Mehmet Cemal Azmi Bey (* 1868 in Arapkir, Osmanisches Reich; † 17. April 1922 in Berlin) war ein osmanischer Politiker und Wali (Gouverneur) der Provinz Trabzon während des Ersten Weltkrieges und der letzten Jahre des Osmanischen Reiches. Er war einer der Hauptverantwortlichen für den Völkermord an den Armeniern in der Provinz Trabzon. Bekannt war er als „Der Schlächter von Trabzon“ (türkisch Trabzon Celladı – „Henker von Trabzon“).

Herkunft

Cemal Azmi wurde im Jahre 1868 in Arapkir im damaligen Osmanischen Reich geboren. Sein Vater war Osman Nuri Bey, der Name seiner Mutter war Gülsüm. Im Jahre 1891 studierte er an der Mülkiye Mektep.

Völkermord an den Armeniern

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurde Azmi am 7. Juli 1914 zum Gouverneur von Trabzon ernannt. Während des Völkermordes ab 1915 begingen Azmis Anhänger und Truppen zunächst außerhalb der Stadt Trabzon Massaker. Er war vor allem für seine Gewaltanwendung gegen Kinder bekannt. Azmi ordnete in Zusammenarbeit mit dem Mitglied des Zentralkomitees der Ittihadisten, Yenibahceli Nail, die Ertränkung von mehreren Tausend Frauen und Kindern im Schwarzen Meer an.

Oscar S. Heizer, der US-Konsul in Trabzon 1915, berichtet: „Dieser Plan passte Nail Bey nicht... Viele der Kinder wurden auf Boote geladen, aufs Meer verschifft und über Bord geworfen“. Der italienische Konsul von Trabzon, Giacomo Gorrini, schreibt: „Ich sah Tausende unschuldiger Frauen und Kinder auf Booten, die im Schwarzen Meer umgekippt wurden“. Auch die späteren Trabzoner Gerichtsverhandlungen berichteten von Armeniern, die im Meer ertränkt wurden.

Azmi war für das Verschleppen von Mädchen unter 15 Jahren und Buben unter 10 Jahren aus Waisenhäusern verantwortlich, welche an muslimische Haushalte verschenkt wurden. Azmis Sohn zitierte seinen Vater vor dessen Tod: „Unter den schönsten armenischen Mädchen im Alter von zehn bis 13 Jahren wählte ich mir einige aus und schenkte sie meinem Sohn [der damals 14 Jahre alt war]; die anderen ließ ich im Meer ertränken.“

Raub armenischen Vermögens

Gegen Ende der Massaker eignete sich die Familie Azmi durch Beschlagnahmung von armenischem Eigentum und Vermögen bedeutenden Wohlstand an. Arusiag Kilijian, ein 18 Jahre alter Waise, der von Azmis Familie als Sklave gehalten wurde, berichtete, dass Azmis Haushalt gefüllt war mit „gestohlenen Gütern, Teppichen und so weiter“.

Während des Kreuzverhörs von Nuri Bey zur 9. Sitzung der Verhandlungen in Trabzon wurde am 10. April 1919 berichtet, dass Agent Mustafa, der Kommandeur des Seehafens von Trabzon „eine zu Vartivar Muradian gehörige Box entwendet hat“ und von Cemal Azmi als Austausch „fünfhundert Pfund Gold sowie Juwelen“ erhielt.

Kriegsgerichte 1919–1920 und Trabzon-Prozesse

Während der türkischen Militärgerichte von 1919–1920 hielt der osmanische Politiker Çürüksulu Mahmud Pascha am 2. Dezember 1919 eine Rede im osmanischen Senat, wo er Cemal Azmi öffentlich der Massaker in Trabzon und der folgenden Ertränkung Tausender Frauen und Kinder bezichtigte.

Am 11. Dezember 1918 hielt der Vizegouverneur Trabzons, Hafiz Mehmet, eine Rede in der Abgeordnetenkammer, und sagte darin:

„Gott wird uns für das, was wir taten, bestrafen ... die Angelegenheit ist zu offensichtlich, um geleugnet zu werden. Ich erlebte diese Armenier-Ereignisse in der Hafenstadt Ordu persönlich mit. Unter dem Vorwand, sie nach Samsun zu schicken, eine weitere Hafenstadt am Schwarzen Meer, lud der Bezirksgouverneur die Armenier in Lastkähne und warf sie über Bord. Ich hörte, dass der Generalgouverneur diese Prozedur in der ganzen Provinz billigte. Obwohl ich dies dem Innenministerium direkt nach meiner Rückkehr in Konstantinopel berichtete ... war ich nicht dazu fähig, irgendeine Aktion gegen die Letzteren einzuleiten; Ich versuchte für etwa drei Jahre, solche Maßnahmen geregelt zu bekommen, aber vergeblich.“

Während der 14. Sitzung der Trabzoner Prozesse am 26. April 1919 erklärte der Gouverneur von Giresun, Arif Bey, dass Azmi ihm befohlen hatte, „die Armenier über den Weg des Schwarzen Meeres nach Mosul zu deportieren“, was bedeutete, sie zu ertränken.

Am 22. Mai 1919 wurde Cemal Azmi in Abwesenheit wegen Mordes und „erzwungener Umsiedlung“ zum Tode verurteilt. Die Todesstrafe wurde nicht vollzogen. Cemal Azmi kam frei und floh in der Folge nach Berlin.

Ermordung

Am 17. April 1922 wurde Cemal Azmi, zusammen mit Bahaddin Şakir, in der Uhlandstraße in Berlin-Charlottenburg wegen seiner führenden Rolle im Völkermord von Arschawir Schiragjan als Teil der Operation Nemesis ermordet. Sein Grab befindet sich auf dem türkischen Friedhof in Berlin-Neukölln. Ein alter, inzwischen entfernter Grabstein weist sein Geburtsjahr mit 1876 aus, während auf dem neuen 1866 steht. Die 2011 komplett neu in weißem Marmor gestaltete Grabstätte stellt Cemal Azmi als ein Opfer “armenischer Terroristen” dar. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei ihm um einen durch ein Kriegsgericht des Osmanischen Reiches zum Tode verurteilten Massenmörder handelt, der sich der Strafe durch Flucht entzog, gilt diese Art der Täterverehrung für viele Nachkommen der armenischen Hinterbliebenen als moralisch fragwürdig.

Im Jahre 2003 wurde in Trabzon sogar eine Grundschule nach Cemal Azmi benannt.

Einzelnachweise

  1. Omer Bartov, Phyllis Mack: In God’s Name: Genocide and religion in the twentieth century. Berghahn Books, New York 2001, ISBN 978-1-57181-214-8 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. 1 2 Raymond Haroutioun Kévorkian: The Armenian Genocide: A complete history. I. B. Tauris, London 2010, ISBN 978-1-84885-561-8, S. 468 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche Azmi was to be one of the main architects of the liquidation of his vilayet’s Armenian population.).
  3. Huberta Lean von Voss: Portraits of Hope: Armenians in the contemporary world. 1st English ed. Berghahn Books, New York 2007, ISBN 978-1-84545-257-5, S. 296 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 15. Februar 2013] Avengers Arshavir Shirakian (1900–73) and Aram Yerkanian (1898–1934) executed Cemal Azmi, who, as the former governor general of Trebzon was the ‘butcher’ of the province.).
  4. Jacques Derogy: Resistance and Revenge: The Armenian assassination of Turkish leaders responsible for the 1915 massacres and deportations. Transaction Publishers, 1990, ISBN 1-4128-3316-7, S. 74 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 15. Februar 2013] Oriental carpet shop that was opened in the town center by the butcher of Trebizond, Jemal Azmi.).
  5. Jemal Azmi known as ‘the Butcher of Trabzon’, was assassinated on 14 April 1922. In: The Armenian Review. Band 42, 1990, S. 44.
  6. Suçluya Saygi: Mehmet Cemal Azmi Bey. Soykirima Karsi Uluslarasi Analyis Dernegi, abgerufen am 1. Juli 2013 (türkisch): „Ermeni çocuklarına uyguladığı vahşet nedeniyle ‘Trabzon Celladı’ diye de anılmaktadır.“
  7. 1 2 Gérard Chaliand: The History of Terrorism from Antiquity to al Qaeda. Nachdruck Auflage. University of California Press, Berkeley, Calif. u. a. 2010, ISBN 978-0-520-24709-3, S. 195 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche One of the organizers of the genocide, and Jemal Azmi, “the butcher of Trebizond.”).
  8. 1 2 3 4 Suçluya saygi: Mehmet Cemal Azmi Bey. Soykirima Karsi Uluslarasi Analyis Dernegi, abgerufen am 14. Februar 2013 (türkisch).
  9. 1 2 Cemal Azmi Bey Kimdir? Cemal Azmi Bey İlköğretim Okulu, abgerufen am 14. Februar 2013 (türkisch).
  10. April 11, 1919 report. U.S. National Archives. R.G. 59. 867. 4016/411.
  11. Toronto Globe, 26. August 1915.
  12. Takvimi Vekdyi, No. 3616, 6. August 1919, S. 2.
  13. Christian Gerlach: Extremely Violent Societies: Mass Violence in the Twentieth-Century World. Cambridge University Press, 2010, ISBN 978-1-139-49351-2, S. 110 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  14. Suçluya saygi: Mehmet Cemal Azmi Bey. STCG, abgerufen am 14. Februar 2013 (türkisch): „Ölümünden önce, Türk kimliği altında kendi oğluyla arkadaş olan genç bir Ermeniye övünerek şunları anlattığı bilinmektedir: "En güzel Ermeni kızlarından 10 ila 13 yaş arası olanları kendime ayırdım ve o zaman 14 yaşında olan oğluma hediye ettim. Diğerlerini denizde boğdurdum."“
  15. Basbakanlık Cumhuriyet Arsivi, 30.18.1.1/25.38.4, Datei 137-78, No. 5331, Dekret 15. Juni 1927.
  16. Report by Arusiag Kilijian at the third session of the trial of Trebizond, 1 April 1919: APC/APJ, PCI Bureau, doc. no. 34, 769–70.
  17. Examination of Nuri Bey, at the ninth session of the trial of Trebizond, 10 April 1919: Nor Giank, no. 166, 11 April 1919; La Renaissance, no. 112, 11. April 1919.
  18. Meclisi Âyan Zabit Ceridesi 3. Legislaturperiode, 5. Session, 13. Sitzung, vol. I, S. 148, 2. Dezember 18 issue.
  19. Meclisi Mebusan Zabit Ceridesi 3. Legislaturperiode, 5. Session, 24. Sitzung, S. 299, 1. Dezember 1918 issue.
  20. Report by Arif Bey at the 14th session of the trial of Trebizond, 26. April 1919: La Renaissance, no. 125, 27. April 1919; Nor Giank, Nr. 179, 27. April 1919.
  21. Verdict of the trial of Trebizond, 8. Juli 1919: Takvim-ı Vakayi, no. 3616, du 6. August 1919, S. 50–2.
  22. Täterverehrung: Mehmet Cemal Azmi Bey auf Arbeitsgruppe Anerkennung.org. Abgerufen am 5. Juni 2013.
  23. 1 2 Two ‘Young Turks’ Murdered in Berlin. (PDF) In: The New York Times. 19. April 1922, abgerufen am 25. Mai 2013.
  24. Marcel Leubecher: Armenier-Genozid: Grab für Mörder in Sehitlik-Moschee. In: DIE WELT. 20. April 2015 (welt.de [abgerufen am 30. November 2017]).
  25. OKULUMUZUN TARİHÇESİ. Kuzguncuk Cemal Azmi Bey İlköğretim Okulu, abgerufen am 14. Februar 2013 (türkisch).
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