Der Kreuzzug gegen Bosnien wurde 1235–1241 vom Königreich Ungarn geführt. Im Wesentlichen handelte es sich um einen Eroberungskrieg gegen das mittelalterliche Banat Bosnien, der vom päpstlichen Stuhl als Kreuzzug gefordert und sanktioniert wurde. Unter Führung von Herzog Koloman gelang es den Invasoren dabei lediglich, Teile des Landes für wenige Jahre zu erobern. Der Feldzug endete abrupt, als das Königreich Ungarn selbst von den Mongolen angegriffen wurde und die Kreuzfahrer dadurch gezwungen waren, sich zurückzuziehen. Die militärische Gewalt und das inquisitorische Vorgehen der Dominikaner in den eroberten Gebieten vertieften das Schisma des regionalen Klerus mit der katholischen Kirche. Der Kreuzzug gegen Bosnien trug dadurch zur politischen und kirchlichen Eigenständigkeit des späteren Königreichs Bosnien bei.
Ursachen und Anlass
Nach den Beschlüssen des Dritten Laterankonzils zur Verfolgung von Häretikern aus dem Jahr 1179 rief der päpstliche Stuhl mehrfach zu innereuropäischen Kreuzzügen auf, dabei auch wiederholt zum Kreuzzug gegen das mittelalterliche Bosnien. Zwischen 1199 und 1202 wurde der bosnische Ban Kulin beschuldigt, aus Dalmatien vertriebenen Ketzern Zuflucht zu gewähren. König Vukan Nemanjić von Zeta warf ihm vor, selbst zum Häretiker geworden zu sein. Kulin gelang es jedoch durch diplomatisches Geschick, die Gefahr einer drohenden ungarischen Invasion abzuwenden. In der Abschwörung von Bilino Polje 1203 erklärten Ban Kulin und führende Vertreter seiner Untertanen, fortan die Riten und Gebräuche der katholischen Kirche zu befolgen.
In den 1220er Jahren wurden die Vorwürfe, Bosnien beherberge Häretiker, erneuert. Ein päpstlicher Legat besuchte die Region 1221/22, erreichte allerdings wenig. Während des Albigenserkreuzzugs berieten Bischöfe 1223 in Sens, wie sie die Wiedererstarkung der Katharer in Südfrankreich aufhalten könnten. Dort wirkte ein Bartholomäus von Carcassonne als Abgesandter eines „katharischen Gegenpapstes“, der seinen Sitz „irgendwo an der Grenze zwischen Bosnien, Kroatien und Dalmatien, in der Nähe Ungarns“ habe. 1225 rief Papst Honorius III. zum Kreuzzug gegen das Banat Bosnien auf. Das Königreich Ungarn konnte dem Aufruf jedoch aufgrund interner Schwierigkeiten nicht Folge leisten.
1232 erreichte ein Schreiben die römische Kurie, das den katholischen Bischof der bosnischen Diözese beschuldigte, selbst Ketzer zu beherbergen. Zudem wurden ihm mangelnde Bildung, Simonie und die Unkenntnis katholischer Riten und Sakramente vorgeworfen. Er wohne gemeinsam mit Ketzern und sein eigener Bruder sei Häretiker. Am 30. Mai 1233 wurde er von Papst Gregor IX. seines Amtes enthoben und später durch einen deutschen Dominikaner ersetzt: Johannes von Wildeshausen war der erste nicht-slawische Vertreter dieses Amtes. Er hatte sein Ordenskleid direkt vom heiligen Dominikus erhalten und war zuvor u. a. bereits als Kreuzzugsprediger unterwegs gewesen. Allgemein war die Ankunft der Dominikaner eng mit den häretischen Vorkommnissen in Bosnien verbunden.
1233 führte der ungarische Herzog Koloman von Galizien, Sohn von König Andreas II. und Bruder von König Béla IV. sowie Fürst von Slawonien, Kroatien und Dalmatien, Krieg in Bosnien. Der bosnische Ban Ninoslav konvertierte daraufhin gemeinsam mit seinem Vetter Prijezda zum Katholizismus, auch um weiteren Schaden von seinem Land abzuwenden. Als Sicherung für die Dauerhaftigkeit dieser Bekehrung überließ Prijezda den Dominikanern seinen Sohn als Geisel. Doch Papst Gregor IX. ließ sich dadurch nicht beschwichtigen und rief 1234 erneut zum Kreuzzug auf. Diesmal reagierten die Ungarn bereitwillig, denn der Kreuzzug diente ihnen als willkommener Vorwand, um ihren Herrschaftsanspruch in Bosnien mit Waffengewalt durchzusetzen.
Verlauf
Zwischen dem 14. und 17. Oktober 1234 sandte Papst Gregor IX. sechs Briefe an Herzog Koloman, den bosnischen Bischof und an potenzielle Kreuzfahrer, denen er Sündenablass versprach. Er übertrug Koloman die Durchführung der Militäraktion und stellte ihn mitsamt seinen Anhängern unter den Schutz des Heiligen Stuhls. In den Papstbriefen wurden weder Feinde noch das Angriffsziel ausdrücklich erwähnt. Lediglich der bosnische Bischof wurde informiert, dass sich der Kreuzzug gegen Bosnien richten würde.
Aktive Kämpfe begannen 1235, doch die Armee der Kreuzfahrer erreichte das eigentliche Territorium Bosniens erst drei Jahre später. In Slawonien und der schwierig zu erobernden Bergregion zwischen dem Fluss Sava und der Grenze des Banates Bosnien lebten wahrscheinlich viele Häretiker, die zunächst unterworfen werden mussten. Noch 1236 stellte sich der bosnische Adel mit vereinten Kräften den Invasoren entgegen und wurde vom Papst als „mit dem Makel ketzerischer Bosheit infiziert“ angesehen. Gregor IX. konnte lediglich auf die Unterstützung des Fürsten Sibislav von Usora bauen, den er als guten Katholiken und „Lilie unter Unkraut“ lobte. Die Kampfhandlungen wurden 1237 und 1238 fortgesetzt.
Johannes von Wildeshausen wurde unterdessen, wahrscheinlich auf seine wiederholten Bitten hin, durch den Papst vom Bischofsamt entbunden. Sein Nachfolger wurde der ungarische Dominikaner Ponsa, der kurz nach seiner Einsetzung den Kreuzzug als Erfolg vermeldete. Bereits 1239 wurde Ponsa als Bischof des Domkapitels von St. Peter bezeichnet, das sich in Vrhbosna, dem heutigen Sarajevo, befand. Zugleich wies der Papst Bischof Ponsa und Herzog Koloman erneut an, die „bosnischen Häretiker“ zu verfolgen. Entsprechend führten die Dominikaner eine strenge Form des Glaubenskampfes gegen bosnische Christen ein, und wandten bisweilen auch den Scheiterhaufen an.
Die Kreuzfahrer schafften es letztlich nicht, das Banat Bosnien vollständig zu erobern. Der zentrale Teil des Landes leistete weiter Widerstand und Ban Ninoslav wandte sich erneut der „Ketzerei“ zu. 1241 rettete die mongolische Invasion Europas Bosnien: Nach der Unterwerfung und Verwüstung der Kiewer Rus griffen die Tataren Ungarn an. Um der Bedrohung ihrer Heimat zu begegnen, waren die Kreuzfahrer gezwungen, sich aus Bosnien zurückziehen. Am 11. April 1241 wurde in der Schlacht bei Muhi eine große ungarische Armee von den Mongolen dezimiert. Unter den Getöteten befand sich auch Herzog Koloman. Die Tataren zogen plündernd über den Balkan bis an die Adriaküste. Bosnien war nun in der Lage, seine verlorenen Gebiete zurückzuerobern, und gewann seine Unabhängigkeit wieder.
Folgen und Auswirkungen
Die latente Gefahr neuer Kreuzzüge blieb zunächst weiter bestehen. Mitte der 1240er Jahre rief Papst Innozenz IV. das Königreich Ungarn erneut zum Kreuzzug gegen Bosnien auf. Die katholische Kirche des Landes befand sich in einem „chaotischen und teuflischen Zustand“ und war der „Häresie verfallen“. Doch Ban Ninoslav gelang es durch die Behauptung, er habe lediglich mit den Ketzern kooperiert, um die ungarische Invasion abzuwehren, den Papst zu einer Untersuchung der Umstände durch einen Vertreter der Franziskaner zu bewegen. Anschließend bemühten sich die Ungarn auf diplomatischem Wege, ihre Machtinteressen in der Region durchzusetzen. Militärisch waren sie nicht mehr in der Lage, nach Bosnien zurückzukehren.
Die Bosnier standen den Ungarn nun noch feindseliger gegenüber als vor dem Feldzug. Dieser Hass blieb ein einflussreicher Faktor in der bosnischen Politik. Das Schisma zwischen dem regionalen Klerus und der katholischen Kirche wurde durch die päpstlich sanktionierte Gewalt des Kreuzzugs vertieft. Der Katholizismus verlor für lange Zeit den Rückhalt in der Bevölkerung. Dadurch beförderte der Kreuzzug gegen Bosnien die Ausbildung einer unabhängigen, nationalen Kirchenorganisation nach dem Vorbild Serbiens und Bulgariens, insbesondere in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit vereinigte sich die verbliebene katholische Kirchenhierarchie mit einer wachsenden dualistisch-bogomilischen Glaubensbewegung. Diese ab den 1320er Jahren belegbare, christliche Bosnische Kirche blieb ein prägender Faktor in der weiteren Entwicklung Bosniens, wobei ihre genaue Rolle und Lehre bis heute kontrovers diskutiert werden.
Quellen
- Janet Hamilton et al.: Christian dualist heresies in the Byzantine world, c. 650 - c. 1450. Manchester University Press, Manchester 1998, ISBN 978-0-7190-4765-7 (englisch, Urkunden)
- Franjo Šanjek: Bosansko-humski krstjani u povjesnim vrelima. Barbat, Zagreb 2003, ISBN 953-181-048-6 (kroatisch, Urkunden)
- Dženan Dautović, Esad Kurtović: Codex diplomaticus regni Bosnae: povelje i pisma stare bosanske države. Mladinska knjiga, Sarajevo 2018, ISBN 978-9958-9398-9-1 (bosnisch, Urkunden)
- Toma von Split: History of the Bishops of Salona and Split. Damir Karbić et al. (Hrsg.), Central European University Press, Budapest 2006, ISBN 978-615-5211-08-9 (englisch, Mongolensturm)
Literatur
- Nedim Rabić: Im toten Winkel der Geschichte. Johannes von Wildeshausen als Bischof von Bosnien 1233/34–1237. In: Sabine von Heusinger et al. (Hrsg.): Die deutschen Dominikaner und Dominikanerinnen im Mittelalter. De Gruyter, Berlin, Boston 2016, ISBN 978-3-11-046867-0
- John Van Antwerp Fine: The Late Medieval Balkans: A Critical Survey from the Late Twelfth Century to the Ottoman Conquest. University of Michigan Press, 2000, ISBN 0-472-08260-4 (englisch)
- Salih Jalimam: Dominikanci u Bosni u srednjem vijeku. Bosanska Riječ, Tuzla 2009, ISBN 978-9958-12-119-7 (bosnisch)
Einzelnachweise
- ↑ Josef Wohlmuth (Hrsg.): Dekrete der ökumenischen Konzilien. Band 2. Ferdinand Schöningh, Paderborn [u. a.] 2000, ISBN 3-506-79804-9, Kanon 27, S. 224 f.
- ↑ Mark Pegg: The Papacy and Crusading in Europe, 1198-1245 | Reviews in History. In: Reviews in History. April 2010, abgerufen am 27. August 2023 (englisch).
- 1 2 John Van Antwerp Fine: The Late Medieval Balkans: A Critical Survey from the Late Twelfth Century to the Ottoman Conquest. University of Michigan Press, 2000, ISBN 0-472-08260-4, S. 47 (englisch).
- ↑ Franjo Šanjek: Bosansko-humski krstjani u povjesnim vrelima. Barbat, Zagreb 2003, ISBN 953-181-048-6, S. 70 f. (kroatisch).
- ↑ Augustin Theiner (Hrsg.): Vetera monumenta Slavorum meridionalium historiam (sacram) illustrantia maximam partem nondum edita ex tabulariis Vaticanis deprompta, collecta ac serie chronologiia disposita. Band 1. Typis Polyglottis Vaticanis, Rom 1863, OCLC 162360881, S. 6 (digitale-sammlungen.de – Regest X: König Vukan Nemanjić von Zeta an Papst Innozenz III., 1199/1200).
- ↑ Steven Runciman: The Medieval Manichee. Cambridge University Press, Cambridge 1984, ISBN 0-521-06166-0, S. 104 (englisch).
- ↑ Franjo Šanjek: Bosansko-humski krstjani u povjesnim vrelima. Barbat, Zagreb 2003, ISBN 953-181-048-6, S. 86 f. (kroatisch).
- ↑ Falko Neininger: Konrad von Urach († 1227). Zähringer, Zisterzienser, Kardinallegat. In: Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte. Neue Folge, Heft 17. Schöningh, Paderborn 1994, ISBN 3-506-73267-6, S. 374 f. (digitale-sammlungen.de – Regest 153: Kardinallegat Konrad von Urach, [vor 8. Juni 1223]).
- 1 2 3 4 5 6 7 8 John Van Antwerp Fine: The Late Medieval Balkans: A Critical Survey from the Late Twelfth Century to the Ottoman Conquest. University of Michigan Press,, 2000, ISBN 0-472-08260-4, S. 143 f. (englisch).
- ↑ Janet Hamilton et al.: Christian dualist heresies in the Byzantine world, c. 650 - c. 1450. Manchester University Press, Manchester 1998, ISBN 0-7190-4765-X, S. 265 f. (englisch).
- ↑ Acta Honorii III (1216-1227) et Gregorii IX (1227-1241). In: Aloysius Ludovicus Tàutu (Hrsg.): Pontificia commissio ad redigendum codicem iuris canonici orientalis. Fontes / 3, 3. Typis Polyglottis Vaticanis, Rom 1950, OCLC 1000481, S. 233 f. (Latein, Papst Gregor IX. am 5. Juni 1232).
- 1 2 Nedim Rabić: Die deutschen Dominikaner und Dominikanerinnen im Mittelalter. In: Sabine von Heusinger et al. (Hrsg.): Die deutschen Dominikaner und Dominikanerinnen im Mittelalter. De Gruyter, Berlin Boston 2016, ISBN 978-3-11-046867-0, S. 53, 59, 60.
- ↑ Franjo Šanjek: Bosansko-humski krstjani u povjesnim vrelima. Barbat, Zagreb 2003, ISBN 953-181-048-6, S. 92 f. (kroatisch).
- ↑ Augustin Theiner (Hrsg.): Vetera monumenta historica Hungariam sacram illustrantia. 1: Ab Honorio PP. III. usque ad Clementum PP. VI. 1216 - 1352. Band 1. Typis Polyglottis Vaticanis, Rom 1859, OCLC 631870206, S. 113 (Latein, digitale-sammlungen.de – Regest CXCII: Papst Gregor IX. am 30. Mai 1233).
- 1 2 3 Nedim Rabić: Die deutschen Dominikaner und Dominikanerinnen im Mittelalter. In: Sabine von Heusinger et al. (Hrsg.): Die deutschen Dominikaner und Dominikanerinnen im Mittelalter. De Gruyter, Berlin Boston 2016, ISBN 978-3-11-046867-0, S. 61, 63, 67.
- ↑ Jaroslav Šidak: Studije o 'Crkvi bosanskoj' i bogumilstvu. Sveučilišna naklada Liber, Zagreb 1975, OCLC 2820582, S. 187 (kroatisch).
- 1 2 3 4 5 6 7 John Van Antwerp Fine: The Bosnian church: its place in state and society from the thirteenth to the fifteenth century. An new interpretation. SAQI, London 2007, ISBN 978-0-86356-503-8, S. 126 f., 129, 131, 135 f. (englisch).
- ↑ Jaroslav Šidak: Studije o 'Crkvi bosanskoj' i bogumilstvu. Sveučilišna naklada Liber, Zagreb 1975, OCLC 2820582, S. 191 (kroatisch).
- ↑ Salih Jalimam: Dominikanci u Bosni u srednjem vijeku. Bosanska Riječ, Tuzla 2009, ISBN 978-9958-12-119-7, S. 69 (bosnisch).
- ↑ Jean W. Sedlar: East Central Europe in the Middle Ages, 1000-1500. University of Washington Press, Seattle / London 1994, ISBN 0-295-80064-X, S. 229 (englisch).
- ↑ Sima M. Ćirković: Istorija Srednjovekovne Bosanske Države. Srpska Književna Zadruga, Belgrad 1964, OCLC 77319175, S. 50 f. (serbisch).
- ↑ Pejo Ćošković: Crkva bosanska u XV. stoljeću (= Historijske monografije. Band 2). Institut za Istoriju, Sarajevo 2005, ISBN 9958-9642-6-0, S. 451 f. (bosnisch, englisch).