Cell Broadcast, auch SMS-CB genannt, ist ein seit 1999 eingesetzter Mobilfunkdienst zum Versenden von Nachrichten ähnlich SMS-MT durch Rundsenden an alle Empfänger innerhalb einer Funkzelle. Anders als SMS-MT-Nachrichten, die nur an einen Empfänger gerichtet sind, wird eine Cell-Broadcast-Nachricht von der Basisstation an alle Mobiltelefone geschickt, die sich in dieser Funkzelle befinden und den Dienst aktiviert haben. Er ist durch das 3rd Generation Partnership Project (3GPP) standardisiert und ein Teil der 2G-, 3G-, 4G- und 5G-Standards. Durch seine Verankerung in den Standards, wenige externe Abhängigkeiten und den technisch einfachen Aufbau ist der Dienst relativ robust. Die aktuelle Generation von Cell-Broadcast-Systemen ist in der Lage, eine Nachricht an hunderttausende Funkzellen zu senden und somit innerhalb von Sekunden Millionen von Mobilfunkteilnehmern zu erreichen.

Die Nachrichten bestehen aus alphanumerischen Zeichen, einschließlich nicht lateinischer Alphabete. Somit können Weblinks angegeben werden, aber das Mitschicken von Grafiken ist nicht möglich. Mehrsprachlichkeit ist zwar möglich, aber durch die Nachrichtenlänge von 1395 Zeichen begrenzt. Eine Cell-Broadcast-Nachricht ist ein unbestätigter Push-Dienst, daher werden keine Mobiltelefonnummern benötigt. Dementsprechend weiß der Absender der Nachrichten nicht, wer sie empfangen hat.

Technische Umsetzung

Entwickelt wird Cell Broadcast vom GSM-Komitee der ETSI und 3GPP und ist Bestandteil der 2G-, 3G-, 4G- und 5G-Mobilfunkstandards (Spezifikation 3GPP TS 23.041).

Ein Cell Broadcast Center (CBC) ist verbunden mit einem:

  • BSC in GSM-Netzen (beschrieben im 3GPP-Standard TS 48.049)
  • RNC in UMTS-Netzen (beschrieben im 3GPP-Standard TS 25.419)
  • MME in LTE-Netzen (beschrieben im 3GPP-Standard TS 29.168)
  • AMF in 5G-Netzen (beschrieben im 3GPP-Standard TS 29.518)

Durch die verwendete Kodierung entsprechen die Übertragungen maximal 82 Byte oder 93 Zeichen, durch Aneinanderhängen von 15 Nachrichten erreicht man 1395 Zeichen. Zeichen können mit der UCS-2-Codierung (ähnlich UTF-16) dargestellt werden. Cell Broadcast ist von der Netzverkehrsbelastung nicht betroffen, da die Kommunikation unidirektional ist. Dies ist besonders während Katastrophen von Vorteil, wenn Lastspitzen dazu führen, dass das Mobilfunknetz signifikant verlangsamt wird und Daten (Social Media, Warn-Apps), SMS und Sprachanrufe (Massenanrufereignisse) nicht wie gewohnt funktionieren. Daher gibt es weltweit Warnsysteme, die Cell Broadcast als primären mobilen Alarmkanal nutzen.

Nutzungsgeschichte

Allgemein ist Kanal 50 in vielen Ländern bei verschiedensten Mobilfunkanbietern für die Ortsangabe in Gebrauch. In der Schweiz sendet die Swisscom auf Kanal 50 den Namen der Region oder der Stadt, in der man sich befindet. Größere Städte werden dabei meist in mehrere geografische Gebiete unterteilt (z. B. Zürich Airport, Zürich Nord-West, Zürich West usw.). Das Emergency Alert System (EAS), das 1997 eingeführte nationale Warnsystem der Vereinigten Staaten von Amerika, nutzt neben UKW, Terrestrischem Fernsehen, Satellitenfernsehen und Kabelfernsehen auch Cell Broadcast.

Nachdem in vielen Ländern der Europäischen Union die Sirenen abgebaut worden waren, ergab sich auch in der EU die Notwendigkeit, die Bevölkerung auf andere Weise zu warnen. Der Rat der Europäischen Union passte daher im Dezember 2018 die neue Richtlinie zum europäischen Kodex für elektronische Kommunikation (European Electronic Communications Code, EECC) an. Entsprechend dieser Richtlinie müssen alle EU-Mitgliedstaaten bis zum 21. Juni 2022 ein Warnsystem zum Zivilschutz einrichten. Neben EU-Alert, das technisch auf Cell-Broadcast aufsetzt, waren auch Alternativen zugelassen. Deutschland hatte zunächst eine Ausnahme von EU-Alert erwirkt und setzte auf elektronische Kommunikationsdienste wie Smartphone-Apps (NINA, Katwarn), die aber konzeptionelle Schwierigkeiten wie eine „Belastung der technischen Infrastruktur“ haben.

Nutzung in Deutschland

Mit Stand 2020 war in Deutschland die Funktion nicht bei allen Betreibern aktiviert, aber praktisch alle Handys und Smartphones unterstützen Cell Broadcast. Zeitweise gab es Kanäle mit verschiedenen Themen wie Nachrichten (ProSieben, Handelsblatt), Online-Angeboten (snap123 auf Kanal 123 im D2-Netz) und Wettervorhersagen. Da diese sich mehr und mehr zurückziehen, stehen bei vielen Anbietern nur noch Basisthemen zur Verfügung (Standortbestimmung, Tarifinformation). Da CB für den Benutzer kostenlos ist, wurden diese Dienste meist durch Sponsoren finanziert.

Nach dem von einer schwerwiegenden technischen Panne überschatteten Bundesweiten Warntag am 10. September 2020 kamen zunehmend Forderungen auf, den Cell Broadcast-Dienst auch in Deutschland zur Warnung der Bevölkerung einzusetzen. Die Forderungen verstärkten sich nach dem Hochwasser in West- und Mitteleuropa 2021. Die Bundesregierung beschloss die Einführung im August 2021. Bundestag und Bundesrat stimmten der hierfür nötigen Änderung des Telekommunikationsgesetzes in der Folge zu. Mit der Zustimmung des Bundesrats zur Einführung der Mobilfunk-Warn-Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie am 26. November 2021 sollte der Dienst Ende 2022 nutzbar sein. Bundesweit verfügbar ist er seit dem 23. Februar 2023.

Beim zweiten Bundesweiten Warntag am 8. Dezember 2022 wurde in Deutschland erstmals Cell Broadcast als Warnmittel getestet. Die Nachricht sollte alle Mobilfunkgeräte erreichen, die mit Cell Broadcast kompatibel sind und Empfang haben.

Warnsysteme in anderen Ländern

In Südkorea wird über Cell Broadcast Stand Dezember 2022 täglich die aktuelle Zahl der Corona-Fälle in der Stadt bzw. Region, in der man sich gerade befindet, mitgeteilt. Zusätzlich gibt es fast täglich regionale Meldungen bspw. zu Sperrungen von U-Bahn-Linien oder von Kälte im Winter, inkl. Verhaltensempfehlungen.

Beispiele für Warnsysteme, die Cell Broadcast als primären mobilen Alarmkanal nutzen:

Die Schweiz hat hat im Juni 2023 ebenfalls entschieden, Cell Broadcast zur Alarmierung der Bevölkerung einsetzen zu wollen.

Hörfunk-Beiträge

Literatur

  • Martin Stößlein: Anspruchsgruppenkommunikation: Wertorientierte Gestaltungsmöglichkeiten mit wissensbasierten Stakeholder-Informations-Systemen. Springer, 2007, ISBN 978-3-8350-9289-1, S. 49 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Michael Decker: Modellierung ortsabhängiger Zugriffskontrolle für mobile Geschäftsprozesse. KIT Scientific Publishing, 2011, ISBN 978-3-86644-732-5, S. 64 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Mahmoud Al-Dalahmeh, u. a.: The Viability of Mobile Services (SMS and Cell Broadcast) in Emergency Management Solutions: An Exploratory Study. In: International Journal of Interactive Mobile Technologies (iJIM). Vol. 12, Nr. 1, Januar 2018, ISSN 1865-7923, S. 95–115, doi:10.3991/ijim.v12i1.7677 (englisch).
Commons: Cell Broadcast – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. DaFu – Datenfunk in Deutschland (Cellbroadcast). (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original; abgerufen am 10. September 2020.
  2. 3GPP Organizational Partners (ARIB, ATIS, CCSA, ETSI, TSDSI, TTA, TTC): Technical realization of Cell Broadcast Service (CBS). September 2020, abgerufen am 17. Oktober 2020 (englisch).
  3. 1 2 Beleving NL-Alert bij burgers. 2. Juli 2020, abgerufen am 20. Oktober 2020 (niederländisch).
  4. Mobile Network Public Warning Systems and the Rise of Cell-Broadcast. (PDF) GSMA, Januar 2013, abgerufen am 16. Oktober 2020 (englisch).
  5. Marion Choppin: GeoSafe. Intersec, abgerufen am 17. Oktober 2020 (britisches Englisch).
  6. Unvollständige Liste von Cell Broadcast Standortmeldungen der Swisscom auf Kanal 50. Abgerufen am 22. Juli 2021.
  7. Richtlinie (EU) 2018/1972 des europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018
  8. Lars Wienand: Deutschland macht beim Handy-Alarm für alle nicht mit. t-online.de, 29. März 2020, abgerufen am 24. November 2020.
  9. Richtlinie (EU) 2018/1972 des europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018, abgerufen am 24. November 2020 Artikel 110:
    „(1) Die Mitgliedstaaten stellen bis zum 21. Juni 2022 sicher, dass dort, wo öffentliche Systeme vorhanden sind, die vor drohenden oder sich ausbreitenden größeren Notfällen und Katastrophen warnen, die Anbieter von mobilen nummerngebundenen interpersonellen Kommunikationsdiensten den Endnutzern öffentliche Warnungen übermitteln. (2) Ungeachtet des Absatzes 1 können die Mitgliedstaaten festlegen, dass öffentliche Warnungen über öffentlich zugängliche elektronische Kommunikationsdienste, bei denen es sich weder um die in Absatz 1 genannten Dienste noch um Rundfunkdienste handelt, oder über eine über einen Internetzugangsdienst verfügbare mobile Anwendung übertragen werden, sofern die Effektivität des öffentlichen Warnsystems in Bezug auf Abdeckung und Kapazität zur Erreichbarkeit der Endnutzer, auch derjenigen, die sich nur zeitweilig in dem betreffenden Gebiet aufhalten, gleichwertig ist; dabei tragen sie den GEREK-Leitlinien weitest möglich Rechnung. Öffentliche Warnungen müssen von den Endnutzern leicht empfangen werden können. […]“
  10. Probealarm mit Haken. In: Tagesschau.de. 10. September 2020 (tagesschau.de [abgerufen am 10. September 2020]).
  11. BBK on Twitter. In: Twitter. 11. September 2018 (twitter.com [abgerufen am 12. September 2018]).
  12. CellBroadcast. In: Android wiki. Android/Google, abgerufen am 17. Oktober 2020.
  13. About emergency and government alerts on iPhone and Apple Watch. Apple Inc., 14. August 2019, abgerufen am 17. Oktober 2020 (englisch).
  14. Urs Mansmann: App-Desaster am Warntag: Warum die Handys stumm blieben. In: heise online. 19. Oktober 2020, abgerufen am 28. November 2021: „Eine lastfeste Alternative zu einer App-Lösung wären Cell Broadcasts, wie sie in anderen EU-Ländern eingesetzt werden, etwa den Niederlanden oder Rumänien.“
  15. Sascha Lobo: Die bürokratische Verhöhnung des 21. Jahrhunderts. In: spiegel.de, 21. Juli 2021.
  16. heise online: Cell Broadcast: Bundesregierung bringt TKG-Änderung auf den Weg. Abgerufen am 18. August 2021.
  17. Bundesrat stimmt für Handy-Warnung im Katastrophenfall. Zeit Online, 26. November 2021, abgerufen am 26. November 2021.
  18. Handy-Warnsystem "Cell Broadcast" startet heute bundesweit. Saarländischer Rundfunk, 23. Februar 2023.
  19. Cell Broadcast: Netzbetreiber werden Kunden per SMS auf Warnsystem hinweisen. In: heise online. 10. November 2022, abgerufen am 13. November 2022: „Bei den Smartphones wird das Warnsystem beim iPhone von Apple mit den Betriebssystem-Versionen iOS 16, 15.7.1 und 15.6.1. [sic!] Geräte mit dem Google-Betriebssystem Android sind ab Version 11 kompatibel.“
  20. Bundesweiter Warntag am 8. Dezember 2022. (PDF) Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, 19. Juli 2022.
  21. Lithuania Public Warning and Information System. Archiviert vom Original am 27. August 2019; abgerufen am 27. August 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  22. Testare RO-ALERT, INSPECTORATUL PENTRU SITUAȚII DE URGENȚĂ „DEALUL SPIRII” BUCUREȘTI-ILFOV
  23. UK EU-Alert-System aktiv 2021.
  24. Italien EU-Alert-System aktiv 2020.
  25. FR-Alert : le nouveau dispositif d'alerte à la population française.
  26. Taiwan Public Warning Cell Broadcast Service. Archiviert vom Original am 11. September 2020; abgerufen am 27. August 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  27. Peruanisches öffentliches Warnsystem SISMATE.
  28. 21.4152 | Cell Broadcast. Gezielte Warnung bei Naturkatastrophen. In: Die Bundesversammlung — Das Schweizer Parlament. Abgerufen am 11. Juli 2023.
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