Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth (* 29. Dezember 1671 in Bayreuth; † 4. September 1727 in Pretzsch (Elbe)) war Kurfürstin von Sachsen und ab 1697 Titularkönigin von Polen.
Verhandlungen Dresden-Bayreuth
Ab 1690 führte der sächsische Kurfürst Johann Georg III. Verhandlungen mit den Eltern der brandenburgischen Prinzessin Christiane Eberhardine wegen einer Heirat seines zweiten Sohnes Friedrich August. Die Prinzessin stammte aus einer Seitenlinie der Hohenzollern und war über Magdalena Sibylle von Brandenburg-Bayreuth, die Mutter Johann Georgs III., mit den Wettinern verwandt. Als Schwester des Markgrafen Erdmann August von Brandenburg-Bayreuth, des Großvaters der Braut, war diese gleichzeitig Großmutter des Bräutigams. Die Brautleute waren somit Cousin und Cousine 2. Grades. Der sächsische Kurfürst und später dessen Nachfolger Johann Georg IV., der ältere Bruder des Bräutigams, wünschten eine Stärkung der Position Sachsens und suchten Verbündete, um die Bande zwischen den Wettinern und Hohenzollern zu festigen.
Der Brautvater, der regierende Markgraf Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth, zögerte eine Antwort hinaus, weil er und insbesondere die Mutter der Prinzessin, Sophie Luise von Württemberg, Vorbehalte gegen den Bewerber hatten. Mit dem fragwürdigen Ruf eines flatterhaften Lebemanns war Friedrich August kein allzu würdiger Bewerber. Seine vier Briefe blieben unbeantwortet. Erst als die Verhandlungen der Eltern mit zwei für sie attraktiveren Kandidaten scheiterten, hatte der Wettiner eine Chance. Der Wunsch nach einer standesgemäßen Versorgung der inzwischen 21-jährigen Tochter – im für damalige Vorstellungen fortgeschrittenen Alter – gewann die Oberhand: Am 27. November 1692 erklärte Markgraf Christian Ernst schließlich sein Einverständnis zum Ehebündnis.
Hochzeit in Bayreuth und kurze Zeit in Dresden
Die Trauung des Paares fand am 20. Januar 1693 in Bayreuth, der Heimatstadt der Braut statt. Über die vier Wochen dauernden Festlichkeiten wurde wenig berichtet. Ein Libretto (Operntextbuch) von Antonio di Nepita in der Landesbibliothek Dresden gehört zu den raren Erinnerungsstücken. Es zeigt, dass sich am Brandenburgisch-Bayreuthischen Hof der Braut die Italienische Oper und das Französische Ballett etabliert hatten: Zu den drei italienisch gesungenen Akten wurden Prolog und Zwischenballette gegeben.
Nach den Festlichkeiten reisten die Jungvermählten nach Dresden. Wenige Wochen später nahm Friedrich August zusammen mit seinem Bruder an einem Waffengang gegen Ratzeburg teil, seine Frau blieb alleine zurück. Kurz nach seiner Rückkehr zog es ihn in der Fastenzeit zum Karneval nach Venedig, welche Reise er nach Rom und Neapel ausdehnte, das sprach nicht für seine Treue. Am 11. Februar 1694 schrieb die einsame und unglückliche Christiane Eberhardine von ihrer Hoffnung auf ein glücklicheres Eheleben und ihrer Sorge um seine Gesundheit an ihre Mutter einen Brief, in dem ihre Verliebtheit zu ihrem Gemahl zu spüren ist:
- „Der Hertzog würd stüntlich erwartet und verlanget mich gar ser, ihm wider hir zu wißen. Er ist alle zeit gesunt geweßen. Die lustparkeiten aber zu Venisse sollen gar Schlegt geweßen seyn, als glaube, es würd ihm wohl gereuen diese reise gethan zu haben, welche ich wünsche, so verbleibt er ein anter mahl bey mir.“
Nachdem sein älterer, regierender Bruder an den Pocken verstorben war, folgte ihm Friedrich August auf den Thron. Im vierten Ehejahr gebar Christiane Eberhardine am 17. Oktober 1696 in Dresden den Kurprinzen Friedrich August. Anlässlich dieser Geburt des Thronfolgers schenkte ihr der Kurfürst das Schloss Pretzsch an der Elbe. Im selben Monat gebar die Mätresse Augusts Aurora von Königsmarck ebenfalls einen Sohn. Christiane Eberhardine, die ihre dynastische Pflicht erfüllt hatte, zog sich bald vom Hofleben in ihr Schloss nach Pretzsch zurück.
Karriere und Glaubenswechsel des Ehemanns
Friedrich August kämpfte bald darauf um die polnische Krone und konvertierte am 2. Juni 1697 zum Katholizismus, wonach er schließlich als polnischer König im September 1697 gekrönt wurde. Die Gemahlin Christiane Eberhardine konvertierte nicht und betrat niemals polnischen Boden. Wegen ihres Widerstandes gegen die Pläne ihres Ehemanns, des Kurfürsten und polnischen Königs, wurden die mütterlichen Obhutsrechte über ihren Sohn, den Erbprinzen, beschnitten. Die Erziehung des jungen Thronfolgers wurde damit ihrer Schwiegermutter Anna Sophie anvertraut, die sich dann ebenfalls vergeblich um eine Bestärkung des Enkels im evangelischen Glauben bemühte. Mit ihr verstand sich Christiane Eberhardine gut. Die Schwiegermutter lebte, gemeinsam mit ihrer Schwester Wilhelmine Ernestine von der Pfalz, nur einige Kilometer elbeaufwärts auf Schloss Lichtenburg.
Die räumliche Trennung vertiefte die eheliche Entfremdung zum Kurfürsten und führte zu einer Kluft zum einzigen Sohn. Dessen Übertritt zum Katholizismus im jugendlichen Alter wurde von seinem Vater veranlasst und belastete Christiane Eberhardines Muttersein. Nicht Augusts Mätressen waren die Ursache ihres Hauptkummers, sondern der Konfessionswechsel ihres Gatten und ihres Sohnes. Sie widmete sich in der Einsamkeit von Pretzsch den Werken der Nächstenliebe und einem asketischen Dasein, um zu sühnen, was sie als Unrecht ihres Hauses ansah. Im Volk erhielt Christiane Eberhardine den Beinamen „die Betsäule Sachsens“, von Protestanten als Ehren- und von Katholiken als Spottnamen. So ließ sie aus Angst vor einer Rekatholisierung der Sachsen protestantische Gebetbücher drucken und kostenlos verteilen. Ihren evangelischen Untertanen schien sie eine Bewahrerin des lutherischen Glaubens zu sein.
Pretzsch
Christiane Eberhardine lebte vorzugsweise auf Schloss Pretzsch an der Elbe, zeitweise wechselte sie auf das Schloss Hartenfels in Torgau. Sie nahm nur gelegentlich an bestimmten Anlässen und Festlichkeiten am Dresdner Hof teil. Ihre Heimatstadt Bayreuth besuchte sie oft, wo ihr zu Ehren Opern gegeben wurden. In ihrem freiwilligen Exil entfaltete sie nach dem Vorbild des kurfürstlichen Hofes ein beachtliches kulturelles Leben, während in Dresden die Mätressen ihres Mannes ihre Rolle einnahmen. Sie hielt sich bis zu seinem Tod 1726 den Kammermusikus und maitre de musique Stephan Jänichen, der nur ein Jahr vor ihr starb. Dazu werden im Zusammenhang mit Musik als Gäste aus Bayreuth der Aufenthalt in Pretzsch der Komponisten Georg Heinrich Bümler (1669–1745) und Conrad Friedrich Hurlebusch (1691–1765) genannt. Der Musikwissenschaftler Michael Maul erwägt in seiner Geschichte der Barockoper in Leipzig, ob nicht Eberhardine „die eigentliche Vermittlerin für die Exporte der Leipziger Opern nach Bayreuth gewesen sein“ könnte; eine Untersuchung der möglichen Zusammenhänge stehe noch aus.
Neben der Musik an ihrem Hof in Pretzsch lag ihr besonders das Schicksal von Waisenkindern am Herzen. Auch wirtschaftlich betätigte sie sich, indem sie 1697 die von Constantin Fremel gegründete Glashütte in Pretzsch übernahm.
1719 stiftete sie für die adligen Damen und Herren ihres Hofes den Orden der Treue. Das Ordenszeichen war ein goldenes grün emailliertes Kleeblatt an einer goldenen Kette.
Vereinsamt starb Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth im Alter von 55 Jahren und wurde am 6. September 1727 in der Stadtkirche St. Nikolaus zu Pretzsch beigesetzt. Weder ihr Ehemann noch ihr Sohn erschienen zu ihrer Beisetzung. Zu der von Hans Carl von Kirchbach organisierten Leipziger Trauerfeier komponierte Johann Sebastian Bach die so genannte Trauerode („Laß, Fürstin, laß noch einen Strahl“, BWV 198) auf einen Text von Johann Christoph Gottsched, die am 17. Oktober 1727 in der Paulinerkirche aufgeführt wurde.
Literatur
- Franz Otto Stichart: Galerie der sächsischen Fürstinnen; biogr. Skizzen sämtlicher Ahnfrauen des kgl. Hauses Sachsen, Leipzig 1857
- Franz Blanckmeister: Kurfürstin Christiane Eberhardine von Sachsen: eine ev. Bekennerin, Barmen 1892
- Johannes Meyer: Frauengestalten und Frauenwalten im Hause Wettin, Bautzen 1912
- Paul Haake: Christiane Eberhardine und August der Starke: eine Ehetragödie, Dresden 1930
- Martin Lauckner: Eine alte Unterschrift von zarter Hand, in: Sächs. Heimat, Hamburg, Jg. 1981
- Karl Czok: August der Starke und Kursachsen, Leipzig 1987. Aufgeklärter Absolutismus und kirchlich-religiöse Toleranzpolitik bei August dem Starken, In: Sachsen und die Wettiner. Chancen und Realitäten (Sondernummer der Dresdner Hefte); Dresden 1990
- Walter Fellmann: Prinzessinnen. Glanz, Einsamkeit und Skandale am sächsischen Hof, Leipzig 1996
- Klaus Kühnel: Königin ohne Krone. In: KK: August der Starke und das schwache Geschlecht. Dreikastanienverlag, Wittenberg 2005. ISBN 3-933028-92-2.
- Hans-Joachim Böttcher: Die "Hofzwerge" der Christiane Eberhardine. In: Torgauer Heimatkalender 2011. S. 64–69.
- Hans-Joachim Böttcher: Christiane Eberhardine, Prinzessin von Brandenburg-Bayreuth, Kurfürstin von Sachsen und Königin von Polen, Gemahlin Augusts des Starken. Dresdener Buchverlag 2011, ISBN 978-3-941757-25-7.
- Michael Maul: Barockoper in Leipzig (1693–1720). Textband [I] und Katalogband [II], Rombach Wissenschaften, Reihe Voces, hg. von Christian Berger/Christoph Wolff, Bd. 12/1 (Freiburger Beiträge zur Musikgeschichte), Rombach Verlag KG, Freiburg i.Br./Berlin/Wien, (I.) S. 833–834, ISBN 978-3-7930-9584-2. (Darin weitere Erwähnungen der Kurfürstin Christiane Eberhardine).
- Silke Herz: Königin Christiane Eberhardine – Pracht im Dienst der Staatsraison. Kunst, Zeremoniell und soziales Leben am Hof der Frau Augusts des Starken, Berlin: Lukas 2019 (Schriften zur Residenzkultur; 12), ISBN 978-3-86732-333-8.
Weblinks
Fußnoten
- ↑ http://thesaurus.cerl.org/record/cnp00177528
- ↑ Staszewski, Jacek: August III. Kurfürst von Sachsen und König von Polen. Berlin 1996. S. 16–19.
- ↑ L’Alfonso D-DL, Hist.Sax.C.197.
- ↑ Karl Czok: August der Starke und Kursachsen. Leipzig 1990. S. 15, 16.
- ↑ Hans-Joachim Böttcher: Die Hochzeit August des Starken mit Christiane Eberhardine. In: sachsen-lese.de.
- ↑ Sie war die erste von zehn offiziellen Mätressen des Kurfürsten und polnischen Königs August II.
- ↑ Jacek Staszewski: August III. Kurfürst von Sachsen und König von Polen. Berlin 1996. S. 16–19.
- ↑ Udo von Alvensleben, Besuche vor dem Untergang, Adelssitze zwischen Altmark und Masuren, Aus Tagebuchaufzeichnungen zusammengestellt und herausgegeben von Harald von Koenigswald, Frankfurt/M.-Berlin 1968, S. 20
- ↑ Pretzscher Chemiker: Geschichte Schloss Pretzsch, abgerufen am 26. September 2013.
- ↑ † 1726 in Pretzsch, s. Hans-Joachim Böttcher: Christiane Eberhardine, Prinzessin von Brandenburg-Bayreuth, Kurfürstin von Sachsen und Königin von Polen, Gemahlin Augusts des Starken, Dresdener Buchverlag, 2011, ISBN 978-3-941757-25-7, Seite 308.
- ↑ Irene Hegen: Die markgräfliche Hofkapelle zu Bayreuth (1661–1769), S. 16. In: Silke Leopold und Bärbel Pelker (Hrsg.): Süddeutsche Hofkapellen im 18. Jahrhundert. Eine Bestandsaufnahme. Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Akademie des Landes Baden-Württemberg ( = Schriften zur Südwestdeutschen Hofmusik, 1. (2003–) 2014), PDF.
- ↑ Michael Maul: Barockoper in Leipzig, (I.) S. 833–834.
- ↑ Gustav Adolph Ackermann: Ordensbuch sämmtlicher in Europa blühender und erloschener Orden und Ehrenzeichen. Rudolph & Dieterici, 1855 (google.com [abgerufen am 28. September 2023]).
Vorgängerinnen | Amt | Nachfolgerinnen |
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Maria Kazimiera Sobieska | Königin von Polen 1697–1727 | Katharina Opalińska |
Eleonore von Sachsen-Eisenach | Kurfürstin von Sachsen 1694–1727 | Maria Josepha von Österreich |