Wahrer Wind und scheinbarer Wind sind Begriffe aus der Seefahrt. Der Wind, der auf einem fahrenden Segelfahrzeug weht, setzt sich aus dem wahren (dem tatsächlich herrschenden) Umgebungswind und dem Fahrtwind des Fahrzeugs zusammen. Er wird scheinbarer Wind genannt und ist bestimmend für viele Einstellungen, wie beispielsweise Segelstellung und Segeltrimm, am Segelfahrzeug.
Wahrer Wind
Als wahrer Wind wird in der Seefahrt die Richtung und Windgeschwindigkeit des meteorologischen Windes bezeichnet, wie sie beispielsweise von einer Küstenmessstation gemessen werden. In der Schifffahrt wird die Windrichtung mit kardinalen Himmelsrichtungen und die Windgeschwindigkeit in Knoten, Beaufort oder in Meter pro Sekunde (m/s) angegeben. Moderne Windmessanlagen auf Segelschiffen können die wahre Windrichtung und -geschwindigkeit annähernd berechnen, wenn sie mit einer GPS-Quelle, die Kurs und Geschwindigkeit des Schiffs über Grund angibt, verbunden sind.
Fahrtwind
Der Fahrtwind ist der durch die Bewegung eines Fahrzeugs (Fahren) hervorgerufene „Gegenwind“. Er ist also gleich schnell wie die Bewegungsgeschwindigkeit des Fahrzeugs und der Bewegungsrichtung des Fahrzeugs (um 180°) entgegengesetzt gerichtet. Beobachtet kann dieser Fall bei Windstille werden. Bei Windstille stimmen Fahrtwind und scheinbarer Wind überein.
Scheinbarer Wind
Der scheinbare Wind (auch relativer Wind oder Bordwind genannt) ist in der Schifffahrt und insbesondere beim Segeln von Bedeutung. Es handelt sich um den am fahrenden Schiff wahrgenommenen Wind, der sich aus dem Zusammenwirken (der vektoriellen Addition) des wahren Windes und des Fahrtwindes ergibt. Der scheinbare Wind fällt immer vorlicher ein als der wahre Wind, außer man fährt genau vor dem Wind (womit dann beide genau von hinten kommen).
Fahrzeuge mit Segelantrieb nutzen immer den scheinbaren Wind. Bei einem Segelschiff richtet sich die Stellung der Segel ebenfalls nach dem scheinbaren Wind.
Je schneller ein Segelboot fährt, umso vorlicher fällt der scheinbare Wind ein, umso dichter müssen die Schoten also geholt werden. Die maximal mögliche Höhe am Wind, die ein Boot segeln kann, hängt vom kleinsten Winkel zum scheinbaren Wind ab, auf dem noch Vortrieb erzeugt wird. Je schneller das Boot segelt, umso größer wird daher der Winkel zum wahren Wind. Sehr schnelle Boote (z. B. Katamarane oder Jollen) haben daher häufig einen schlechteren Wendewinkel als ansonsten eher plumpe schwere Yachten.
Aber auch auf dem Fahrrad lässt sich der scheinbare Wind erleben. Wenn man in die Richtung fährt, in die der Wind weht, und dabei genauso schnell ist, wie der Wind weht, dann steht die Luft „scheinbar“, obwohl man den Wind durch die Bäume wehen sieht (Fahrtwind und wahrer Wind stehen vektoriell genau gegeneinander und neutralisieren sich).
Physikalisch gesehen ist scheinbarer Wind die Luftbewegung, die man feststellt, wenn man als Bezugssystem das Ruhesystem des jeweiligen Fahrzeugs wählt.
Literatur
- Seemannschaft. Handbuch für den Yachtsport. 30. Auflage, Delius Klasing Verlag, Bielefeld 2013, ISBN 978-3-7688-3248-9.
- Harbord, Davis J.: Seefahrt A-Z. München: F. Schneider, 1987, ISBN 3-505-09664-4
- Ulrich Scharnow: Lexikon Seefahrt. 5. Auflage. Transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1988, ISBN 3-344-00190-6, S. 146.
Weblinks
- Hannes Preiss: Der wahre und der scheinbare Wind. 2001, archiviert vom am 9. Januar 2015; abgerufen am 5. Februar 2017. (aus: Hannes Preiss: Die Physik des Segelns. 2001, archiviert vom am 21. Dezember 2009; abgerufen am 5. Februar 2017. )