Bruoch, auch Niderwât oder Bruch, war eine im Europa des Mittelalters und der Renaissance überwiegend von Männern getragene Unterhose. Sie entstand aus der von den Kelten, Germanen und Sarmaten getragenen Wollhose Bracae.

Geschichte

Im 1. Jahrhundert nach Christus wuchs bei den Ostgermanen, im 2. Jahrhundert auch bei den Westgermanen die Bracae mit den Beinlingen zusammen. Blieben beide Teile getrennt, so wurden die Beinlinge an die Bracae angenestelt, ganz so wie es im Laufe des 12. Jahrhunderts auch für Bruoch und Beinlinge üblich wurde. Die Beinlinge wurden dann mit dem sogenannten Bruochgürtel gehalten, der aus einer Hüftschnur (frz. Brayer, Brayette) entstanden war, um die die Bruoch gerollt wurde. Daran wurden Börse und Schlüssel befestigt. Die enge Kleidung des 14. Jahrhunderts machte es notwendig, dass die Beinlinge an einem Wams oder Pourpoint angenestelt wurden. Diese Kombination wurde schließlich im Laufe des 15. Jahrhunderts von einer strumpfhosenähnlichen Hose mit Schamkapsel verdrängt, bei der die Bruoch hinten durch eine Naht und vorne einen Hosenlatz zu einer Hose verbunden wurde.

Ob Frauen die Bruoch trugen, ist ungeklärt. Änne Liebreich nimmt dies an, da auch Frauen Beinlinge an etwas befestigen mussten. Ingrid Loschek vermutet, die Bruoch sei nur im Frühmittelalter von Frauen getragen worden. Die Zisterzienser wurden dafür verspottet, dass sie keine Bruoch trugen.

Es ist keine Bruoch im Fundgut erhalten geblieben, weswegen der genaue Schnitt spekulativ bleibt.

Beschaffenheit

Die Bruoch wird in zeitgenössischen Abbildungen nahezu ausschließlich weiß oder naturfarben dargestellt, was in Zusammenhang mit anderen Quellen darauf hindeutet, dass sie meist aus Leinen oder anderen, regional verfügbaren Fasern gefertigt war (Hanf, eventuell auch weiße Wolle). Auch Leder konnte zum Einsatz kommen.

In Literatur und Kunst

In der christlichen Kunst werden häufig die beiden gekreuzigten Schächer in Bruoch dargestellt.

Auch in der mittelalterlichen Literatur fand die Bruoch vielfach Erwähnung, etwa in der Märe Die zurückgelassene Hose von Heinrich Kaufringer.

Name und Schreibweise

Allgemein wird angenommen, dass das Wort Bruoch von dem keltischen Wort brâca oder bracca abstammt. Karl Classen weist jedoch darauf hin, dass zahlreiche Begriffe für Kleidungsstücke (u. a. Kleid, Kittel und Schuh) in den germanischen Sprachen nicht aus dem Indogermanischen stammen, somit sei eine Entlehnung des keltischen Wortes aus dem Germanischen wahrscheinlicher als umgekehrt.

Die Schreibweise Brouche ist – im Gegensatz zu Bruoch – historisch nicht belegt und überdies etymologisch falsch. Der mittelhochdeutsche Diphthong -ou- entspricht einem neuhochdeutschen -au-. In all jenen Dialekten jedoch, in welchen der Begriff bis heute erhalten ist, wird er entweder mit dem Diphthong uo bzw. ue ausgesprochen oder mit langem u, was auf den (auch in der Überlieferung eindeutigen) mittelhochdeutschen -uo-Diphthong schließen lässt.

Das auch in der Variante Bruche, die in der Mittelalter- und Reenactment-Szene verbreitet ist, anzutreffende End-e entspricht ebenfalls nicht der historischen Wortform.

Siehe auch

Literatur

  • Bruch, f.. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 2: Biermörder–D – (II). S. Hirzel, Leipzig 1860 (woerterbuchnetz.de).
  • Gerhard Jaritz: Die Bruoch. In: Gertrud Blaschitz et al. (Hrsg.): Symbole des Alltags. Alltag der Symbole. Festschrift für Harry Kühnel zum 65. Geburtstag. Akad. Dr.- und Verlagsanstalt, Graz 1997, S. 395–461.
  • G. Wolter: Die Verpackung des männlichen Geschlechts. Marburg 1991.
Commons: Bruoch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 Ingrid Loschek, Gundula Wolter: Reclams Mode- und Kostümlexikon. 6. Auflage. Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-010818-5, S. 134.
  2. bruochgürtel. In: Mittelhochdeutsches Wörterbuch von Benecke, Müller, Zarncke. Wörterbuchnetz, abgerufen am 24. Dezember 2020.
  3. 1 2 3 Änne Liebreich: Kostümgeschichtliche Studien zur kölnischen Malerei des 14. Jahrhunderts. In: Jahrbuch für Kunstwissenschaft. 1928, ISSN 0863-582X, S. 65–104, JSTOR:24496127.
  4. Jan Keupp: Die Wahl des Gewandes. Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters. Thorbecke, Ostfildern 2014, ISBN 978-3-7995-4365-1, S. 92 (Digitalisat [PDF]).
  5. C. Enlart: Le costume, manuel d'archéologie francaise depuis les temps mérovingiens jusqu'à la renaissance. Band 3. Paris 1916, S. 40 (Digitalisat).
  6. Andrea Reichel: Wie nackt sind die Akte? Von himmlischen Hüllen und göttlichen Dessous. In: Kerstin Gernig (Hrsg.): Nacktheit. Ästhetische Inszenierungen im Kulturvergleich. Böhlau Verlag, 2002, ISBN 978-3-412-17401-9, S. 301–326, doi:10.7788/9783412330897-013 (vr-elibrary.de [abgerufen am 26. Dezember 2020]).
  7. Heinrich Kaufringer: Die zurückgelassene Hose. In: Paul Sappler (Hrsg.): Werke. Band 1. De Gruyter, 1972, ISBN 978-3-11-093301-7, S. 112115, doi:10.1515/9783110933017-015 (degruyter.com [abgerufen am 26. Dezember 2020]).
  8. Karl Classen: Die kulturgeschichtliche Bedeutung des Hafers, der Ziege und des Haushuhns. In: Indogermanische Forschungen. Band 49, Nr. 1, 1. Januar 1931, ISSN 0019-7262, S. 253–266, doi:10.1515/if-1931-0179 (degruyter.com [abgerufen am 26. Dezember 2020]).
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