Die Tänzerin von Izu (japanisch 伊豆の踊子, Izu no odoriko) ist eine Erzählung des japanischen Schriftstellers Kawabata Yasunari aus dem Jahr 1929. Die deutsche Übersetzung von Oscar Benl erschien 1942, damals unter dem Titel Die kleine Tänzerin von Izu.
In Japan gehört die Erzählung zu den unvergänglichen modernen Klassikern: sie wurde – angefangen 1933 als Schwarzweiß-Stummfilm mit Tanaka Kinuyo als Tänzerin – bisher sechsmal verfilmt.
Die Erzählung
(1) Der zwanzigjährige Ich-Erzähler trifft auf einer Wanderung von Norden nach Süden durch die Izu-Halbinsel auf eine von Ort zu Ort ziehende Theatertruppe, zuerst in Yugawabashi, dann in Shuzenji und wieder in Yugashima. Ihm fällt das kleine hübsche Mädchen auf, das die große Trommel trägt. Er holt die Truppe vor dem Amagi-Pass ein, als sie in einem Teehaus Rast machen. Die kleine Tänzerin hat ihn wahrgenommen und scheint ein wenig in ihn verliebt zu sein. Die Wirtin verwickelt ihn in ein Gespräch, während die Truppe aufbricht.
(2) Am Tunnel unter dem Amagi-Pass holt der Erzähler die Truppe ein. Hinter dem Tunnel geht es am Kawazu-Flüsschen bergab, bis Yugano erreicht ist, wo alle zur Übernachtung einkehren. Die Truppe kommt in einem einfachen Gasthaus unter, der Erzähler findet eine bessere Unterkunft. Der Mann aus der Truppe kommt mit dem Erzähler ins Gespräch, berichtet über sich. Die Truppe hat abends ihre Auftritte, heftiger Regen setzt ein.
(3) Am nächsten Morgen will ihn der Mann zum Badehaus abholen. Der Erzähler bleibt aber in seinem Zimmer, sieht später die jungen Mädchen der Truppe im Badehaus, wobei die kleine Tänzerin ihm unbefangen nackt zuwinkt. Der Erzähler spielt abends mit einem Gast, der Papierhändler ist, Go, und um sich abzulenken, bis in die Nacht.
(4) Am nächsten Morgen sollte es eigentlich weiter gehen, aber die Truppe hat noch einen Auftritt. Der Mann aus der Truppe erzählt: er heiße Eikichi, die älteste der drei Mädchen, Chiyoko, sei seine Frau. Ihre jüngere Schwester, die kleine Tänzerin, sei Kaoru. Dann seien da noch Yuriko und die strenge Mutter. Eikichi wird gerufen und trägt im Nebenraum eine Ballade vor, die kleine Tänzerin wird zu einem Auftritt nach draußen gerufen.
(5) Am dritten Tag zieht die Truppe zusammen mit dem Erzähler weiter den Kawazu-Flüsschen entlang, bis man das Meer und Ōshima sehen kann. Der Erzähler schlägt den kürzeren Weg nach Shimoda vor, der aber über die Berge führt. Bald ist er alleine mit der kleinen Tänzerin den anderen voraus. Durstig oben angekommen suchten sie nach einer Quelle. Die anderen kommen, der Marsch wird fortgesetzt. Der Erzähler hört, wie die Frau hinter ihm über ihn sagt: „Er ist ein guter Mensch.“
(6) Die Truppe mit dem Erzähler erreicht Shimoda. Die Truppe quartiert sich in einer Herberge am Anfang des Ortes ein, wo schon anderes fahrendes Volk untergekommen ist. Der Erzähler findet in einem anderen Gasthof ein Zimmer. Abends besucht er die Truppe, sagt, er müsse am nächsten Tag unbedingt abreisen, da lädt man ihn ein, die Truppe auf ihrer Heimatinsel Ōshima zu besuchen. Er lädt die Mädchen der Truppe ein, mit ihm ins Kino zugehen, aber die Mutter verbietet es. So geht er alleine, verlässt aber gelangweilt das Kino bald, kehrt in den Gasthof zurück, ihm kommen ein paar Tränen.
(7) Am nächsten Morgen besucht in aller Frühe Eikichi den Erzähler. Er entschuldigt die anderen Mitglieder der Truppe, kauft Obst und Zigaretten für den Erzähler. Dieser wird gebeten, sich um eine alte Frau mit Enkelkindern zu kümmern, was er dann auch verspricht. Auf dem Schiff legt er sich etwas hin, ist traurig. Nicht wegen eines Unglücks, sondern wegen eines Abschieds, antwortet er auf die Frage eines Passagiers. Im Dunklen weint er, „spürt aber so etwas wie ein süßes Glücksgefühl.“
Nachbemerkung
Den Inhalt könnte man in zwei Sätzen zusammenfassen: der junge Kawabata begibt sich innerlich zerrissen auf eine Wanderung, auf der er sogenannte einfache Leute trifft, die ihr Leben meistern. Sie erkennen in ihm, dem Sohn aus einem begüterten Haus, den guten Menschen, so dass er getröstet heimkehrt. Aber damit ist das Atmosphärische, das erste Verliebtsein, natürlich nicht erfasst.
Kawabata hat an dem Text mit Hilfe seiner Notizen von der Wanderung lange gearbeitet und ihn erst neun Jahre danach als Erzählung veröffentlicht. Er wählte dafür die Form einer Ich-Erzählung. Dieser literarische Typ kommt in Europa schon länger vor, in Japan war er Anfang des 20. Jahrhunderts noch neu. – Der erste Absatz in Kawabatas Erzählung zeigt dabei einen ganz japanischen Stil: Er besteht nur aus einem einzigen Satz. Dieser Kopfsatz (冒頭, Bōtō) gibt, wohl formuliert, den Hintergrund für die dann folgende Erzählung.
Während Kawabata seinen Text in sieben nummerierte Abschnitte gliedert, verzichtet der Übersetzer Benl nicht nur auf die Nummerierung, sondern gibt der Erzählung eine eigene Gliederung. Die Halbsatz-Reihungen, die japanischen Texten eine eigene Eleganz geben, aber sehr lang sein können, kürzt Benl gelegentlich: der Gesamtsinn geht dabei natürlich nicht verloren. Benl hat den Text gegenüber der Erstausgabe ein wenig überarbeitet, wobei er einige Dialoge flüssiger gestaltet hat.
In seinem kenntnisreichen Nachwort geht Siegfried Schaarschmidt auf die Vorgeschichte ein. Kawabata veröffentlichte nach seiner Wanderung im Herbst 1918 eine Kurzfassung 1919 in einer Schulzeitschrift einen kurzen Bericht mit der kleinen Tänzerin im Mittelpunkt. Eine weitere Fassung vor der oben erwähnten blieb unveröffentlicht.
Benutzte Buchausgaben
- Kawabata, Yasunari: Die Tänzerin von Izu. Rev. Übers. aus d. Japan. von Oscar Benl. Mit einem Nachwort von Siegfried Schaarschmidt. Reclam 1969.
- Kawabata, Yasunari: Izu no odoriko. Mit einem Nachwort von Mishima Yukio. Shincho-sha, 1950.
- Oscar Benl, Übers. u. Hrsg.: Die kleine Tänzerin von Izu. In: Flüchtiges Leben. Moderne japanische Erzählungen. Robert Mölich Verlag, Hamburg. 1948.
Anmerkung
- ↑ Mit der Schauspielerin Hibari Misora.