Buridans Esel ist ein philosophisches Gleichnis, das auf den persischen Philosophen Al-Ghazālī (1058–1111) zurückzuführen ist. In seinem Hauptwerk Die Inkohärenz der Philosophen schreibt er:

„Wenn ein durstiger Mann auf zwei verschiedene Becher Wasser zugreifen kann, die für seine Zwecke in jeder Hinsicht gleich sind, müßte er verdursten, solange einer nicht schöner, leichter oder näher an seiner rechten Hand ist […].“

Das Buridansche Paradoxon beschreibt eine ähnliche Situation, die systemisch einen Deadlock darstellt:

„Ein Esel steht zwischen zwei gleich großen und gleich weit entfernten Heuhaufen. Er verhungert schließlich, weil er sich nicht entscheiden kann, welchen er zuerst fressen soll.“

In der Antike

Bereits Anaximander ging davon aus, dass die Erde aufgrund ihrer kosmischen Äquidistanz an ihrer Stelle verharren würde. Auch Platon lässt Sokrates auf diese Art und Weise erklären, weshalb die Erde bewegungslos sei.

Bei Buridan

Die Rolle in der Philosophie und die Rezeption von Buridans Esel ist auf mehreren Ebenen diffus, beginnend damit, dass ein Gleichnis mit einem Esel nicht in den Schriften von Johannes Buridan (14. Jahrhundert), nach dem es benannt ist, nachzuweisen ist.

Buridan fragt in seiner Diskussion der Nikomachischen Ethik des Aristoteles: „Wäre der Wille, vor zwei vollständig identische Alternativen gestellt, in der Lage, eine Alternative der anderen vorzuziehen?“ Buridan beantwortet diese Frage negativ und erhärtet seine Position am Beispiel eines Wanderers an einer Weggabelung und eines in Seenot geratenen Seglers, der entscheiden muss, ob er seine Ladung aufgibt. Man geht heute davon aus, dass Buridans Gegner das obige Gleichnis vom Esel geprägt haben, um diese Position als absurd dastehen zu lassen.

Eine analoge Textstelle findet sich jedoch in Buridans Kommentar zu Über den Himmel (Peri Uranu, ebenfalls von Aristoteles), wo Buridan von einem Hund schreibt, der sich nicht zwischen zwei Nahrungsquellen entscheiden kann. Wiederum verwirrenderweise geht es in diesem Originaltext von Aristoteles um „ein[en] Strang Haare, der unter starkem Zug von beiden Seiten nicht zerreißt, und [um] ein[en] Mann, der zwischen Essen und Trinken stehend verenden muss, weil er genau gleichermaßen hungrig und durstig ist.“

Literatur

Einzelnachweise

  1. Al-Ghazālī: Tahafut Al-Falasifah/Incoherence of the Philosophers. Übersetzt von Sabih Ahmad Kamali, 2. Auflage, Lahore 1963, S. 25 f. (PDF; 13,9 MB).
  2. Rescher: Choice without preference. S. 144.
  3. Tyler: The Quiescent Ass and the Dumbstruck Wolf. S. 13.
  4. Rescher: Choice without Preference. S. 153.
  5. Übersetzt nach Rescher: Choice without preference. S. 154. Dort: „Would the will, having been put between two opposites, with all being wholly alike on both sides, be able to determine itself rather to one opposed alternative than to the other?“
  6. Rescher: Choice without Preference. S. 155.
  7. Rescher: Choice without Preference. S. 154.
  8. Frei nach Aristoteles: De Caelo/On the Heavens. Trans. W. K. C. Guthrie, Heinemann, London 1938, 2:13:295b (S. 237). Dort: „the hair which, stretched strongly but evenly at every point, will not break, or the man who is violently, but equally, hungry and thirsty, and stands at an equal distance from food and drink, and who therefore must remain where he is.“
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