzhorns „schizophrenen Meistern“ hielt er für uninteressant.

Der zeitgenössische Komponist Steffen Schleiermacher aus Leipzig ist so fasziniert von Kletts Texten und Bildern, dass er sich von ihnen zu eigenen Werken inspirieren lässt.

Ausstellungen

Bilder von August Klett wurden posthum in folgenden Ausstellungen gezeigt:

  • 2005/2006: Harald Szeemann erfindet die Sammlung Prinzhorn, Sammlung Prinzhorn, Heidelberg
  • 2006: wahnsinn sammeln, Sammlung Prinzhorn, Heidelberg
  • 2007: Wahnsinn Sammeln, Ernst-Barlach-Haus, Hamburg
  • 2009: Prinzhorn Collection, Museum Stift Admont, Österreich
  • 2009: Prinzhornova Sbrirka, art brut z legendární kolekce německého psychiatra (Sammlung Prinzhorn, Art Brut aus der legendären Sammlung eines deutschen Psychiaters), Galerie der Stadt Prag, Tschechien
  • 2009/2010: Surrealismus und Wahnsinn, Sammlung Prinzhorn, Heidelberg
  • 2011: Von Kirchner bis heute. Künstler reagieren auf die Sammlung Prinzhorn, Sammlung Prinzhorn, Heidelberg
  • 2013: Geistesfrische. Alfred Kubin und die Sammlung Prinzhorn, Landesgalerie Linz, Österreich
  • 2017: Geistesfrische. Alfred Kubin und die Sammlung Prinzhorn, Sammlung Prinzhorn, Heidelberg
  • 2019/2020: Die Sammlung Prinzhorn. Art Brut vor der Art Brut, Museum Gugging, Maria Gugging, Österreich

Literatur

  • Hans Prinzhorn: Bildnerei der Geisteskranken. Ein Beitrag zur Psychologie und Psychopathologie der Gestaltung. Severus Verlag, Hamburg 2016, ISBN 978-3-95801-574-6 (Erstausgabe: Julius Springer, Berlin 1922).
  • Roger Cardinal: Outsider Art. Praeger, New York 1972, OCLC 10975468 (englisch).
  • The Prinzhorn Collection. Selected work from the Prinzhorn Collection of the Art of the Mentally Ill. Katalog der Ausstellung vom 10. November 1984 bis 30 Juni 1985 im Krannert Art Museum, im Lowe Art Museum, im David and Alfred Smart Gallery und im Herbert E. Johnson Museum of Art. The Museum, Champaign, Illinois 1984, OCLC 11746000 (englisch).
  • Ingried Brugger u. a. (Hrsg.): Kunst und Wahn. Ausstellungskatalog und Aufsatzsammlung anläßlich der Ausstellung „Kunst und Wahn“ im Kunstforum Wien, 5. September bis 8. Dezember 1997. DuMont, Köln 1997, ISBN 978-3-7701-4274-3.
  • Klett, August. In: Andreas Beyer, Bénédicte Savoy, Wolf Tegethoff (Hrsg.): Allgemeines Künstlerlexikon - Internationale Künstlerdatenbank - Online. K. G. Saur, Berlin / New York 2021.
Commons: August Klett – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 263815448. viaf, abgerufen am 18. Oktober 2022.
  2. Klett, August. In: Andreas Beyer, Bénédicte Savoy, Wolf Tegethoff (Hrsg.): Allgemeines Künstlerlexikon - Internationale Künstlerdatenbank - Online. K. G. Saur, Berlin / New York 2009.
  3. 1 2 The Prinzhorn Collection. 1984, S. 11.
  4. 1 2 3 Klett, August. Artbrut.cz, abgerufen am 20. Oktober 2022 (tschechisch).
  5. 1 2 3 Cardinal. 1972, S. 88.
  6. 1 2 Martina Kitzing-Bretz: Authentische und unverbildete Kunstwerke. Stimme.de, 3. November 2010, abgerufen am 18. Oktober 2022.
  7. Cardinal. 1972, S. 88–89.
  8. Cardinal. 1972, S. 89.
  9. Bildnerei der Geisteskranken. 1922, S. 143.
  10. Dubuffets Liste. Museum im Lagerhaus, Dezember 2016, abgerufen am 20. Oktober 2022.
  11. August Klett. Abgerufen am 18. Oktober 2022.
  12. Výstava: Prinzhornova sbírka (2009). Artbrut.cz, abgerufen am 20. Oktober 2022 (tschechisch).
  13. Die Sammlung Prinzhorn. kultur-online, 21. September 2019, abgerufen am 18. Oktober 2022.
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