Die Bildungsökonomik, auch Bildungsökonomie, ist ein Bereich der Wirtschaftswissenschaft, der ökonomische Fragen in Bezug auf Bildung untersucht. Dazu zählen zum Beispiel die Nachfrage nach Bildung, die Finanzierung und Bereitstellung von Bildung, sowie die Analyse der Effektivität und Effizienz verschiedener Bildungssysteme und Maßnahmen. Die Disziplin existiert etwa seit 1955 – als Hauptvertreter gelten Gary Becker, Jacob Mincer und Theodore Schultz.
Eine Hauptrichtung der Bildungsökonomik untersucht die Auswirkung von Bildung auf individuelle und gesamtwirtschaftliche Erträge auf dem Arbeitsmarkt. Im Mittelpunkt steht dabei die Analyse kausaler ökonomischer Effekte von Bildung mittels geeigneter ökonometrischer Verfahren. Dabei werden Bildungsrenditen berechnet, zum Beispiel die Rentabilität einer Universitätsausbildung. In der neueren Literatur werden diese Ansätze ausgeweitet, um Bildungsrenditen anderer Bereiche wie der Gesundheit oder Lebenszufriedenheit zu untersuchen. Ein weiteres Forschungsfeld ist die Produktionsfunktion von Bildung, d. h. welche Bildungsmaßnahmen- und systeme besonders effektiv und effizient in der Herstellung von Bildungserfolg sind. Aktuelle bildungsökonomische Studien vergleichen dabei unterschiedliche Länder sowie deren Bildungsinstitutionen und Maßnahmen in der Bildungsproduktion.
Es ist aktueller Konsens der Bildungsökonomik, dass frühkindliche Bildung, möglichst späte Bildungsselektion und eine enge Verzahnung von Schule und Elternhaus besonders effektive und effiziente Maßnahmen der Bildungspolitik sind.
Grundlagen
Essentiell für die Bildungsökonomik ist die Betrachtung von Bildung als eine Investition in Kapital. Die Wirtschaftswissenschaft unterscheidet dabei neben dem physischen Kapital eine andere Form des Kapitals, die als Produktionsmittel nicht weniger kritisch ist: das Humankapital. Bei Investitionen in Humankapital wie Bildung sind drei wichtige wirtschaftliche Auswirkungen zu erwarten:
- Erhöhte Ausgaben für Bildung, da die Akkumulation von Humankapital ebenso wie physisches Kapital Investitionen erfordert.
- Steigerung der Produktivität, wenn Menschen Fähigkeiten erhalten, die es ihnen ermöglichen mehr Leistung zu erzielen.
- Return on Investment in Form höherer Einkommen.
Investitionskosten
Investitionen in Humankapital sind wie jede Investition mit Investitionskosten verbunden. Typischerweise werden in europäischen Ländern die meisten Bildungsausgaben in Form von Konsumausgaben des Staates getätigt, obwohl einige Kosten auch von Einzelpersonen getragen werden. Diese Investitionen können ziemlich kostspielig sein. Die EU-Regierungen gaben 2005 zwischen 3 % und 8 % des BIP für Bildung aus, der Durchschnitt lag bei 5 %. Jedoch unterschätzt die Messung der Bildungsausgaben auf diese Weise die Kosten erheblich, da eine wesentliche Form von Kosten völlig übersehen wird: die Opportunitätskosten für entgangene Löhne, da Schüler und Studenten während der Schule und des Studiums nicht voll arbeiten können. Es wurde geschätzt, dass die Gesamtkosten einschließlich der Opportunitätskosten für Bildung doppelt so hoch sind wie die direkten Kosten. Einschließlich der Opportunitätskosten wurden Investitionen in Bildung in den EU-Ländern im Jahr 2009 auf rund 10 % des BIP geschätzt. Im Vergleich dazu betrugen die Investitionen in Sachkapital 20 % des BIP.
Produktivität
In der gesamten Wirtschaft wurde die Auswirkung des Humankapitals auf das Einkommen als signifikant eingeschätzt: 65 % der in Industrieländern gezahlten Löhne sind Zahlungen aufgrund von Humankapital und nur 35 % aufgrund von geleisteter Arbeit. Die höhere Produktivität gut ausgebildeter Arbeitskräfte ist einer der Faktoren, die ein höheres BIP und damit ein höheres Einkommen in den Industrieländern erklären. Es besteht eine starke Korrelation zwischen BIP und Bildungsausgaben in den entwickelten Ländern der Welt. Es ist jedoch weniger klar, wie die Kausalität ist, d. h. viel von einem hohen BIP durch Bildung erklärt wird. Es auch möglich, dass sich reiche Länder mehr Bildung leisten können.
Return on Investment
Humankapital in Form von Bildung teilt viele Merkmale mit physischem Kapital. Beide erfordern eine Investition und beide haben nach ihrer Produktion einen wirtschaftlichen Wert. Physisches Kapital verdient eine Rendite, weil die Menschen bereit sind zu zahlen, da es ihnen ermöglicht, mehr Output zu produzieren. Um den produktiven Wert des physischen Kapitals zu messen, muss man lediglich feststellen, wie viel Rendite es auf dem Markt erzielt. Im Fall von Humankapital ist die Berechnung der Rendite komplizierter – schließlich lässt sich Bildung nicht von der Person trennen. Um dieses Problem zu umgehen, werden die Renditen des Humankapitals im Allgemeinen aus Lohnunterschieden zwischen Menschen mit unterschiedlichem Bildungsniveau abgeleitet.
Empirische Ergebnisse
Robert E. Hall und Charles I. Jones haben aus internationalen Daten berechnet, dass die Bildungsrenditen in den ersten vier Schuljahren (Klassen 1–4) durchschnittlich 13,4 % pro Jahr betragen, in den nächsten vier Schuljahren (Klassen 5–8) 10,1 % pro Jahr und 6,8 % für jedes weitere Schuljahr nach Klasse 8.
Von der OECD werden 3 Faktoren hervorgehoben, die eine besonders hohe Rendite aufweisen:
- Investitionen in frühkindliche Bildung
- Möglichst späte Bildungsselektion (auf verschiedene Schularten)
- Sehr enge Verzahnung von Schule und Elternhaus
Diese Maßnahmen können über die gesamte Lebensdauer eines Menschen große positive Renditen bringen, insbesondere für die am stärksten benachteiligten Personen.
Institutionen
Literatur
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- Erich Ribolits: Bildung als Ware? Wider die Dominanz des ökonomischen Denkens. In: AHAes. Nr. 7, 2003, S. 10–12.
- Erich Ribolits: Bildung als Ware? Über die zunehmende Marktförmigkeit der Bildung und die „Schulautonomie“.
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Weblinks
Einzelnachweise
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