David Ben-Gurion (hebräisch דָּוִד בֶּן-גּוּרְיוֹן [daˈvɪd ben gurˈjo:n] ; geboren als David Josef Grün am 16. Oktober 1886 in Płońsk, Kongresspolen, Russisches Kaiserreich; gestorben am 1. Dezember 1973 in Ramat Gan, Israel) rief mit der Verkündung der israelischen Unabhängigkeitserklärung am 14. Mai 1948 den modernen Staat Israel aus. Er war dessen erster Ministerpräsident.

Ben-Gurion war 1930, im zu der Zeit noch britischen Mandatsgebiet Palästina, einer der Gründer der zionistisch-sozialistischen Arbeiterpartei Israels (Mapai) und führte sie bis 1963 als Parteivorsitzender an. Nach parteiinternen Konflikten – unter anderem vor dem Hintergrund der Lawon-Affäre – verließ er die Mapai und gründete 1965 die linke Arbeiterliste Rafi. Beide Parteien vereinigten sich 1968 wieder und gingen zusammen mit der Achdut haAwoda in der bis in die Gegenwart bestehenden sozialdemokratischen Awoda auf.

Von 1948 bis 1953 und von 1955 bis 1963 war Ben-Gurion Premierminister und Verteidigungsminister Israels.

Leben

Frühe Jahre

David Ben-Gurion wurde 1886 als David Josef Grün in der Kleinstadt Płońsk, im damaligen Kongresspolen (Russisches Kaiserreich) in eine jüdische Familie hineingeboren. Er war ein Sohn des Rechtsanwalts Avigdor Grün, der eine zionistische Organisation führte, seine Mutter Scheindel Grün starb, als David elf Jahre alt war. Noch als Jugendlicher wandte sich Ben-Gurion dem Zionismus und dem Sozialismus zu und wanderte 1906 im Zuge der zweiten Alija nach Palästina ein und landete am 7. September in Jaffa. Hier beteiligte er sich am Aufbau der jüdischen Untergrundorganisation HaSchomer. Er arbeitete zunächst in einem Betrieb, der Orangen anbaute, dann als Journalist. Er nahm den Namen „Ben-Gurion“ an, als er Politiker wurde. Bald war er Führer der jüdischen Arbeiterbewegung.

Erster Weltkrieg und politische Aktivitäten

Ben-Gurion trat im Ersten Weltkrieg für die Aufstellung eines jüdischen Bataillons in der osmanischen Armee und für die Annahme der osmanischen Staatsbürgerschaft durch die jüdischen Siedler ein, da er einen Sieg der Türken erwartete und sich von dieser Haltung Vorteile für die Realisierung einer jüdischen Autonomie in der Zeit nach dem Krieg erhoffte. Wegen seiner politischen Tätigkeit wurde er 1915 dennoch von den Osmanen ausgewiesen und ging in die Vereinigten Staaten. 1918 trat Ben-Gurion in die Jüdische Legion der britischen Armee ein.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kehrten Ben-Gurion und seine Familie noch 1918 nach Palästina zurück, das ab 1923 (bis 1948) unter britischem Mandat stand. Dort wurde er erster Sekretär und Vorsitzender der 1920 gegründeten Gewerkschaft Histadrut. Zudem war Ben-Gurion die wichtigste Führungsfigur der linkszionistischen Partei Achdut haAwoda („Einheit der Arbeiter“), die 1919 aus dem gemäßigten Flügel von Poale Zion hervorgegangen war. Auch am Aufbau der Hagana, des militärischen Arms des Zionismus in Palästina, war er beteiligt.

Nachdem sich seine Partei Achdut haAwoda bis Ende der 1920er-Jahre weitgehend von ihren marxistischen Wurzeln gelöst hatte, fusionierte sie 1930 mit HaPoel HaZair zur Partei der Arbeiter von Eretz Israel (Mapai). Von der Gründung bis 1963 war Ben-Gurion Vorsitzender dieser Partei, die in jener Zeit stets die führende Kraft der zionistischen Bewegung war. Er wurde 1935 zum Vorsitzenden der Jewish Agency gewählt. Ben-Gurion vertrat das jüdische Establishment in Palästina und war als moderater Politiker bekannt. Die Briten arbeiteten teilweise mit ihm als Vertreter der Hagana zusammen, um Mitglieder von radikaleren militanten Gruppen verhaften zu können. Auch war er von 1929 bis 1936 mehrmals im Kontakt mit den arabischen Politikern Musa Alami, George Antonius und Awni Abd al-Hadi, mit denen er in informellen Gesprächen die Möglichkeit einer arabisch-jüdischen Konföderation auslotete. Ben-Gurions Vorschlag bestand darin, die jüdische Zustimmung zum Beitritt Palästinas zu einer panarabischen Föderation im Gegenzug zu unlimitierter Einwanderung nach Palästina und Transjordanien zu geben. In Palästina sollte dadurch eine jüdische Bevölkerungsmehrheit entstehen.

Er war an gewaltsamen zionistischen Aktionen beteiligt, als seine Organisation kurzzeitig mit Menachem Begins Irgun kooperierte. David Ben-Gurion schrieb im Juni 1938 an die Exekutive der Jewish Agency: „Ich bin für Zwangsumsiedlung [der Palästinenser]; darin sehe ich nichts Unmoralisches.“ An der Vorbereitung des Bombenanschlags gegen die britische Mandatsverwaltung im King David Hotel 1946 wirkte er zwar mit, widersprach dann aber erfolglos der Ausführung des Planes.

Israelische Unabhängigkeit

Am 14. Mai 1948 verlas Ben-Gurion die israelische Unabhängigkeitserklärung und führte die neue Nation im unmittelbar folgenden Unabhängigkeitskrieg. Parallel bemühte sich Ben-Gurion, die verschiedenen bewaffneten Gruppen der zionistischen Bewegung zur Israelischen Armee zusammenzufügen. In diese Phase fällt auch die Versenkung der Altalena auf sein Kommando, die Munition für den Irgun an Bord hatte. Dieser Befehl ist noch heute umstritten.

Andererseits formulierte er in der israelischen Unabhängigkeitserklärung ein deutliches Friedensangebot an die arabischen Nachbarn:

„Wir bieten allen unseren Nachbarstaaten und ihren Völkern die Hand zum Frieden und guter Nachbarschaft und rufen zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Hilfe mit dem selbständigen jüdischen Volk in seiner Heimat auf. Der Staat Israel ist bereit, seinen Beitrag bei gemeinsamen Bemühungen um den Fortschritt des gesamten Nahen Ostens zu leisten.“

Am 25. Februar 1949 wurde David Ben-Gurion zum ersten Premierminister des Staats Israel ernannt. Dieses Amt sollte er zunächst bis 1954 und dann erneut von 1955 bis 1963 innehaben. In seine Amtszeit fielen zahlreiche Projekte zur Urbarmachung und Entwicklung des Landes sowie zur Ansiedlung von Juden aus der ganzen Welt, insbesondere aus den arabischen und islamischen Ländern.

1953 gab Ben-Gurion seinen Rücktritt von der Regierung bekannt und siedelte in den Kibbuz Sede Boker in der israelischen Negev-Wüste über. Obwohl er sich nicht vollständig aus der Politik zurückzog, blieb er dort bis 1954. Mit Hilfe von Verhandlungen über (später tatsächlich erfolgte) deutsche Waffenlieferungen an Israel sabotierte Ben-Gurion indessen die von Premier Mosche Scharet geführten Friedensverhandlungen mit Ägyptens Präsident Gamal Abdel Nasser. David Ben-Gurion vertrat darüber hinaus die Ansicht, es gebe kein palästinensisches Volk.

Er kehrte am 18. Februar 1955 zunächst als Verteidigungsminister – ein Amt, das er bereits von 1948 bis 1954 innegehabt hatte –, noch im selben Jahr aber auch wieder als Premierminister an die Staatsspitze zurück. In dieser Funktion bereitete er in enger Zusammenarbeit mit Frankreich und England den Sueskrieg von 1956 vor.

Am 14. Juni 1960 traf Ben-Gurion sich mit dem französischen Präsidenten Charles de Gaulle in Paris. Im Gespräch legte er, da ihm ein Bündnis mit Frankreich gegen den arabischen Nationalismus vorschwebte, seine Auffassung dar, dass Algerien aufgeteilt werden müsse, wobei die Franzosen die Küste zu behalten hätten und eine „Alija“ von einer Million Franzosen nach Algerien organisiert werden müsse. De Gaulle, der sich bereits zu einer Politik der Selbstbestimmung für Algerien durchgerungen hatte, entgegnete: „Mein Gott, Sie versuchen ja, ein neues Israel in Afrika zu gründen!“

Infolge der Lawon-Affäre trat er 1963 vom Amt des Premierministers zurück und schlug Levi Eschkol als seinen Nachfolger vor. Zwei Jahre später überwarf er sich mit Eschkol und der Mapai und gründete mit Mosche Dajan und Schimon Peres die Rafi-Partei. Nach dem Sechstagekrieg sprach Ben-Gurion sich 1967 dagegen aus, weiteres arabisches Land zu annektieren. Als sich Rafi 1968 mit Mapai zusammenschloss, gründete er die Nationale Liste. David Ben-Gurion zog sich 1970 aus allen seinen politischen Ämtern zurück.

Privatleben

In New York City lernte Ben-Gurion 1915 die aus Russland stammende Paula Munweis kennen. Sie heirateten 1917 und bekamen drei Kinder. Nachdem Großbritannien mit dem Ende des Ersten Weltkriegs vom besiegten Osmanischen Reich die Herrschaft über Palästina übernommen hatte, übersiedelte die Familie nach Jerusalem. Von 1931 bis in die 1950er Jahre lebte Ben-Gurion in seinem Haus in Tel Aviv. Er kehrte 1970 nach Sde Boker zurück, wo er schon von 1953 bis 1954 gelebt hatte. Nach seinem Tod im Jahr 1973 wurde er in der Nähe des Kibbuz neben seiner bereits 1968 verstorbenen Ehefrau beigesetzt.

Laut Historikern hatte Ben-Gurion mindestens drei bekannte außereheliche Liebesbeziehungen in Wien, London und New York. Für Medieninteresse sorgte 2015 eine Versteigerung handschriftlich auf Jiddisch und Hebräisch verfasster Liebesbriefe, die Ben-Gurion in den frühen 1930er Jahren der Wiener Medizinstudentin Regina „Rega“ Klapholz geschrieben hatte, die Ende der 1930er Jahre nach Israel emigrierte und 2007 starb.

Namensgeber

Nach David Ben-Gurion wurde 1975 der internationale Ben-Gurion-Flughafen von Tel Aviv, der sich nördlich der Stadt Lod befindet, sowie die Ben-Gurion-Universität des Negev in Be’er Scheva, benannt. In Frankfurt am Main und Nürnberg sind jeweils Abschnitte großer Ringstraßen als Ben-Gurion-Ring nach ihm benannt.

Zitate

„Gleich allen anderen Völkern ist es das natürliche Recht des jüdischen Volkes, seine Geschichte unter eigener Hoheit selbst zu bestimmen. Demzufolge haben wir, die Mitglieder des Nationalrates, als Vertreter der jüdischen Bevölkerung und der zionistischen Organisation, heute, am letzten Tage des britischen Mandats über Palästina, uns hier eingefunden und verkünden hiermit Kraft unseres natürlichen und historischen Rechtes und aufgrund des Beschlusses der Vollversammlung der Vereinten Nationen die Errichtung eines jüdischen Staates im Lande Israel – des Staates Israel.“

Ben-Gurion in der israelischen Unabhängigkeitserklärung

„Wenn ich ein arabischer Führer wäre, würde ich nie einen Vertrag mit Israel unterschreiben. Es ist normal; wir haben ihr Land genommen. Es ist wahr, dass es uns von Gott versprochen wurde, aber wie sollte sie das interessieren? Unser Gott ist nicht ihr Gott. Es gab Anti-Semiten, die Nazis, Hitler, Auschwitz, aber war es ihre Schuld? Sie sehen nur eine Sache: Wir kamen und haben ihr Land gestohlen. Warum sollten sie das akzeptieren?“

David Ben-Gurion

„Der Gott, an den ich nicht glaube, ist ein jüdischer.“

David Ben-Gurion

„Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.“

David Ben-Gurion

„Der Tod von sechs Millionen Opfern erlegt uns die größte Pflicht unserer Geschichte auf, ein solches Unglück nie wieder geschehen zu lassen. Wir können unsere Väter und Mütter nicht auferwecken, aber unsere Pflicht ist, zu sichern, dass solches Unheil nie wieder geschieht.“

David Ben-Gurion anlässlich seines Besuches des UNRRA-Lagers in Eschwege am 16. Oktober 1946

Literatur

  • Tom Segev: David Ben Gurion. Ein Staat um jeden Preis. Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama. Siedler Verlag, München 2018, ISBN 978-3-8275-0020-5.
  • Anita Shapira: Ben Gurion – Father of Modern Israel. Yale University Press, New Haven 2014, ISBN 978-0-300-18045-9.

Im Film

Commons: David Ben-Gurion – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. David Ben Gurion: Der Zweckpessimist, der Israel gründete – WELT. Abgerufen am 3. April 2023.
  2. Tom Segev: Es war einmal ein Palästina. Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. München ²2005, ISBN 3-570-55009-5, S. 25.
  3. David Ben Gurion: Der Zweckpessimist, der Israel gründete – WELT. Abgerufen am 3. April 2023.
  4. David Ben Gurion: Der Zweckpessimist, der Israel gründete – WELT. Abgerufen am 3. April 2023.
  5. 1 2 3 4 5 6 Baruch Kimmerling, Joel S. Migdal: The Palestinian People, a History. 2. Auflage. Harvard University Press, Cambridge (Massachusetts) 2003, ISBN 0-674-01129-5, S. 100, 128.
  6. Helmut Mejcher: Der arabische Osten im zwanzigsten Jahrhundert. In: Ulrich Haarmann (Hrsg.): Geschichte der Arabischen Welt. Verlag C. H. Beck, München 1994, S. 484.
  7. Margaret MacMillan: The Uses and Abuses of History. 3. Auflage. Profile Books, London 2010, ISBN 978-1-84668-210-0, S. 105 (Erstausgabe bei Viking Canada [Penguin Books], 2008).
  8. Henry Laurens: Paix et Guerre au Moyen-Orient – L’Orient arabe et le monde de 1945 à nos jours. 2. Auflage. Armand Colin Éditeur, Paris 2005, ISBN 2-200-26977-3, S. 143.
  9. 1 2 3 Lutz Fiedler: Matzpen – Eine andere israelische Geschichte (= Dan Diner [Hrsg.]: Schriften des Simon-Dubnow-Instituts. Band 25). 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2017, ISBN 978-3-525-37056-8, S. 109 f.
  10. Ben-Gurion’s love letters to mistress to be put up for auction. In: I24news vom 2. November 2015 (englisch)
  11. Ofer Aderet: To Rega, Rachel, Doris, Rivka — Oh, and Paula Too — Love, David Ben-Gurion. In: Haaretz, 9. November 2015.
  12. Zitiert von Nahum Goldmann in Le Paradoxe Juif (The Jewish Paradox), S. 121.
  13. Doron Rabinovici: «Wer ein Jude ist, bestimme ich!» In: NZZ Folio Januar 2008.
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