Die Casa de Contratación (spanisch vollständig Casa y Audiencia de Indias) wurde im Jahr 1503 auf Betreiben des Erzbischofs von Burgos und einflussreichen Ratgebers Ferdinands II., Juan Rodríguez de Fonseca, als eine vollziehende königliche Behörde zur Leitung aller spanischen Entdeckungs- und Eroberungsexpeditionen in die Neue Welt gegründet, die in Spanien bis ins 19. Jahrhundert Las Indias („die Indien“) genannt wurde. Gleichzeitig wurde sie zur Überwachung des kastilischen Handelsmonopols mit den spanischen Kolonien am 20. Januar 1503 in Sevilla geschaffen. Der Handel mit den amerikanischen Kolonien war lange Zeit den Bürgern Kastiliens vorbehalten, während die Bewohner der anderen spanischen Monarchie, Aragón, auf die italienischen und nordafrikanischen Kolonien verwiesen wurden.
Die Casa de Contratación war dem Indienrat (Consejo Real y Supremo de Indias) unterstellt. Dem Indienrat unterstand das strategische Management und die Planung der Expansions- und Kolonialpolitik. Unabhängig von den Cortes besaß der Indienrat die Gesetzgebungsbefugnis für die Kolonien.
Die Dokumente dieser Behörde können noch heute im Archivo General de Indias (Generalarchiv für die Kolonien Spaniens in Übersee) besichtigt werden, das in der Casa Lonja de Mercaderes, der ehemaligen Börse von Sevilla, dem prunkvollsten Bauprojekt jener Zeit, untergebracht ist.
Funktionen
Steuerbehörde
Die Casa de Contratación sollte die kolonialen Steuern, also den königlichen „Fünften“ erheben. Dazu registrierte sie, wann welche Schiffe mit welchen Frachten zu welchem Ziel ausliefen oder woher sie einliefen und sie erfasste die lizenzierten Kapitäne. Sie stellte die Fracht- und Verladepapiere aus, inspizierte die Schiffe, stellte die Begleitboote bereit, setzte das spanische Handelsrecht durch und war für Auswanderungsangelegenheiten zuständig.
Auswanderungsbehörde
Theoretisch konnte kein Spanier in die Kolonien segeln ohne Erlaubnis der Casa de Contratación, doch Korruption und Schmuggel waren verbreitet. Auch hatte sie sich um die Vermögensverwaltung für in Amerika Verstorbene zu kümmern. Dank der akribischen Buchführung der Casa de Contratación, die jeden einzelnen Auswanderer registrierte, können heute 150.000 Personen namentlich benannt werden, die nach Amerika segelten, Soldaten und Seeleute nicht mitgezählt.
Edelmetallkontrolle
Nach der damals vorherrschenden Lehre der Bullionisten musste der Staat alles tun, um das Edelmetall im Land zu halten. Deshalb bekämpfte die kastilische Krone den Freihandel als Schmuggel, konzentrierte den gesamten Handel mit den amerikanischen Kolonien auf Cádiz und Sevilla, damit die Casa de Contratación möglichst auf jede Warenbewegung in beide Richtungen ihre Abgaben erheben konnte, und verweigerte den Kolonien Handel untereinander. Eine Freihandelspolitik, die alle spanischen Handelshäfen geöffnet hätte, hätte zum Verlust nahezu des gesamten Handels mit den spanischen Kolonien an die zahlreichen und dynamischeren französischen, holländischen und englischen Händler und Forscher geführt und das Fehlen von staatlichen Monopolen verursacht, was die spanische Monarchie ärmer gemacht hätte.
Versorgung der Kolonien
Daneben hatte die Casa de Contratación die Aufgabe der Versorgung der spanischen Kolonien. Sie unternahm aber nur wenig zur Erfüllung dieser Aufgabe.
Seefahrtsbehörde
Als spanisches Gegenstück zur portugiesischen Casa da Índia war sie gleichzeitig ein Navigationszentrum, in dem Kenntnisse über neue Reiserouten gesammelt wurden. In dieser Funktion ernannte die Casa de Contratación einen piloto mayor, eine Art Obersten Marinebeauftragten, dessen Aufgabe in der Sammlung nautischer Informationen über die Westindischen Inseln und Amerika bestand (erster piloto mayor war von 1508 bis 1512 Amerigo Vespucci, ihm folgten Juan Díaz de Solís und Sebastian Caboto).
Staatsbank
Die chronisch klamme spanische Krone verschuldete sich für ihre Kriegsabenteuer in kurzfristigen Schulden, asientos genannt. Diese wurden auf dem Höhepunkt der ersten Finanzkrise in Rentenpapiere, die so genannten juros al quitar, getauscht. Um auf dem Kapitalmarkt überhaupt noch Rentenpapiere platzieren zu können, reservierte die Krone zeitweilig alle Einkünfte zur Tilgung der Staatsschulden. Um ihre Verpflichtungen (3,8 Mio. Dukaten jährlich) bedienen zu können, durfte die Casa de Contratación die Einnahmen aus dem Edelmetallbergbau, aus dem Verkauf von Sklaven und dem Export von Waren zur Tilgung verwenden. Die Casa de Contratación nutzte ab der Mitte des 16. Jahrhunderts ihre Einnahmen, um den Inhabern der Staatsschuldenverschreibungen (juristas) unmittelbar ihre Zinsen zu begleichen und ein bestimmtes Volumen tilgbarer Renten zurückzukaufen, soweit die Umstände dies ermöglichten. Damit wuchs die Casa de Contratación in die Rolle einer Staatsbank. Durch den Rückgang der geförderten Edelmetallmengen und die enorme Steigerung der Staatsausgaben geriet die Casa de Contratación jedoch in den 1560er Jahren bald in Schwierigkeiten.
Am Ende des 17. Jahrhunderts fiel die Casa de Contratación praktisch in einen bürokratischen Stillstand und das spanische Reich fiel ab – anfangs wegen Spaniens Unfähigkeit, sowohl die Kriege auf dem Kontinent als auch das globale Weltreich zu finanzieren. In den meisten Fällen wurden die Vermögensgegenstände auf dem Weg von Neuspanien, Manila und Acapulco nach Spanien einem Gläubiger überschrieben, noch bevor das Schiff im spanischen Hafen angelegt hatte. Im Zuge der bourbonischen Verwaltungsreformen schaffte Karl III. die Casa de Contratación schließlich ab.
Literatur
- Ernst Schäfer: Der Königl. Spanische Oberste Indienrat. = Consejo Real y Supremo de las Indias. Teil 1: Geschichte und Organisation des Indienrats und der Casa de la Contratacion im sechzehnten Jahrhundert (= Ibero-Amerikanische Studien. 3, ZDB-ID 718280-6). Ibero-Amerikanisches Institut, Hamburg 1936.
- Walter A. McDougall: Let the Sea Make a Noise. Four Hundred Years of Cataclysm, Conquest, War and Folly in the North Pacific. Avon Books, New York NY 1994, ISBN 0-380-72467-7.
- Bernhard Siegert: Passagiere und Papiere. Schreibakte auf der Schwelle zwischen Spanien und Amerika. Wilhelm Fink, München/Paderborn 2006, ISBN 3-7705-4224-X.