Der ehemalige US-Luftwaffenoffizier und -Geheimdienstmitarbeiter David Grusch stellte 2023 Behauptungen zu UFOs auf, die ein weltweites Medienecho auslösten. Er sagte unter anderem im Juli 2023 unter Eid vor einem Untersuchungsausschuss des Kongresses der Vereinigten Staaten aus, die US-Bundesregierung unterhalte seit Jahrzehnten ein streng geheimes UFO-Forschungsprogramm und sei im Besitz von außerirdischen Artefakten.

Karriere Gruschs und Behauptungen zu UFOs

David Charles Grusch (* 1987) war als Offizier der United States Air Force im Afghanistankrieg. Von 2019 bis 2021 trat er als Repräsentant der Unidentified Aerial Phenomena Task Force zur Untersuchung von UFO/UAP-Phänomenen der National Geospatial-Intelligence Agency auf und wirkte von 2021 bis 2022 als stellvertretender Leiter und Repräsentant des National Reconnaissance Office in der Task Force. 2023 war er an der Ausarbeitung des National Defense Authorization Act beteiligt.

2022 reichte Grusch eine Whistleblower-Beschwerde beim US-Office of the Intelligence Community Inspector General (ICIG) ein, um seine Pläne zur Weitergabe von geheimen Informationen an das United States Senate Select Committee on Intelligence zu unterstützen. Er reichte auch eine Beschwerde ein, in der er behauptete, dass seine Vorgesetzten ihn wegen einer ähnlichen Beschwerde, die er 2021 eingereicht hatte, repressiv behandelt hätten.

Im Juni 2023 machte Grusch seine vermeintlichen Enthüllungen auf der Internetseite The Debrief publik und gab eine Woche später ein Fernsehinterview für den US-amerikanischen Kabelsender NewsNation. In einem weiteren Interview mit der französischen Tageszeitung Le Parisien wiederholte er seine Behauptungen in den wesentlichen Punkten. Demnach hätten ihm US-Beamte, deren Identität er nicht offenlegte, gesagt, dass die US-Bundesregierung ein streng geheimes UFO-Rettungsprogramm unterhalte und im Besitz von „nicht-menschlichen Raumschiffen und Biologika (Piloten)“ sei.

Später wurde bekannt, dass Grusch in vorangehenden Jahren in mindestens zwei Fällen, 2014 und 2018, unter Depressionen und Alkoholabhängigkeit gelitten habe, dabei Selbstmordabsichten verlautet hatte und auch in eine psychiatrische Heilanstalt eingewiesen wurde und dort aufgrund einer im Afghanistankrieg erlittenen Posttraumatischen Belastungsstörung behandelt wurde; dies hätte zur Rücknahme seiner Sicherheitsfreigabe und seines Zugangs zu geheimen Dokumenten führen müssen, was aber versäumt wurde. Bei seinen Aussagen brüstete Grusch sich seines Zugangs zu vertraulichen Informationen.

Untersuchungsausschuss des Kongresses der Vereinigten Staaten

Als Reaktion auf Gruschs Behauptungen sagte der Abgeordnete Mike Turner, Vorsitzender des Ständigen Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses: „Seit Jahrzehnten gibt es Behauptungen, die Vereinigten Staaten hätten solche nicht identifizierten Flugobjekte mit Ursprung aus dem Weltraum in ihrem Besitz“, aber „es gebe keine Beweise dafür und es wäre sicherlich eine hochgradige Verschwörung, wenn dies verschwiegen werde“. Die Abgeordneten Anna Paulina Luna und Tim Burchett wurden beauftragt, eine Anhörung durch einen Untersuchungsausschuss des Kongresses der Vereinigten Staaten (das U.S. House Subcommittee on National Security, the Border, and Foreign Affairs) als Reaktion auf die Behauptungen zu organisieren. Diese fand am 26. Juli 2023 statt.

Dabei sagte Grusch unter Eid aus, es habe jahrzehntelang ein streng geheimes Programm gegeben, um geborgene UFO-Teile zu untersuchen; die Regierung sei im Besitz von nicht-menschlichen Artefakten. Unter diesen Fundstücken sollen sich insbesondere vollständig intakte Fahrzeuge befinden. Er habe zahlreiche Personen dazu befragt und „überzeugende Beweise in Form von Fotografien und offiziellen Dokumentationen vorgelegt“ bekommen. Zuvor getätigte Aussagen zu konkreten Fällen in den USA und Italien, die bis in die 1930er-Jahre zurückreichen sollen, wiederholte er hingegen nicht. Zwei weitere angehörte Zeugen, ehemalige Piloten der Marine, sprachen von unerklärten atmosphärischen Phänomen, die sie beobachtet hätten, ohne aber auf ihre mögliche Herkunft einzugehen.

In seiner Eröffnungsrede betonte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Glenn Grothman, dass der Mangel an Transparenz im Zusammenhang mit unidentifizierten anomalen Phänomenen (UAPs) seit Jahrzehnten zu Spekulationen und Debatten geführt und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Institutionen, die dem amerikanischen Volk dienen und es schützen sollen, untergraben habe.

Im Anschluss an die Anhörung vom 26. Juli forderte eine überparteiliche Gruppe von US-Politikern die Einsetzung eines Sonderausschusses zu den UAPs mit Vorladungsbefugnis (subpoena power).

Reaktionen und Kritik

Das Verteidigungsministerium der USA wies diese Angaben mit der Begründung zurück, dass es zurzeit keine überprüfbaren Informationen über die Existenz eines solchen Programms gebe. Der Nachfolger der UAP-Task Force, das All Domain Anomaly Resolution Office, dementierte die Aussagen Gruschs im Juni 2023 und sein Leiter Sean Kirpatrick führte aus, man habe „bisher keine glaubwürdigen Beweise für außerirdische Aktivitäten, außerirdische Technologie oder Objekte gefunden […], die dem Bekannten widersprechen“.

Einige US-Senatoren waren nicht über Gruschs spezifische Behauptungen besorgt, sondern darüber, dass der Kongress möglicherweise nicht über spezielle Zugangsprogramme informiert wurde. US-Senatorin Kirsten Gillibrand, die im April 2023 eine Senatsanhörung über UAPs leitete, sagte, sie beabsichtige, eine Anhörung abzuhalten, um zu prüfen, ob „abtrünnige SAP-Programme“ (Special access programs) existierten, „die niemand überwacht“. US-Senator Marco Rubio, stellvertretender Vorsitzender des United States Senate Select Committee on Intelligence, sagte, „es gibt Leute, die sich gemeldet haben, um unserem Ausschuss in den letzten Jahren Informationen mitzuteilen“, mit „Wissen aus erster Hand“, und dass es sich dabei „möglicherweise um einige der gleichen Leute handelt“, auf die sich Grusch bezieht. Senator Lindsey Graham fand die Behauptungen zweifelhaft: „Wenn wir so etwas tatsächlich gefunden hätten, wäre es unmöglich gewesen, so etwas zu verheimlichen.“

Seth Shostak, der leitende Astronom am SETI-Institut, bezeichnete die Behauptungen von Grusch als außergewöhnlich: „Wo aber sind die Beweise? Sie fehlen – weder Grusch noch sonst jemand, der behauptet, von geheimen UAP-Programmen der Regierung gewusst zu haben, war jemals in der Lage, öffentlich überzeugende Fotos zu produzieren, die in der Landschaft verteilte außerirdische Gerätschaften zeigen. Bedenken Sie, wir sprechen nicht von einer Cessna, die in ein Weizenfeld gefallen wäre. Wir sprechen vermutlich von einer außerirdischen interstellaren Rakete, die in der Lage ist, Milliarden Kilometer des Weltraums zu überbrücken, und über eine Technologie, die offensichtlich außerirdisch ist.“ Shostak schließt, aus wissenschaftlicher Sicht gebe es keinerlei Hinweis auf einen außerirdischen Besuch, nur ein Autoritätsargument. Grusch sage, sie seien hier; aber entweder könne er es nicht beweisen oder er wolle es nicht. Solange er es nicht tue, sollten seine Geschichten auch nur als solche betrachtet werden.

Commons: David Grusch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 Leslie Kean, Ralph Blumenthal, Leslie Kean and Ralph Blumenthal: Intelligence Officials Say U.S. Has Retrieved Craft of Non-Human Origin. In: The Debrief. 5. Juni 2023, abgerufen am 27. Juli 2023 (amerikanisches Englisch).
  2. Chloe Xiang: OK, WTF Is Going on With the 'Intact Craft of Non-Human Origin' Allegedly Recovered by the U.S. Government? In: vice.com. Vice, 6. Juni 2023, abgerufen am 28. Juli 2023 (englisch).
  3. 1 2 3 USA: Whistleblower berichtet Kongress von Bergungsprogramm für Ufos. In: Der Spiegel. 27. Juli 2023, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 27. Juli 2023]).
  4. 1 2 Adam Gabbatt: US conducted ‘multi-decade’ secret UFO program, ex-intelligence official says. In: The Guardian. 26. Juli 2023, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 27. Juli 2023]).
  5. 1 2 Unidentified Anomalous Phenomena: Implications on National Security, Public Safety, and Government Transparency. In: oversight.house.gov. 27. Juli 2023, abgerufen am 27. Juli 2023 (englisch).
  6. Harald Havas: Horten die USA Reste von Ufos? Ein Faktencheck. In: derstandard.de. Der Standard, 19. Juni 2023, abgerufen am 28. Juli 2023 (österreichisches Deutsch, Gastblog).
  7. Gaël Lombart: Ovnis : les États-Unis détiennent des engins d’origine «non humaine», affirme un lanceur d’alerte du Pentagone. In: leparisien.fr. Le Parisien, 7. Juni 2023, archiviert vom Original am 7. Juni 2023; abgerufen am 30. Juli 2023 (französisch).
  8. 1 2 Ken Klippenstein: UFO Whistleblower Kept Security Clearance After Psychiatric Detention. In: theintercept.com. 9. August 2023, abgerufen am 15. August 2023 (englisch).
  9. Adam Gabbatt, Léonie Chao-Fong: UFO hearing key takeaways: cover-up claims and Pentagon denials. In: theguardian.com. The Guardian, 26. Juli 2023, abgerufen am 30. Juli 2023 (englisch).Adam Gabbatt: UFOs back in spotlight as ‚surreal‘ Washington hearing buoys believers. In: theguardian.com. The Guardian, 29. Juli 2023, abgerufen am 30. Juli 2023 (englisch).Nomaan Merchant: Whistleblower tells Congress the US is concealing ‚multi-decade‘ program that captures UFOs. In: apnews.com. Associated Press, 26. Juli 2023, abgerufen am 30. Juli 2023 (englisch).Ufo-Behördenchef nach Anhörung. Pentagon streitet Ufo-Bergung ab. In: tagesschau.de. Tagesschau, 29. Juli 2023, abgerufen am 30. Juli 2023.Vanessa Romo, Bill Chappell: U.S. recovered non-human ‚biologics‘ from UFO crash sites, former intel official says. In: npr.org. National Public Radio, 27. Juli 2023, abgerufen am 30. Juli 2023 (englisch).
  10. Matt Stieb: Ex–Intelligence Official Says Government Hiding Alien Technology From Congress. In: nymag.com. New York, 7. Juni 2023, abgerufen am 27. Juli 2023 (amerikanisches Englisch).
  11. 1 2 Ufos in den USA: Ex-Offizier David Grusch wirft Regierung jahrzehntelange Vertuschung vor. In: berliner-zeitung.de. Berliner Zeitung, 27. Juli 2023, abgerufen am 27. Juli 2023.
  12. Grothman: Lack of Transparency on UAPs has Eroded Public Trust - United States House Committee on Oversight and Accountability. In: oversight.house.gov. 26. Juli 2023, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch).
  13. Sarakshi Rai: Democrat backs special committee for UFOs after high-profile hearing. In: thehill.com. The Hill, 27. Juli 2023, archiviert vom Original am 28. Juli 2023; abgerufen am 30. Juli 2023 (amerikanisches Englisch).
  14. Katherine Tully-McManus: After a blockbuster hearing, a bipartisan group of lawmakers is asking Kevin McCarthy to form a select committee on UFOs. In: politico.com. Politico, 28. Juli 2023, archiviert vom Original am 28. Juli 2023; abgerufen am 30. Juli 2023 (amerikanisches Englisch).
  15. Josh Christenson: Top US officials have ‘first-hand knowledge’ of UFOs: Sen. Marco Rubio. In: nypost.com. New York Post, 27. Juni 2023, abgerufen am 28. Juli 2023 (amerikanisches Englisch).
  16. Matt Laslo: UFO Whistleblower, Meet a Conspiracy-Loving Congress. In: wired.com. Wired, 13. Juni 2023, archiviert vom Original am 13. Juni 2023; abgerufen am 30. Juli 2023 (englisch).
  17. Matt Stieb: Some Members of Congress Can’t Stop Thinking About UFOs. In: nymag.com. New York, 30. Juni 2023, archiviert vom Original am 28. Juni 2023; abgerufen am 30. Juli 2023 (amerikanisches Englisch, Archivversion trägt anderen Titel).
  18. Marik von Rennenkampff: Congress doubles down on explosive claims of illegal UFO retrieval programs. In: thehill.com. The Hill, 27. Juni 2023, archiviert vom Original am 27. Juni 2023; abgerufen am 30. Juli 2023 (amerikanisches Englisch).
  19. Joe Khalil: US has 'downplayed' the number of UFO sightings: Senator Hawley. In: newsnationnow.com. NewsNation, 21. Juni 2023, abgerufen am 21. Juni 2023 (englisch, Stand 30. Juli 2023 von EU aus nicht abrufbar).
  20. Seth Shostak: The truth is out there. But this UFO 'whistleblower' likely doesn't have it. msnbc.com, 27. Juli 2023, abgerufen am 29. Juli 2023 (englisch): „David Grusch hat eine wirklich außergewöhnliche Behauptung aufgestellt. Aber es bedarf außergewöhnlicher Beweise.“
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