Wald-Bingelkraut | ||||||||||||
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Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Mercurialis perennis | ||||||||||||
L. |
Das Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis), auch Dauer-Bingelkraut und Wildhanf genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Bingelkräuter (Mercurialis) innerhalb der Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae).
Beschreibung
Vegetative Merkmale
Das Wald-Bingelkraut wächst als mehrjährige (plurienn-hapaxanth) krautige Pflanze und erreicht Wuchshöhen von 15 bis 30 Zentimetern. Obwohl zu den Wolfsmilchgewächsen gehörend, besitzt sie keinen Milchsaft. Sie hat einfache, aufrechte, vierkantige mit 2 scharfen Kanten im oberen Abschnitt beblätterte Stängel (im unteren Teil nur mit Schuppenblättern). Die Laubblätter sind 5 bis 30 Millimeter lang gestielt, elliptisch bis länglich-eiförmig und etwa zwei- bis dreimal so lang wie breit.
Generative Merkmale
Die Blütezeit reicht von April bis Mai. Das Wald-Bingelkraut ist zweihäusig getrenntgeschlechtig (diözisch), es gibt also weibliche und männliche Pflanzen mit entweder weiblichen bzw. männlichen Blütenständen. Die Blüten sind klein, grün und reduziert. Die männlichen Blüten haben zahlreiche Staubblätter. Sie stehen in unterbrochenen Blütenständen, die oft nur die obere Hälfte des Scheinährenstiels einnehmen. Das Perigon ist grün und 2 Millimeter lang. Die weiblichen Blüten stehen einzeln oder zu zweien; sie sind langgestielt und achselständig. Die Kepsel ist zweiknotig, borstig und 4 bis 5 Millimeter lang. Die Samen sind fast kugelig, 3 Millimeter lang, weißgrau und grubig-runzelig.
Die Früchte sind zwei- bis dreifächrige Kapselfrüchte mit einsamigen Teilfrüchten.
Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 42 oder 64-66.
Ökologie
Das Wald-Bingelkraut ist ein Rhizom-Geophyt, der im atlantischen Klima möglicherweise wintergrün ist. Es findet reichlich vegetative Vermehrung durch verzweigte Ausläufer statt, weswegen männliche und weibliche Pflanzen oft getrennt stehen und jeweils ausgedehnte Bestände einheitlichen Geschlechts bilden können, wie man es auch von anderen ausdauernden zweihäusigen Gewächsen aufgrund ihrer klonalen Ausbreitung kennt. Man denke an Große Brennnessel, Japanischen Staudenknöterich, Sanddorn oder den Kleinen Baldrian.
Beim Trocknen (beispielsweise im Herbarium) nehmen die Pflanzenteile gewöhnlich durch Bildung von Indigo einen blauschwarzen Metallglanz an. Seine Blätter riechen unangenehm.
Die Blüten sind eingeschlechtig und riechen durch Amine fischartig. Die Bestäubung erfolgt durch Insekten und durch den Wind. Die Art ist windblütig.
Die Entwicklung von Samen ist auch bei ausbleibender Bestäubung möglich (Apomixis).
Verbreitung und Standort
Das Wald-Bingelkraut ist in Europa und Vorderasien bis zum Iran verbreitet und kommt auch in Algerien vor. Man findet es häufig und gesellig in krautreichen Buchen- und Nadelwäldern, auch in Eichen- und Eschenauenwäldern oder in Hochstaudenfluren. Es bevorzugt feuchten, nährstoff- und basenreichen, lockeren Boden an eher schattigen Standorten. Es zeigt Sickerwasser an. In Lehm- und Kalkgebieten tritt es oft in großen Gruppen auf. Nach Ellenberg ist es ein Stickstoffzeiger und eine Ordnungscharakterart der Edellaub-Mischwälder und verwandter Gesellschaften (Fagetalia sylvaticae).
Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 3+ (feucht), Lichtzahl L = 1 (sehr schattig), Reaktionszahl R = 4 (neutral bis basisch), Temperaturzahl T = 3+ (unter-montan und ober-kollin), Nährstoffzahl N = 3 (mäßig nährstoffarm bis mäßig nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 2 (subozeanisch).
Das Wald-Bingelkraut steigt in den Allgäuer Alpen am Südhang des Kegelkopfs in Bayern bis in Höhenlagen von 1850 Metern auf.
Taxonomie
Die Erstveröffentlichung von Mercurialis perennis erfolgte durch Carl von Linné. Der Gattungsname Mercurialis leitet sich ab vom Gott Merkur, der die Heilkräfte des Bingelkrauts entdeckt haben soll.
Besonderheiten
An dieser Art entdeckte Rudolf Jacob Camerarius 1694 in Tübingen die Sexualität der Pflanzen.
Medizinische Bedeutung
Heilwirkung
In der Antike und im Mittelalter galt das Bingelkraut als wirksam bei Magenverstopfung und als Mittel zum schnellen Anregen der Monatsblutung, zudem wurde es bei Augenbeschwerden und verstopftem Gehörgang. Die abführende Wirkung ist belegt. Als Heilpflanze wird Wald-Bingelkraut heute selten verwendet.
Giftigkeit
Alle Pflanzenteile haben zur Fruchtreife den höchsten Wirkstoffgehalt. Das getrocknete Kraut soll ohne Wirkung sein. Die ganze Pflanze gilt insgesamt als wenig giftig.
Hauptwirkstoffe sind Saponine, Methylamin, Trimethylamin.
Vergiftungserscheinungen: Die Wirkung als Abführmittel ist den Saponinen zuzuschreiben. Vergiftungen beim Menschen sind kaum zu erwarten.
Durch die Aufnahme von Mercurialis-Arten kann es bei Pferden, Schweinen und Wiederkäuern zu einer Gastroenteritis und Schädigung der Nieren und der Leber kommen. Als Symptome treten vielfach erst nach Tagen auf: Speichelfluss, Fresslust, Teilnahmslosigkeit, Stöhnen, als charakteristisches Merkmal Torticollis (schiefe Halsstellung), steigende, dann sinkende Temperatur, Rotblaufärbung des Harns (bei Wiederkäuern auch der Milch), pochender Herzschlag mit frequentem, kleinen Puls, zunehmende Schwäche. Auch der Tod kann eintreten.
Literatur
- Manfred A. Fischer, Wolfgang Adler, Karl Oswald: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 2., verbesserte und erweiterte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2005, ISBN 3-85474-140-5.
- Dankwart Seidel: Blumen. Treffsicher bestimmen mit dem 3er-Check. 2. durchgesehene Auflage. blv, München/Wien/Zürich 2001, ISBN 3-405-15766-8.
- Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Portrait. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
- Ingrid und Peter Schönfelder: Das neue Buch der Heilpflanzen. Franckh-Kosmos Verlag, 2011, ISBN 978-3-440-12932-6.
- Lutz Roth, Max Daunderer, Kurt Kormann: Giftpflanzen Pflanzengifte. Vorkommen, Wirkung, Therapie. Allergische und phototoxische Reaktionen. Mit Sonderteil über Gifttiere. 6., überarbeitete Auflage. Nikol, Hamburg 2012, ISBN 978-3-86820-009-6.
Einzelnachweise
- 1 2 3 Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Pteridophyta, Spermatophyta. 2. Auflage. Band V. Teil 1: Angiospermae: Dicotyledones 3 (1) (Linaceae – Violaceae). Carl Hanser bzw. Paul Parey, München bzw. Berlin/Hamburg 1966, ISBN 3-489-72021-0, S. 129–133 (unveränderter Nachdruck von 1925 mit Nachtrag).
- ↑ Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Stuttgart, Verlag Eugen Ulmer, 2001, ISBN 3-8001-3131-5, Seite 634.
- ↑ Mercurialis. In: Plants of the World Online. Bereitgestellt durch die Royal Botanic Gardens, Kew, abgerufen am 14. Oktober 2022.
- ↑ Mercurialis perennis L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 14. Oktober 2022.
- ↑ Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 2, IHW, Eching 2004, ISBN 3-930167-61-1, S. 187.
- ↑ Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. Birkhäuser, Basel/Stuttgart 1976, ISBN 3-7643-0755-2, S. 244.
- ↑ Hans Zotter: Antike Medizin. Die medizinische Sammelhandschrift Cod. Vindobonensis 93 in lateinischer und deutscher Sprache. Akademische Druck- u. Verlagsanstalt, Graz 1980 (= Interpretationes ad codices. Band 2); 2., verbesserte Auflage ebenda 1986, ISBN 3-201-01310-2, S. 150 f. (zur Pflanze Mercurialis).
- ↑ L. Roth et al.: Giftpflanzen - Pflanzengifte - Giftpflanzen von A-Z, Notfallhilfe, Allergische und Phototoxische Reaktionen. 5., erweiterte Auflage. Nikol-Verlag, Hamburg 2008, ISBN 978-3-86820-009-6, S. 495–496.