Die undankbare Fremde ist der zehnte Roman der slowakisch-schweizerischen Schriftstellerin und Journalistin Irena Brežná und erzählt über das Leben einer Familie. Zudem werden Themen wie Emigration, Integration, Fremdsein, Heimweh sowie psychische Probleme behandelt.

Der Roman, welcher hauptsächlich in der Ich-Form geschrieben ist, erschien 2012 und wurde im selben Jahr mit dem Eidgenössischen Literaturpreis ausgezeichnet.

Inhalt

Handlung

Das Buch handelt von einer jungen Frau, die im Jahr 1968 aus der Tschechoslowakei in die Schweiz immigrierte. Die Autorin schreibt aus zwei verschiedenen Perspektiven; eine aus der Vergangenheit und eine in der Gegenwart. In der Vergangenheit erzählt die Frau ihre Erfahrung mit den Schweizern und deren Kultur, in der Gegenwart erzählt sie von ihren Erfahrungen als Dolmetscherin.

Vergangenheit

Die ersten Seiten beschreiben die Ankunft in der Schweiz. Die junge Fremde erreicht nach langem Reisen mit ihrer Mutter die Schweizer Grenze. Dort wird sie gefragt, an was sie glaube. „An eine bessere Welt“ meint das Mädchen und wird mit ihrer Mutter eingelassen. Das junge Mädchen ist gegenüber der Schweizer Kultur extrem skeptisch und beklagt sich über die Ausdrucksweise der Schweizer, ihr Verhalten und ihre Handlungen. Sie hat Mühe mit der Sprache, welche sie spröde und löchrig benutzt. Auch ihr eigener Name klingt falsch, man hat ihm schon bei der Einreise jegliche Dächlein und Flügel weggenommen. “Diesen Firlefanz brauchen Sie hier nicht”, meinte der Hauptmann. In der Schule lernt sie, eine gesittetes Gespräch zu führen, sie möchte aber lieber frei darauf los plaudern. Es ist alles so strikt und geregelt, das Wetter sei so pünktlich wie der Pöstler, der in diesem Land jeden Brief vorbeibringt. Sie möchte alles teilen, allen helfen, wie sie es im kommunistisch geprägten Heimatland gelernt hatte. Den Egoismus bekämpfen. „Das ist nicht dein Problem“ ist die Antwort die sie oft zu hören bekommt. Ihr Hochdeutsch wird immer besser, aber da sprechen doch alle nur Dialekt. Niemand möchte sich anpassen für sie.

Im Laufe der Jahre integriert sie sich und findet Gefallen an all den Regeln und Werten der Kultur. Das regelmässige Klagen entwickelt sich eher zu einem anerkennenden Nörgeln, denn “Zuhause ist dort, wo man motzen darf”. Am Ende hat sie sich eingelebt und geniesst die verschiedenen Kulturen, hat aber den Tod ihrer besten Freundin Mara hinzunehmen.

Gegenwart

In einem kursiv geschriebenen Einschnitt erzählt sie zuerst von der kurzen Einführung, die sie als Dolmetscherin bekam. Nur vermitteln, nicht eingreifen, ermahnte die Leiterin des Dolmetscherdienste ein Heer angehender Dolmetscher.

Danach berichtet die Hauptperson, welche im ganzen Buch kein Name bekommt, in der Ich-Form von ihren Dolmetscher-Aufträgen. Sie dolmetscht für Flüchtlinge und Einwanderer, sei es beim Psychiater, am Krankenbett im Spital, auf den Behörden oder im Gerichtssaal. Jedoch etwas haben alle gemeinsam: Ein Problem. Es fällt der Dolmetscherin nicht immer leicht, die schonungslosen Geschichten zu übersetzen. Deshalb gibt sie den Kunden auch mal gerne einem anderen Dolmetscher weiter, wie ihr die Dolmetscher-Leiterin geraten hat. Man soll sowieso nie mehr als vier bis fünf Sessions für jemanden dolmetschen, sonst wird man empathisch. Trotzdem gibt die junge Frau ihr Bestes, ihnen so gut sie kann zu helfen. Aber aufgrund der strikten Regeln, die sie in der Dolmetscherschule gelernt hat, ist sie sehr eingeschränkt. Zugegeben; ab und zu hält sie sich nicht an alle Regeln. So findet sie Freude daran, kalte, trockene Aussagen mit passenden und charmanten Ausdrücken zu bereichern.

Ort

Das Buch spielt in der Schweiz, es wird aber nie klar gesagt an welchem Ort. Man weiss, dass es in der Deutschschweiz spielt, da die Hauptperson von Dialekt und Hochsprache spricht, das induziert den Gebrauch der deutschen Sprache.

Figuren

Hauptperson: Eine Frau aus der Tschechoslowakei die um 1968, während dem Prager Frühling in die Schweiz flüchtet. Dort beginnt sie ein neues Leben und hat Schwierigkeiten sich zu integrieren. Sie ist an den Kommunismus gewöhnt und findet sich in der föderalistischen Demokratie der Schweiz und deren völlig neuen Werte und Menschen nur schwer zu recht. Die Geschichte erzählt von ihrem Leben nach der Ankunft und ihrem jetzigen Leben als Dolmetscherin in der Schweiz. Sie beklagt sich und nörgelt oft über die Schweizer Kultur, jedoch entwickelt sich dieses abschätzende Verhalten zur Einsicht, dass die Schweiz ein lebenswerter Ort ist.

Mara: Mara ist die beste Freundin der Hauptperson. Die Hauptperson erlebt viele ihrer Geschichten zusammen mit Mara. Am Ende des Buches stirbt Mara auf Grund eines Autounfalls.

Weitere Personen: PsychiaterInnen, Asylanten, Flüchtlinge, Nachbarn, Mutter

Form

Aufbau

Das Buch „Die undankbare Fremde“ ist 141 Seiten lang und es gibt keine klassische Kapitel. Das Buch ist in zwei alternierende Handlungsstränge gegliedert, die jeweils verschiedene Lebenssituationen im Leben der Ich-Erzählerin darstellen. Die Länge dieser Unterteilungen begrenzt sich auf zwei bis vier Seiten und unterscheidet sich in der aufrechten und kursiven Schrift.

Der Haupthandlungsstrang ist in aufrechter Schrift geschrieben und beschreibt chronologisch, den Integrationsprozess in ein fremdes Land und all den Herausforderungen, die eine solche Entscheidung mit sich bringt. Die junge Ich-Erzählerin berichtet offen von ihrem Kampf um Akzeptanz und Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit. Sie hat Schwierigkeiten sich im neuen Land zurechtzufinden und fühlt sich fremd.

Die kursive Schrift dient zur Beschreibung der Gegenwart der Ich-Erzählerin. Der Alltag als Dolmetscherin ist sehr anstrengend. In ihren Übersetzungen hat sie es mit vielen belastenden Themen zu tun. Dieser Teil des Buches wird in einer protokollartigen Berichtsform geschrieben. Die Erzählerin berichtet über andere Figuren und deren Erlebnisse.

Sprache

Das Buch wird aus der Perspektive der Ich-Erzählerin geschrieben. Sie beschreibt ihre Erfahrungen ausführlich. Sie spricht sehr direkt und ehrlich. Ihre Sprache ist sehr bildlich und sie benutzt viele Anthropomorphismen, Personifikationen und euphemisthische Metaphern. Ihre Emotionen spiegeln sich in ihrer Sprache wieder. Wenn sie von negativ behafteten Erinnerungen erzählt, benutzt sie eine kalte und manchmal wütende Sprache. Im Buch wird nur die direkte Rede gebraucht und die Erzählerin zitiert sehr häufig die Aussagen von anderen Personen.

Gattung

„Die undankbare Fremde“ ist ein autobiographischer Roman. Eine Erzählung über das Immigrantenleben und dessen Herausforderungen. Das Buch ist in viele kleine Kurzgeschichten und Erlebnisberichte aufgeteilt. Man könnte es auch als eine Kurzprosa bezeichnen.

Rezeptionen und Auszeichnungen

Irena Brežná sorgte mit ihrem Roman für viel Aufregung. Mehrere deutschsprachige Zeitungen wie die NZZ, die Zeit, die Frankfurter Allgemeine Zeitung sowie die Süddeutsche Zeitung berichteten über ihren Roman. Aber auch international wurde der Roman stark diskutiert und in mehrere Sprachen übersetzt, so zum Beispiel in Schwedisch, Französisch, Italienisch und auch Slowakisch.

2015 wurde das Buch als Grundlage für eine Kampagne zum Tag gegen Rassismus der CaBi-Anlaufstelle in St. Gallen, Schweiz verwendet.

Rezensionen

Das Buch wird als sehr spannend und aktuell bezeichnet, denn es behandelt die immer noch sehr aktuelle Immigrationspolitik. Dennoch ist für viele Rezensenten die Haltung der Hauptperson zu diesem Thema zu starr.

So zum Beispiel schreibt Sibylle Birrer in der NZZ: „Zugleich aber macht die Parallelführung allzu deutlich, wie sehr die Erzählerin in ihrem (jugendlichen) Identitätskonflikt verharrt und sich in der Oberfläche der Alltagsphänomene festbeisst (…)“ auch Eva Pfister schreibt in der WOZ: «„Die undankbare Fremde“ hat eher essayistischen Charakter. Ironisch hält sie darin den freundlichen, ordentlichen, bescheidenen und demokratischen EidgenossInnen den Spiegel vor, der nicht immer ein schmeichelhaftes Bild zurückwirft.»

Der Roman wurde ausserdem im Schweizer Literaturclub des SRF von Iris Radisch, Hildegard Keller, Stefan Zweifel und Daniel Hell diskutiert.

Weitere Kritiken lauten:

„Brežná hat sich mit ihrem pointierten Buch über Ankommen, Anpassung und Widerrede einen Platz in der interkulturellen Literatur erschrieben.“ - Gunther Neumann, Wiener Zeitung

Preise

Irena Brežná gewann mit ihrem Buch 2012 den Eidgenössischen Literaturpreis.

Einzelnachweise

  1. Irena Brežná: Die undankbare Fremde. Kiwi Verlag, Schweiz 2012.
  2. © Bundesamt für Kultur: Irena Brežná. Abgerufen am 29. September 2020.
  3. Die undankbare Fremde. Abgerufen am 28. September 2020 (englisch).
  4. Die undankbare Fremde. Abgerufen am 28. September 2020 (englisch).
  5. Die undankbare Fremde. Abgerufen am 28. September 2020 (englisch).
  6. Irena Brezna: Die undankbare Fremde. Roman. Abgerufen am 28. September 2020.
  7. Die undankbare Fremde. Abgerufen am 28. September 2020 (englisch).
  8. Wenn Reibung keine Wärme erzeugt | NZZ. Abgerufen am 28. September 2020.
  9. Irena Brezna: «Die undankbare Fremde» : Staub besichtigen. 9. Mai 2012, abgerufen am 28. September 2020.
  10. Gunther Neumann: Buchrezension: Irena Brežná: Die undankbare Fremde. Abgerufen am 29. September 2020.
  11. © Bundesamt für Kultur: Irena Brežná. Abgerufen am 28. September 2020.
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