Der geraubte Schleier oder Das Märchen à la Montgolfier ist ein Märchen im dritten Band von Johann Karl August MusäusVolksmährchen der Deutschen, 1784.

Inhalt

Von der verlorenen Schlacht bei Lucka fliehen sieben Schwaben. Sie schlafen in einem Backofen, wo Friedbert allein dem wütenden Angriff von Bäuerinnen entkommt. Einsiedler Benno am Schwanenteich nimmt ihn auf. Er erzählt ihm, wie er Zoe, die Frau von Fürst Zeno auf der griechischen Insel Naxos liebte, fliehen musste und erfuhr, dass sie und andere, von Feen abstammende Frauen jährlich zum Schwanenteich fliegen, dem sie ihre Jugend verdanken. Benno stirbt, Friedbert verdient viel Geld mit seinem Andenken. Er klaut einer im Teich badenden Jungfrau den Schleier, ohne den sie nicht wieder Schwan werden kann. Es ist Zoes Tochter Kalliste. Als sie dann verzweifelt in seine Hütte kommt, tut er recht fromm, und führt sie als Braut heim. Seine Mutter gibt ihr leichtsinnig den Schleier, sie entfliegt durchs Fenster. Friedbert folgt ihr nach Naxos, erwirbt als Ritter die Gunst der alten Zoe und gesteht seine Liebe. Kalliste ist ins Kloster gegangen und verzeiht ihm.

Herkunft

Musäus erzählt zuerst vom Schwanenteich nahe Zwickau im Erzgebirge, dessen unbekannte Heilkraft die des Karlsbads weit übertreffe, allerdings nur für die, welche von Feen abstammen. Das Schwanenfeld soll seinen Namen von einer solchen Volkssage haben. Friedbert sei mit sechs anderen Schwaben von der Schlacht bei Lucka geflohen, zu der Musäus Glafeys „Kern der sächsischen Geschichte“ bemüht – eine ähnliche Eingangsmotivation wie bei Rolands Knappen. Die Ähnlichkeit zum Schwank Die Sieben Schwaben bleibt flüchtig. Bennos unglückliche Liebesgeschichte soll auf Naxos spielen. Friedberg kommt aus Eglingen „auf der rauen Alp“.

Der Untertitel „Das Mährchen à la Montgolfier“ passt zum Heißluftballon der Gebrüder Montgolfier am 5. Juni 1783 in Paris. Walter Scherf denkt bei dem Ring an KHM 92 Der König vom goldenen Berg, bei dem Verlies an den Eiskeller in Grünus Kravalle (Johann Wilhelm Wolfs Deutsche Hausmärchen, Nr. 29). Die Ritterromanze diene Musäus zum Spott über Frömmelei und Heuchelei. Harlinda Lox sieht Schwanenjungfrau-Motive und eine etymologische Sage zu Zwickau. Die Verbreitung von Schwanjungfrauerzählungen entspricht der des nordeurasiatischen Schamanismus. Wie Wolf-Dieter Storl bemerkt, ist der Schwan nicht Luft- noch Landtier, ein Zwischenwesen, als das Geistwesen uns besuchen, wie die Walküren, wie Lohengrin. Dieses Märchenmotiv von der Schwanjungfrau begegnet beispielsweise auch im Ballett Schwanensee.

Literatur

  • Johann Karl August Musäus: Märchen und Sagen. Parkland. Köln 1997. ISBN 3-88059-881-9, S. 445–523.
Commons: The Stolen Veil – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Johann Karl August Musäus: Märchen und Sagen. Parkland. Köln 1997. ISBN 3-88059-881-9, S. 448.
  2. Johann Karl August Musäus: Märchen und Sagen. Parkland. Köln 1997. ISBN 3-88059-881-9, S. 450.
  3. Walter Scherf: Das Märchenlexikon. Band 1. C. H. Beck, München 1995, ISBN 978-3-406-51995-6, S. 418–420.
  4. Harlinda Lox: Musäus, Johann Karl August. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 9. Walter de Gruyter, Berlin/New York 1999, S. 1025–1030.
  5. Jörg Bäcker: Schwanjungfrau. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 12. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2007, S. 311–318.
  6. Wolf-Dieter Storl: Die alte Göttin und ihre Pflanzen. Wie wir durch Märchen zu unserer Urspiritualität finden. 8. Auflage. Kailash, München 2014, ISBN 978-3-424-63080-0, S. 84–87.
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