Strukturformel
Allgemeines
Name Chlorcyan
Andere Namen
  • Cyanchlorid
  • Cyanogenchlorid
Summenformel ClCN
Kurzbeschreibung

farbloses, zu Tränen reizendes Gas

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 506-77-4
EG-Nummer 208-052-8
ECHA-InfoCard 100.007.321
PubChem 10477
Wikidata Q415075
Eigenschaften
Molare Masse 61,47 g·mol−1
Aggregatzustand

gasförmig

Dichte

1,218 g·cm−3 (4 °C)

Schmelzpunkt

−6,9 °C

Siedepunkt

12,9 °C

Dampfdruck
  • 134 kPa (20 °C)
  • 190 kPa (30 °C)
  • 360 kPa (50 °C)
Löslichkeit

löslich in Ethanol und Diethylether

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung

Gefahr

H- und P-Sätze H: 280330314
EUH: 071
P: 260280303+361+353+315304+340+315305+351+338+315403405
MAK

Schweiz: 0,3 ml·m−3 bzw. 0,8 mg·m−3

Toxikologische Daten

10 mg·min·m−3 (TCLo, Mensch, inh.)

Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0

138,0 kJ/mol

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Chlorcyan, auch Cyanchlorid genannt, ist ein chemischer Stoff, der auch als chemischer Kampfstoff verwendet wird. Systematisch handelt es sich bei Chlorcyan um das Nitril der nicht beständigen Chlorameisensäure.

Gewinnung und Darstellung

Chlorcyan kann durch Reaktion von Kaliumtetracyanozinkat(II) oder Natriumcyanid mit Chlor gewonnen werden.

Eigenschaften

Chlorcyan bildet ein farbloses Gas. Die Verbindung schmilzt bei −6,9 °C und siedet unter Normaldruck bei 12,9 °C. Der Tripelpunkt liegt bei −6,9 °C und 0,449 bar. Die Dampfdruckfunktion ergibt sich nach Antoine entsprechend log10(P) = A−(B/(T+C)) (P in bar, T in K) mit A = 4,66177, B = 1074,1 und C = −54.458 im Temperaturbereich von 196 bis 286 K. Die mittlere molare Verdampfungsenthalpie liegt in diesem Temperaturbereich bis 32,2 kJ·mol−1. Der kritische Punkt liegt bei einer Temperatur von 175 °C, einem Druck von 59,92 bar und einer Dichte von 0,273 g·cm−3. Die Verbindung ist in Ethanol, Benzin, Ether und chlorierten Lösungsmitteln sehr gut löslich. Bei Kontakt mit Wasser oder Natronlauge wird das Molekül schnell hydrolysiert.

Die Umsetzung mit Ammoniak ergibt Cyanamid.

In Gegenwart von Spuren von Salzsäure oder Ammoniumchlorid kann eine heftige und stark exotherme Trimerisierung zum 2,4,6-Trichlor-1,3,5-triazin erfolgen. Als Nebenprodukt entsteht hierbei auch ein Tetrameres als 2,4-Dichlor-6-isocyanodichlor-s-triazin.

Verwendung

Im Ersten Weltkrieg wurde Chlorcyan mit Blausäure gemischt, um die tödliche Wirkung zu erhöhen. Im Gegensatz zur Blausäure wirkt Chlorcyan langsamer, da sich das Cyanidion langsamer freisetzt. Erstmals eingesetzt wurde Chlorcyan 1916 von der Entente. Die wichtigste technische Verwendung ist die kontrollierte Umsetzung zu 2,4,6-Trichlor-1,3,5-triazin, einem Ausgangsstoff für die Herstellung von Wirkstoffen mit herbizider Wirkung.

Chlorcyan oder Bromcyan werden in der organischen Chemie als Reagenzien für Cyanierungen und der Synthese von Heterocyclen verwendet. So kann unter Friedel-Crafts-Bedingungen an Aromaten eine Cyanogruppe direkt eingeführt werden. An Alkene und Alkine erfolgt unter Säurekatalyse eine direkte Addition. Mittels beider Verbindungen kann eine C-terminale Schutzgruppe von gentechnisch hergestelltem Insulin-Fusionsprotein entfernt und dadurch korrekt gefaltetes Insulin erhalten werden. Die Umsetzung mit Schwefeltrioxid ergibt das hochreaktive Chlorsulfonylisocyanat.

Schutzmaßnahmen

Chlorcyan kann mit Basen wie Alkalihydroxiden, Ammoniak, Aminen und Pyridin neutralisiert werden. Gasmaskenfilter werden mit cyclischen Aminen imprägniert, um der „maskenbrechenden“ Wirkung des Chlorcyans entgegenzuwirken.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1 2 Eintrag zu Chlorcyan. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 15. Juli 2014.
  2. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Eintrag zu Chlorcyan in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 8. Januar 2021. (JavaScript erforderlich)
  3. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte (Suche nach 506-77-4 bzw. Chlorcyan), abgerufen am 2. November 2015.
  4. Eintrag zu Cyanogen chloride in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  5. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-19.
  6. Georg Brauer, unter Mitarbeit von Marianne Baudler u. a. (Hrsg.): Handbuch der Präparativen Anorganischen Chemie. 3., umgearbeitete Auflage. Band 1. Ferdinand Enke, Stuttgart 1975, ISBN 3-432-02328-6, S. 630.
  7. 1 2 Stull, D.R.: Vapor Pressure of Pure Substances. Organic and Inorganic Compounds in Ind. Eng. Chem. 39 (1947) 517–540, doi:10.1021/ie50448a022
  8. Latscha, H.P.; Kazmaier, U.; Klein, H.A.: Organische Chemie - Chemie-Basiswissen II, 6. Auflage Springer-Verlag 2008, ISBN 978-3-540-77106-7, S. 309.
  9. P.G. Urben; M.J. Pitt: Bretherick's Handbook of Reactive Chemical Hazards. 8. Edition, Vol. 1, Butterworth/Heinemann 2017, ISBN 978-0-08-100971-0, S. 87.
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  18. Patent EP0294613B1: Verfahren und Anlage zur kontinuierlichen Herstellung von Chlorsulfonylisocyanat. Angemeldet am 13. Mai 1988, veröffentlicht am 27. März 1991, Anmelder: Hoechst Aktiengesellschaft, Erfinder: Hermann Niermann et al.
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