Unter Stilllegung versteht man die temporäre oder permanente Außerbetriebnahme von Betrieben, technischen oder Infrastruktur-Anlagen wie Bahnstrecken oder Strassen sowie von Einrichtungen, Objekten, Fahrzeugen oder z. B. Ackerflächen.
Das Gegenteil bezeichnen „Reaktivierung“ bzw. „Wieder-Inbetriebnahme“.
Allgemeines
Dieser Begriff findet heutzutage vor allem in der Industrie (Betriebsstilllegung), dem Bergbau (Grubenschließung) und dem Verkehrs- (Streckenstilllegung) und Nachrichtenwesen sowie der Agrarpolitik (Flächenstilllegung) breite Anwendung und wird häufig ausgelöst durch die Einführung neuer Technologien. Es gibt aber auch viele andere wirtschaftliche oder tatsächliche Gründe für die Stilllegung wie etwa Nutzungsänderungen oder Änderungen der Ziele (Unternehmensziele, Staatsziele, persönliche Ziele).
Vereinzelt wird auch Dekommissionierung (von englisch decommissioning, „Stilllegung“) als Synonym für Stilllegung verwendet. Dies gilt insbesondere für die Stilllegung kerntechnischer Anlagen. Auch bei der Außerbetriebnahme von Systemen in der Informatik wird Dekommissionierung als Begriff verwendet.
Geschichte
Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten wurden viele Firmen, u. a. viele Verlage, aus ideologischen, rassistischen oder kriegsbedingten Gründen von den Behörden stillgelegt. Gertrud Bäumer schrieb 1930, es gelte zu kämpfen „… gegen eine Macht, die auf Kosten der Achtung vor dem lebendigen Gewissen des Einzelnen und durch gewaltsame Stilllegung aller anderen Anschauungen den Staatsbürger durch den politischen Soldaten ersetzen will.“
Rechtsfragen
Eine Stilllegung besteht allgemein in der Aufgabe des Betriebszwecks unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit. Ihre Umsetzung erfolgt, sobald der Unternehmer unumkehrbare Maßnahmen zur Auflösung der betrieblichen Organisation ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er die bestehenden Arbeitsverhältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) liegt eine Betriebsstilllegung dann vor, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam nichts mehr produzieren oder Dienstleistungen nicht mehr erbringen. Dies wird wiederum deutlich, wenn der Arbeitgeber als Unternehmer seine wirtschaftliche Betätigung einstellt. Geschieht das in der Absicht, den bisherigen Betriebszweck für immer zu beenden, liegt eine Betriebsstilllegung vor. Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung des Betriebsrats und anderer Personalvertretungen frühestens zum Zeitpunkt der Stilllegung zulässig (§ 15 Abs. 4 KSchG). Die Weiterbeschäftigung weniger Arbeitnehmer mit Abwicklungsarbeiten steht der Annahme einer Betriebsstilllegung nicht entgegen.
Eine weitere Ursache für Betriebsstilllegungen kann auf die Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO zurückzuführen sein.
Kraftfahrzeuge dürfen gemäß § 3 Abs. 1 FZV auf öffentlichen Straßen nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind. Erweist sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach der FZV, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung oder der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung, kann die die nach Landesrecht zuständige Behörde (Zulassungsbehörde) dem Eigentümer oder Halter eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen (§ 5 Abs. 1 FZV). Die Stilllegung eines Kraftfahrzeugs wird mithin als Untersagung des Betriebs von Fahrzeugen bezeichnet. Sie setzt die Entstempelung der Kraftfahrzeugkennzeichen, das Einziehen der Zulassungsbescheinigung bzw. der Bescheinigung über die Zuteilung des Kennzeichens voraus.
Stilllegung ist ein Rechtsbegriff, der nach § 7 Abs. 3 AtG auch Atomanlagen betrifft, wenn sie ihren Leistungsbetrieb dauerhaft einstellen.
Wirtschaftliche Aspekte
Gewerbebetriebe werden normalerweise auf unbestimmte Dauer gegründet; nach Karsten Schmidt muss die Tätigkeit „auf immer und ewig geplant sein“. Eine Betriebsstilllegung ist deshalb stets eine Ausnahmesituation. Gründe für eine Betriebsstilllegung können eine Betriebsaufgabe, das Ende der Nutzungsdauer unternehmensrelevanter Anlagen, nicht übernommener technischer Fortschritt oder der Entzug der Gewerbeerlaubnis sein.
Die Betriebsstilllegung ist die Einstellung jeglicher betrieblichen Tätigkeit. Dazu kommt es wirtschaftlich, wenn die Umsatzerlöse die variablen Stückkosten nicht mehr decken (Grenzanbieter). Das Betriebsminimum (Unterdeckung der Fixkosten) dagegen ist nur dann ein Grund für eine Stilllegung, wenn mittelfristig keine Fixkostendeckung möglich ist oder sich die Marktpreise nicht erhöhen.
Flächen- oder Streckenstilllegungen führen dazu, dass die bisherige Nutzung dauerhaft eingestellt wird. Zuständige Gemeinden müssen dabei die Entstehung von Brachland verhindern.
Umfangreiche Stilllegungen können die Ursache für kommunale Konversionen sein. So führen beispielsweise Betriebsstilllegungen größeren Ausmaßes einerseits zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit mit höheren kommunalen Ausgaben (Arbeitslosengeld II), während andererseits gleichzeitig die Einnahmen durch sinkende Gemeindesteuern (Gewerbesteuer, Grundsteuer, Verbrauchsteuern und Umsatzsteueranteile) rückläufig sind. Diese Gegenläufigkeit führt zu Haushaltsdefiziten, die kommunale Investitionen einschränken und zum Investitionsstau führen können.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Einfache und schnelle Dekommissionierung von Altsystemen mit einer schlüsselfertigen Standardsoftware. In: Comline. ComLine GmbH Value Added Distribution, 2019, abgerufen am 6. Dezember 2022.
- ↑ Zeitschrift Die Hilfe, 16. Juli 1932, S. 676
- ↑ BAG, Urteil vom 18. Juli 2017, Az.: 1 AZR 546/15 = NZA 2017, 1618
- ↑ BAG, Urteil vom 16. Februar 2012, Az.: 8 AZR 693/10 = NZA 2012, 999
- ↑ Verkehrs- und Wirtschafts-Verlag (Hrsg.), Verkehrsblatt, Band 50, 1996, S. 43
- ↑ Karsten Schmidt, Handelsrecht, 1999, § 9 II 2d
- ↑ Reinhold Sellien/Helmut Sellien, Gablers Wirtschafts-Lexikon, 1988, S. 769