Die Brünig-Napf-Reuss-Linie, auch als Jassgrenze bekannt, ist eine Kulturgrenze innerhalb der Schweiz. Ihr Verlauf wird annäherungsweise durch den Brünigpass, den Hügelzug des Napf und den Fluss Reuss bezeichnet. Sie verläuft damit etwa 50 bis 100 km östlich der romanisch-germanischen Sprachgrenze (Röstigraben). Erstmals vorgeschlagen wurde sie vom Volkskundler Richard Weiss 1947.

Die Brünig-Napf-Reuss-Linie ist zum einen als – freilich breit gefächerte – Mundartgrenze innerhalb des hochalemannischen Sprachgebiets, aber auch anhand etlicher Volksbräuche zu erkennen. Auffallend ist der Gebrauch unterschiedlicher Blätter beim Jass: westlich der Brünig-Napf-Reuss-Linie wird mit französischen (Herz, Schaufel, Ecke, Kreuz), östlich jedoch mit Deutschschweizer Spielkarten (Eichel, Schelle, Schilte, Rose) gejasst. Zugleich ist die Linie über weite Teile deckungsgleich mit der (traditionellen) Verbreitungsgrenze von Simmentaler Fleckvieh und dem Braunvieh.

Einige Autoren, so Historiker und Volkskundler, vertreten daher die Auffassung, die Brünig-Napf-Reuss-Linie sei die einzige wirklich einschneidende Kulturgrenze der Schweiz, viel bedeutender als die Sprachgrenze, da die «westlichen» Bräuche allesamt sowohl für die französisch- wie auch für die deutschsprachigen Bewohner der Westschweiz gelten. Die Trennung soll auf das Frühmittelalter zurückgehen: Westlich der Linie war damals der burgundische Einfluss, östlich der alemannische stärker wirksam. Die Kulturgrenze kam in den Aargau zu liegen, der über Jahrhunderte zwischen dem Königreich Burgund und dem Herzogtum Alemannien bzw. Schwaben umstritten war. Mit Beginn des Hochmittelalters trafen in der Grenzlandschaft von Nordwesten her die oberrheinischen und von Nordosten her die schwäbischen Einflüsse aufeinander. Auch die Sprach- und Kulturraumbildung, die von den Stadtstaaten Bern im Westen und Zürich im Osten ausgegangen ist, hat massgeblich zu dieser Strukturierung beigetragen.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Urs Bader: «Nationalsport»: Wie das Jassen in die Schweiz kam und heute das Land teilt. In: tagblatt.ch. 13. November 2018, abgerufen am 24. August 2020.
  2. Alban Frei: Ein «Dokument des geistigen Selbstbehauptungswillens der Schweiz». Der Atlas der schweizerischen Volkskunde und die Nationalisierung der Volkskunde in der Schweiz. In: Sabine Eggmann, Marius Risi, Franziska Schürch (Hrsg.): Vereintes Wissen. Die Volkskunde und ihre gesellschaftliche Verankerung. Ein Buch zum 100. Geburtstag der Sektion Basel der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde. Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde, Basel 2010, ISBN 978-3-908122-88-3 und Waxmann, Münster / New York 2010, ISBN 978-3-8309-2401-2, S. 133 ff.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.