Film
Deutscher Titel Der dreiflügelige Spiegel
Originaltitel La Glace à trois faces
Produktionsland Frankreich
Originalsprache Französisch
Erscheinungsjahr 1927
Länge 4 Akte, 1200 Meter, bei 24 BpS rund 45 Minuten
Stab
Regie Jean Epstein
Drehbuch Jean Epstein
Produktion Films Jean Epstein
Kamera Marcel Eywinger
Schnitt Jean Epstein
Besetzung
  • Jeanne Helbling: Lucie, ein Arbeitermädel
  • Suzy Pierson: Athalia, eine russische Bildhauerin
  • Olga Day: Pearl, eine elegante Engländerin
  • René Ferté: Der Mann
  • Raymond Guérin-Catelain: Der Verehrer
  • Jean Garat:

Der dreiflügelige Spiegel ist der deutsche Titel des französischen Stummfilmdramas La Glace à trois faces, den Jean Epstein 1927 nach einer literarischen Vorlage von Paul Morand, die er für den Film bearbeitete, in seiner eigenen Firma Films Jean Epstein realisierte.

Handlung

Ein wohlhabender junger Geschäftsmann unterhält nacheinander Liebesverhältnisse zu einer eleganten Engländerin, einer russischen Bildhauerin und einem naiven Arbeitermädel. Schwach, wie er ist, kommt er nicht etwa den Verpflichtungen nach, die ihm aus seinen Beziehungen erwachsen, sondern setzt sich, statt seine Verabredungen einzuhalten, in seinen Sportwagen, um damit ins mondäne Strandbad Deauville zu entwischen. Unterwegs aber kommt es zu einem tödlichen Zusammentreffen mit einer entgegenfliegenden Schwalbe.

Die letzte Einstellung zeigt den Mann in Gesellschaftstoilette vor dem titelgebenden dreiflügeligen Spiegel, der jedoch ausschließlich ihn widerspiegelt. Keine der drei Frauen ist darin zu sehen.

Hintergrund

Die Dreharbeiten fanden in der französischen Gemeinde L’Isle-Adam im Département Val-d’Oise statt. An der Kamera stand Marcel Eywinger; das Bühnenbild entwarf Pierre Kéfer; der Regie assistierte Maurice Morlot. Den Verleih organisierte die Compagnie Universelle Cinématographique im Studio des Ursulines in Paris, wo auch die Uraufführung am 22. November 1927 stattfand.

Die Presse – namentlich Jean Dréville in seiner monatlich erscheinenden Zeitschrift Cinégraphie – reagierte trotz des durchaus experimentellen Charakters und der Neuartigkeit des Films äußerst wohlwollend.

Der 1939 in Lille geborene französische Komponist Jean Schwarz schrieb 1981 eine neue Begleitmusik zu La Glace à trois faces.

2014 wurde der Film von der Cinémathèque française anlässlich der Jean-Epstein-Retrospektive restauriert, welche sie dort vom 26. April bis zum 30. Mai dieses Jahres veranstaltete.

Wiederaufführungen

Der Kulturkanal Arte strahlte “Der dreiflügelige Spiegel” am 18. November 2014 um 1:10 Uhr zu wiederholten Mal im deutschen Fernsehen aus.

Der Film ist enthalten in der DVD-Ausgabe Avant-garde : experimental cinema of the 1920s and '30s, die 2005 im Verlag Kino International, New York als Deluxe two-disc edition publiziert worden ist. Die Filmoriginale wurden der Sammlung von Raymond Rohauer entnommen.

In Amerika gab es vom 4. März bis 10. April 2016 eine Retrospektive von Epsteins Werk beim Berkeley Art Museum and Pacific Film Archive BAMPFA in Berkeley (CA), die von Kathy Geritz kuratiert wurde.

Im HFA (Harvard Film Archive) in Cambridge (MA) gedachte man der Filme von Epstein mit der Werkschau Young Oceans Of Cinema vom 29. Januar bis 5. März 2016.

Rezeption

“Der dreiflügelige Spiegel” stammt aus der Zeit, als der Filmemacher Jean Epstein gerade seine eigene Produktionsfirma gründete. Diese sollte sich zwar nicht als rentabel erweisen, erlaubte ihm aber eine ungeheure künstlerische Freiheit, die in seinem damaligen Avantgarde-Film unverkennbar ist. Seine Ästhetik fasziniert bis heute.

„The mirror that gives its title to this film binds together three separate narratives which dovetail when we realize that all three women of different classes have been disappointed by the same lover. This tripartition depicts the manner in which each woman mirrors the man’s desires.“ (Maureen Turim: Looking back at the mirror, S. 174)

Der Film ist in drei Abschnitte geteilt, von denen jeder die Ereignisse enthält, die der jeweiligen Frau widerfahren. Diese Sequenzen sind eingebettet in Szenen, in denen jede der drei Frauen sich an ihre Liebesaffäre erinnert und davon erzählt. So vermischen sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und lassen sich nicht mehr klar auseinanderhalten. Das Ineinandergehen verschiedener Ebenen von erlebter und erinnerter, erzählter und gezeigter Zeit wurde als Quelle der Inspiration für Alain Resnais ausgemacht, dessen Film “Letztes Jahr in Marienbad” (L'Année dernière à Marienbad) durch Epsteins Film in gewissem Maß präfiguriert wird. (Hans Winter)

Marco Spiess schreibt zu Epsteins Arbeit: „Dies ist sicher nicht sein innovativster Film (für den weitläufig verwendeten Titel eines Avantgarderegisseurs reicht es sicherlich nicht), doch Epstein setzt dramaturgisch wie inszenatorisch gelungene Ideen ein: Da wäre etwa die Dreiteilung der Geschichte, die es erlaubt, den etwas gar heftig geschminkten Mann ohne Namen aus drei verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen. Es ist derselbe Mann, aber gefiltert durch die Augen verschiedener Frauen, erscheint er stets etwas anders.“

Literatur

  • Ian Aitken: European Film Theory and Cinema: A Critical Introduction. Indiana University Press, 2001, ISBN 0-253-34043-8, S. 77–78.
  • Olivier Bitoun: Cycle Jean Epstein: La Glace à trois faces. In: DVDclassik, 16. Juni 2014 (französisch)
  • Alan Goble: The Complete Index to Literary Sources in Film. Verlag Walter de Gruyter, 1999, ISBN 3-11-095194-0, S. 332, 780.
  • Christoph Hesse, Oliver Keutzer, Roman Mauer, Gregory Mohr: Filmstile. Film, Fernsehen, Neue Medien. Springer-Verlag, 2016, ISBN 978-3-531-19080-8, S. 69, 73.
  • Selina Lau-Schmidiger: Meisterwerke des Stummfilms. bei teleboy.ch
  • Tijana Mamula, Lisa Patti (Hrsg.): The Multilingual Screen: New Reflections on Cinema and Linguistic Difference. Verlag Bloomsbury Publishing USA, 2016, ISBN 978-1-5013-0286-2, S. 96.
  • Paul Morand: L'Europe galante. [Paris] 1925. (dt. Faule Zeiten, ISBN 3-921499-63-1)
  • Joachim Paech: Dargestellte Bewegung als mediale Form. In: Elize Bisanz (Hrsg.): Das Bild zwischen Kognition und Kreativität: Interdisziplinäre Zugänge zum bildhaften Denken. transcript Verlag, 2014, ISBN 978-3-8394-1365-4, S. 253 Abb. 8 und 9.
  • William B. Parrill: European Silent Films on Video: A Critical Guide. Verlag McFarland, 2006, ISBN 1-4766-1021-5, S. 388–389.
  • Maureen Turim: Looking back at the mirror. In: Peter L. Rudnytsky, Andrew Gordon (Hrsg.): Psychoanalyses / Feminisms (= SUNY series in feminist criticism and theory / SUNY series in psychoanalysis and culture). Verlag SUNY Press, 2000, ISBN 0-7914-4377-9.

Einzelnachweise

  1. Paul Morand: L’ galante. (Europe): Chronique du XX° siècle, Paris 1922. (2. Auflage 1925)
  2. für Aufführungen der kinematographischen Avantgarde berühmtes Filmkunstkino im 5. Arrondissement von Paris, benannt nach der Lage in 10, rue des Ursulines.
  3. cf. Olivier Bitoun - le 16 juin 2014: „Tout aussi expérimental et novateur qu'il soit, ‘La Glace à trois faces’ est très bien reçu par la presse, notamment par Jean Dréville qui en fait l'éloge dans sa revue Cinégraphie. Comme c'était déjà le cas pour ‘Six et demi, onze’, le film est distribué par La Compagnie Universelle Cinématographique qui l'exploite en exclusivité au studio des Ursulines, alors la salle la plus réputée pour ce qui est de l'Avant-garde cinématographique.
  4. La glace à trois faces, 40 min., Création : 06/03/1981 – Ensemble instrumental d'Angers, direction Guy Reibel. France, Angers, Festival cinématographique. Sonorisation du film de Jean Epstein, vgl. asso.fr
  5. vgl. cinematheque.fr
  6. vgl. arte.tv und ard.de sowie S. Lau-Schmidiger: „Der dreiflügelige Spiegel (17. November) ist vom französischen Surrealisten Jean Epstein und wird, wie alle anderen restaurierten Filme, zum ersten Mal auf einem deutschen Sender ausgestrahlt.“
  7. vgl. Parill S. 388 und worldcat.org; zu Rohauer vgl. Nachruf von Andrew L. Yarrow: Raymond Rohauer, Archivist of Classics From Silent Film Era. In: New York Times. 19. November 1987.
  8. BAMPFA, 2155 Center Street, Berkeley, CA 94720, vgl. frenchculture.org und bampfa.org/program; hier lief der Film zusammen mit The Fall of the House of Usher am Donnerstag den 7. April 2016. Die Vorstellungen wurden von Judith Rosenberg am Flügel begleitet.
  9. HFA, Carpenter Center for the Visual Arts, 24 Quincy Street, Cambridge, MA 02138; hier wurde der Film am Freitag, den 26. Februar, ebenfalls zusammen mit The Fall of the House of Usher, gezeigt. Am Flügel begleitete Martin Marks. Vgl. harvard.edu (Memento des Originals vom 10. Dezember 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  10. vgl. etwasverpasst.de
  11. bei IMDb plot summary; Parill S. 389 führt hier auch noch Fellinis La dolce Vita an.
  12. La Glace à Trois Faces bei molodezhnaja, Marco Spiess (Hrsg.), abgerufen am 19. Juni 2021
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