Der Betriebshof Finkenstraße war ein Depot mit Wagenhalle und Reparaturwerkstatt der Straßenbahn Lübeck.
Geschichte
Durch die Eröffnung der Strecke nach Moisling und die geplante Verbindung nach Schwartau, das 1912 sein Stadtrecht erhalten sollte, wuchs der Verkehr vor dem Holstentor, so dass die Errichtung einer weiteren geräumigen Wagenhalle nebst Reparaturwerkstatt dringend notwendig wurde. Das städtische Hochbauamt führte daraufhin an der Finkenstraße den Bau einer Halle aus, die, ihrer Größe und praktischen Einrichtung nach, dem Bedürfnis für lange Zeit genügen würde.
Beschreibung
Die neue Halle war schon äußerlich als reiner Zweckbau charakterisiert. Auch im Inneren sprach das offene eiserne Sparrenwerk des Dachstuhls die neue Sprache der Technik. Schamhafte Verhüllungen und zwecklose Verzierungsversuche eines zu jener Zeit meist überwunden geglaubten Schönheitsbegriffes, nach dem die Zeichen der Statik durch pseudoarchitektonische Bestandteile zu verschleiern waren, wurden nicht mehr angewandt.
Die zurückliegende Straßenfront des Gebäudes bestand aus acht Wellblechtoren. Das darüber liegende Giebelfeld, welches ein stumpfwinkliges Satteldach abschloss, war vollständig verglast. In jede der Tore führte ein Gleis.
Die Länge der Halle betrug 83,93 Meter, die Breite 32,28 Meter und deren Höhe vom Fußboden bis zum Hauptgesims 5,60 Meter. Die Innere erhielt tagsüber Licht durch große Dachfenster, durch die Giebelfenster der Vorderseite und einer Reihe von Fenstern auf er Längsseite links vom Eingang. An der Hallenrückseite befinden sich noch zwei Tore. Durch eines der Tore führte ein Gleis in die Werkstatt. Diese war, wie alle Nebenräume, rechts vom Eingang in die Wagenhalle angebaut worden.
Hinter der Werkstatt lagen der Aufsichtsraum mit dem Schalter, durch den der dahinter liegende Mannschaftsraum überblickt werden konnte. Im Aufsichtsraum befanden sich große Fahrkartenschränke, deren Doppeltüren ebenfalls von oben bis unten Regale für Fahrkarten enthielt.
An den Mannschaftsraum schloss sich ein Lagerraum für Kohle, Sand und Salz an. Unter diesem lag der Kessel für die Dampfheizung der Werkstattgruben und der so gleichzeitig die darüber lagernden Vorräte trocken hielt. An den Lagerboden schlossen sich Toiletten und ein verfügbarer Raum an.
Die Haupthalle war für eine Kapazität von 80 Wagen auf acht Gleisen. In der Halle befanden sich zwischen den Schienen in ihrer ganzen Länge auf Wagenbreite Gruben. Sie standen unter den Eisenbetonfußböden miteinander in der Art in Verbindung, dass der ganze Fußboden in Höhe von etwa einem Meter von der Grubensohle aus gewissermaßen unterkellert war. Von den Gruben aus, welche nicht ganz mannshoch waren, konnte das Untergestell der Wagen bequem untersucht werden. Im Winter wurden die Gruben ferner vom Kesselhaus aus beheizt, damit gefrorener Schnee an Rädern und Achsen schnell wieder abtaute.
Ein Zaun trennte die Anlage von der Finkenstraße. Die letzten Jahre teilten sich die Straßenbahnen das Depot mit Bussen, nach Einstellung des Schienenverkehrs 1959 handelte es sich um ein reines Busdepot. Heute ist die Finkenstraße eine Sackgasse und das einstige Depotgelände Teil des Drägerwerk-Areals an der Moislinger Allee. Die ehemaligen Bauten des Betriebshofs sind abgerissen worden.
Literatur
- Der Ausbau des Straßenbahnnetzes. In: Vaterstädtische Blätter; Jg. 1910, Nr. 16, Ausgabe vom 19. April 1910, S. 61–63.
- Die neue Wagenhalle der Straßenbahn in der Finkenstraße.; In: Vaterstädtische Blätter; Jg. 1911, Nr. 49, Ausgabe vom 3. Dezember 1911, S. 193–194.
- Wolf-Rüdiger Saager: 100 Jahre Nahverkehr in Lübeck. Stadtwerke Lübeck (Herausg.) in Zusammenarbeit mit dem Verein Lübecker Verkehrsfreunde e.V. (VLV), Lübeck 1981
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Die neue Wagenhalle der Straßenbahn in der Finkenstraße.; In: Vaterstädtische Blätter; Jg. 1911, Nr. 49, Ausgabe vom 3. Dezember 1911, S. 193.
Koordinaten: 53° 51′ 31,7″ N, 10° 40′ 25,7″ O