Bartolus de Saxoferrato, italienisch Bartolo da Sassoferrato (* wohl Ende 1313 im Dorf Venatura bei – heute Ortsteil von – Sassoferrato, Region Marken; † 13. Juli 1357 in Perugia) war einer der bedeutendsten Rechtslehrer des Mittelalters. Er gehörte zur Richtung der Kommentatoren. Charakteristisch für sein Ansehen bei den späteren Juristen des Ius commune ist der Satz nemo bonus iurista nisi bartolista. – Niemand ist ein guter Jurist, wenn er nicht Bartolist (Anhänger des Bartolus) ist.

Leben und Werk

Bartolus begann sein Studium in Perugia, wechselte dann nach Bologna, wo er 1334 promoviert wurde. Ab 1339 lehrte er selbst, zuerst in Pisa, dann in Perugia. Dort machte man ihn 1348 zum Ehrenbürger. Kaiser Karl IV. ernannte ihn 1355 zu seinem Rat. Bartolus war wohl recht kaiserfreundlich gesinnt: So verfasste er auch einen Glossen-Apparat zu den Gesetzen Kaiser Heinrichs VII., Karls Großvater. Heinrich hatte 1313 Gesetze gegen Majestätsverbrechen (crimen laesae maiestatis) erlassen und diese als Extravaganten in das Corpus Iuris Civilis aufnehmen lassen – die letzten Gesetze, die in das spätantike Corpus eingefügt wurden. In Perugia wurden Baldus de Ubaldis und dessen Brüder Angelus und Petrus seine Schüler. Schon mit 43 Jahren verstarb Bartolus, der bereits zu Lebzeiten großes Ansehen genoss.

Trotz seiner kurzen Lebenszeit hinterließ Bartolus ein sehr umfangreiches Werk, das nicht nur Kommentare zu allen Teilen des Corpus Iuris Civilis außer den Institutionen umfasst, sondern auch viele Traktate zu Einzelfragen (darunter eine berühmte Abhandlung über das Flussrecht: De fluminibus seu Tyberiadis) und über 300 Gutachten (Konsilien). Er entwickelte viele neue Rechtsgedanken, etwa die Rückwirkung der Bedingung und Ansätze zu einem internationalen Privat- und Strafrecht. Dabei hing er nicht mehr so eng am vorgegebenen Text wie noch der Glossator Accursius, sondern befreite sich methodisch insoweit. Aus dem Schatten der zu jener Zeit bedeutungsvollen Rechtsschrift Glossa ordinaria des Accursius vermochte Bartolus herauszutreten, weil er nicht nur Varianten für Rechtsinterpretationen darstellte, sondern die Grundlagen für eine einheitliche Auslegungstradition schuf.

Auch staatsrechtliche Fragen hat er behandelt. Besonders sein Werk De regimine civitatis gehört zur Geschichte der Politischen Theorien und der Volkssouveränität. Auch steht er für die erstmalige Verschmelzung von oberitalienischen Stadtrechten mit dem römischen Recht zu einer Einheit, sodass sich moderne Ansätze von juristischer Praxisnähe abzeichneten.

Ob das bekannte Werk Quaestio inter Virginem Mariam et diabolum eine echte Schrift des Bartolus darstellt, ist ungeklärt.

Nachwirkung

„Es war nicht etwas ganz Anderes, was er unternahm, in Vergleichung mit seinen Vorgängern, aber er that es besser, als die Meisten unter ihnen“ (Lit.: Savigny, S. 157). Bartolus erfand zwar keine neue Methode der Rechtswissenschaft, aber er erwarb sich durch die Qualität seiner Kommentare, die an die Arbeiten der südfranzösischen Juristen und seines Lehrers Cino da Pistoia anknüpften, großen Ruhm und wurde als Schulhaupt der Kommentatoren und „Fürst der Juristen“ (principe de’ giureconsulti) angesehen.

Sein Nachruhm wird nicht nur durch den erwähnten Spruch nemo bonus iurista nisi bartolista belegt, sondern auch dadurch, dass in Spanien 1427/1433 und 1499 und in Portugal 1446 Gesetze erlassen wurden, nach denen vor Gericht keine Werke von Juristen zitiert werden durften, die nach Bartolus gelebt hatten und – wenn es an einer gesetzlichen Bestimmung fehlte – die Auffassung des Bartolus Gesetzeskraft haben sollte.

Dass man Bartolus zeitweise als den größten Juristen schlechthin ansah, zeigt sich auch darin, dass im italienischen Theater der Name Bartolo für den Typus des (steifen und pedantischen) Juristen (Figur des Dottore in der Commedia dell’arte) üblich wurde. Noch in Figaros Hochzeit von Wolfgang Amadeus Mozart und in Gioachino Rossinis Oper Der Barbier von Sevilla gibt es die Figur eines solchen Dr. Bartolo.

Es wird behauptet, dass die Redewendung: „Wissen, wo der Bartel den Most holt“ auf Bartolus und dessen Werk Mos Italicus zurückzuführen ist, die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber eher gering.

Ausgaben

Literatur

  • Friedrich Carl von Savigny: Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter. Bd. 6. 1850. Nachdruck Bad Homburg 1961. S. 137–184.
  • Maria Ada Benedetto: Bartolo da Sassoferrato. In: Novissimo Digesto Italiano. Bd. 2. Torino 1958, ISBN 88-02-01797-2. S. 279–280.
  • Bartolo da Sassoferrato. Studi e Documenti per il VI centenario. 2 Bde. Milano 1962.
  • Manlio Bellomo: Geschichte eines Mannes: Bartolus von Sassoferrato und die moderne europäische Jurisprudenz. In: Jahrbuch des Historischen Kollegs 1995, S. 31–44 (Digitalisat).
  • Axel Krauß: Bartolus de Saxoferrato. In: Gerd Kleinheyer, Jan Schröder (Hrsg.): Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten. 4. Auflage. Heidelberg 1996, ISBN 3-8252-0578-9. S. 43–47.
  • Susanne Lepsius: Bartolus de Sassoferrato. in: Compendium auctorum Latinorum Medii Aevi II,1, hg. v. Società internazionale per lo studio del Medioevo Latino (S.I.S.M.E.L.). Florenz: Edizioni del Galluzzo 2004, S. 101–156.
  • Susanne Lepsius: Bartolus von Sassoferrato. in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 2. Aufl., Bd. 1, 2. Lfg. Sp. 450–453.
  • Susanne Lepsius: Der Richter und die Zeugen: eine Untersuchung anhand des Tractatus testimoniorum des Bartolus von Sassoferrato; mit Edition, (Zugleich: Universität, Dissertation, Frankfurt am Main 2000), Klostermann, Frankfurt am Main, 2003, ISBN 3-465-03240-3.
  • Sebastian Krafzik: Die Herrschereinsetzung aus der Sicht des Bartolus von Sassoferrato. In: Journal on European History of Law. Nr. 1/2, 2010, S. 39–43, ISSN 2042-6402.
Commons: Bartolus de Saxoferrato – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. 1 2 Uwe Wesel: Geschichte des Rechts. Von den Frühformen bis zur Gegenwart. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Beck, München 2006, ISBN 3-406-47543-4. S. 317–320 (319 f.).
  2. Jan Dirk Harke: Römisches Recht. Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57405-4 (Grundrisse des Rechts), § 2 Rnr. 7 f.
  3. Ulrich Meier: Mensch und Bürger: die Stadt im Denken spätmittelalterlicher Theologen, Philosophen und Juristen. München 1994, S. 200; John Watts: The Making of Polities: Europe, 1300–1500. Cambridge 2009, S. 257 f; Francesco Maiolo: Medieval Sovereignty: Marsilius of Padua and Bartolus of Saxoferrato. Delft 2007, S. 2
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