Direct air capture (DAC) ist ein Verfahren zur Gewinnung von Kohlenstoffdioxid (CO2) direkt aus der Umgebungsluft. Grundprinzip ist, dass Umgebungsluft durch einen Abscheideapparat strömt, der einen Teil des CO2 entzieht. Genauso wie bei Carbon Capture and Utilization ist das Ergebnis des Verfahrens reines CO2. Dieses kann anschließend für verschiedene Zwecke verwendet werden. Wegen dieser Eigenschaft werden solche Anlagen als „Artificial trees“ („künstliche Bäume“) bezeichnet.

Nutzungsmöglichkeiten des CO2 sind folgende:

  • die stoffliche Nutzung als Rohstoff, z. B. für die Chemieindustrie
  • die Herstellung CO2-neutraler Brennstoffe (EE-Gas und E-Fuels)
  • die geologische Speicherung des Kohlendioxids, wodurch sich negative Emissionen erzielen lassen. Das wird auch als Direct Air Carbon Capture and Storage (DACCS) bezeichnet und soll dazu dienen, der Atmosphäre aktiv das Klimagas Kohlendioxid zu entziehen und dauerhaft per CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) zu speichern, um damit der globalen Erwärmung entgegenzuwirken.

Geschichte

Das DAC-Konzept wurde im Jahr 1999 von dem in den USA tätigen deutschen Physiker Klaus Lackner erstmals vorgeschlagen. Es hat in den 2010er Jahren eine rapide Entwicklung erfahren. Es befindet sich aber noch immer im Entwicklungsstadium.

Verfahren

Zur Gewinnung von CO2 sind große Gebläse erforderlich, um Umgebungsluft durch einen Abscheideapparat zu leiten. Im Apparat befindet sich bei der Aminwäsche ein flüssiges Lösungsmittel aus organischen Aminen. Bei anderen Verfahren wird als CO2-Absorber beispielsweise Natriumhydroxid verwendet, das mit CO2 zu Natriumcarbonat reagiert. Dieses wird erhitzt, um hochreines gasförmiges CO2 freizusetzen. Natriumhydroxid wird dabei aus Natriumcarbonat recycelt. Beim Chemisorption-Verfahren bindet sich das CO2 an festes Sorptionsmittel. Im nächsten Schritt wird durch Hitze und Vakuum das CO2 vom Feststoff desorbiert. Unter den spezifischen chemischen Prozessen, die untersucht werden, sind drei hervorzuheben:

Die Aminwäsche wird ebenso zum Herausfiltern von reinem CO2 aus Punktquellen (Abgasen) benutzt, in denen das CO2 in höheren Konzentrationen vorliegt.

Niedrigkonzentriertes CO2 kann auch mit einem Anionenaustauschpolymerharz, genannt Marathon MSA, abgetrennt werden. Dieser Stoff nimmt in trockenem Zustand Luft-CO2 auf und gibt es in feuchtem Zustand wieder ab. Die Technologie erfordert weitere Forschung, um ihre Wirtschaftlichkeit zu bestimmen.

Andere Substanzen, die verwendet werden können, sind Metallorganische Gerüste (MOFs).

Membranabscheidungen von CO2 beruhen auf semipermeablen Membranen, um CO2 von Luft zu trennen. Diese Methode unterscheidet sich von den beiden anderen dadurch, dass sie wenig Wasser benötigt und eine geringere Grundfläche aufweist.

Wirtschaftlichkeit

Eine der größten Hürden bei der Implementierung von DAC sind die Kosten für die Abtrennung von CO2 aus der Luft. Einer Studie aus dem Jahr 2011 zufolge würde eine Anlage zur Abscheidung von einer Megatonne CO2 pro Jahr 2,2 Milliarden US-Dollar kosten. Andere Studien aus dem gleichen Zeitraum beziffern die Kosten für DAC weniger als halb so hoch, nämlich auf 200–1000 USD pro Tonne CO2 sowie 600 Dollar pro Tonne.

In einer von 2015 bis 2018 durchgeführten Wirtschaftsstudie einer Pilotanlage in British Columbia, Kanada, wurden die Kosten auf 94 bis 232 USD pro Tonne entferntem atmosphärischen CO2 geschätzt. Diese Studie wurde vom Unternehmen Carbon Engineering durchgeführt, welches finanziell an der Kommerzialisierung der DAC-Technologie interessiert ist.

Ab 2011 lagen die CO2-Abscheidungskosten für Verfahren auf Hydroxidbasis im Allgemeinen bei 150 USD pro Tonne CO2. Die derzeitige Trennung auf Basis flüssiger Amine beträgt 10 bis 35 USD pro Tonne CO2. Die Kosten für die adsorptionsbasierte CO2-Abscheidung liegen zwischen 30 und 200 USD pro Tonne CO2. Es ist schwierig, die spezifischen Kosten für DAC zu ermitteln, da jede der Methoden große Unterschiede in Bezug auf die Regeneration des verwendeten Sorptionsmittels und dessen Kosten aufweist.

Entwicklung

Carbon Engineering

Carbon Engineering ist ein kommerzielles DAC-Unternehmen, das 2009 gegründet wurde, unter anderem von Bill Gates und Murray Edwards. Seit 2015 betreibt es eine Pilotanlage in Britisch-Kolumbia, Kanada, die etwa eine Tonne CO2 pro Tag extrahieren kann. Eine von 2015 bis 2018 durchgeführte wirtschaftliche Studie zu ihrer Pilotanlage bezifferte die Kosten auf 94 bis 232 USD pro Tonne entferntem atmosphärischem CO2.

In Zusammenarbeit mit dem kalifornischen Energieunternehmen Greyrock wandeln sie einen Teil seines konzentrierten CO2 in synthetischen Kraftstoff, einschließlich Benzin, Diesel und Jet-A-Düsentreibstoff um.

Das Unternehmen nutzt eine Kaliumhydroxid-Lösung zur Absorption des CO2, das analog zum oben erwähnten Natriumhydroxid Kaliumcarbonat bildet.

Climeworks

Die erste großtechnische DAC-Anlage von Climeworks ging im Mai 2017 in Betrieb. In Hinwil, Kanton Zürich können 900 Tonnen CO2 pro Jahr gebunden werden. Um den Energiebedarf zu senken, nutzt die Anlage die Wärme einer örtlichen Müllverbrennungsanlage. Das CO2 wird verwendet, um die Gemüseerträge in einem nahe gelegenen Gewächshaus zu steigern.

Das Unternehmen gab an, dass die Abscheidung einer Tonne CO2 aus der Luft rund 600 US-Dollar kostet.

Climeworks ist in einer Partnerschaft mit Reykjavik Energy. Im Jahr 2007 wurde das CarbFix-Projekt gestartet. Im Jahr 2017 wurde das CarbFix2-Projekt gestartet und erhielt Mittel aus dem Forschungsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union. Das CarbFix2-Pilotprojekt läuft neben einem geothermischen Kraftwerk in Hellisheidi, Island. Bei diesem Ansatz wird CO2 in 700 Metern unter der Erde verpresst. Dort mineralisiert es basaltisches Grundgestein zu Karbonatmineralien. In der DAC-Anlage wird minderwertige Abwärme aus dem Geothermiekraftwerk genutzt, wodurch mehr CO2 eingespart wird, als beide produzieren.

Global Thermostat

Global Thermostat ist eine private Firma, die im Jahr 2010 in Manhattan (New York) gegründet wurde. Das zugehörige Werk liegt in Huntsville (Alabama). Global Thermostat verwendet Amine-Sorbentien auf Kohlenstoffbasis, die an Kohlenstoffschwämme gebunden sind, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. Das Unternehmen verfügt über Projekte, die von der Gewinnung in großem Maßstab mit 50.000 Tonnen pro Jahr bis zu kleinen Projekten mit 40 Tonnen pro Jahr reichen.

Das Unternehmen behauptet in seiner Anlage in Huntsville, CO2 für 120 USD pro Tonne zu entfernen.

Global Thermostat hat Verträge mit einem Getränkehersteller (mit dem DAC CO2 für seine kohlensäurehaltigen Getränke gewinnen soll) und einem Ölkonzern abgeschlossen, der mit der Technologie von Global Thermostat Pionierarbeit in Sachen DAC-to-Fuel leisten will. Dabei geht es um die Herstellung von Kraftstoffen mit dem aus DAC gewonnenem Kohlenstoff.

Andere Unternehmen

  • Infinitree – früher bekannt als Kilimanjaro Energy and Global Research Technologym Teil der US-amerikanischen Carbon Sink. Demonstration eines Vor-Prototyps mit wirtschaftlich rentabler DAC-Technologie im Jahr 2007.
  • SkyTree – ein Unternehmen in den Niederlanden,
  • UK Carbon Capture and Storage Research Centre,
  • Antecy – ein niederländisches Unternehmen, das 2010 gegründet wurde.

DACCS

DAC gilt zugleich als vielversprechende Klimaschutz-Technologie. Wenn DAC mit einem CCS-System kombiniert wird, kann diese Technologie negative Emissionen produzieren und somit helfen, die Ziele des Pariser Klimaabkommen zu erreichen. Gleichzeitig weisen Wissenschaftler darauf hin, dass DACCS kein Ersatz für schnelle Klimaschutzmaßnahmen in der Gegenwart sein könne, da nicht sichergestellt ist, dass DACCS langfristig in ausreichendem Maße zum Einsatz kommen kann. Die Entwicklung und Umsetzung von DACCS-Anlagen solle nicht dazu führen, dass die Klimaschutzbemühungen in der Gegenwart in der Hoffnung auf zukünftige Erfolge der DACCS-Technologie abgeschwächt werden. Die Entwicklung von DACCS solle gefördert werden, aber das dürfe nicht dazu führen, dass DACCS anstelle anderer Klimaschutzoptionen eingesetzt werde, sondern zusammen mit diesen.

Voraussetzung für die Schaffung negativer Emissionen ist jedoch, dass eine kohlenstofffreie Energiequelle für den Betrieb der DACCS-Anlagen vorhanden ist. Die Verwendung von mit fossilen Brennstoffen erzeugter elektrischer Energie würde dagegen letztendlich mehr CO2 an die Atmosphäre abgeben, als gleichzeitig eingefangen würde. Ein Nachteil von DACCS ist dabei der hohe Energieverbrauch der Technologie. DAC erfordert aufgrund der niedrigen Konzentration von CO2 in der Luft einen viel größeren Energieeinsatz im Vergleich zur herkömmlichen Gewinnung aus Punktquellen wie Rauchgas. Die theoretische Mindestenergie, die zur CO2-Gewinnung aus der Umgebungsluft benötigt wird, beträgt ca. 250 kWh pro Tonne CO2. Die Abscheidung aus Erdgas- und Kohlekraftwerken erfordert ca. 100 bzw. 65 kWh pro Tonne CO2. Aufgrund dieses impliziten Energiebedarfs haben einige Geo-Engineering-Befürworter vorgeschlagen, „kleine Kernkraftwerke“ für die Energieversorgung von DAC-Anlagen zu verwenden, was möglicherweise eine ganze Reihe neuer Umweltauswirkungen mit sich brächte.

DAC, das sich auf die Absorption auf Aminbasis stützt, hat zudem einen erheblichen Wasserbedarf. Es wurde geschätzt, dass für die Abscheidung von 3,3 Gigatonnen CO2 pro Jahr 300 km³ Wasser erforderlich sind oder 4 % des Wassers für Bewässerung. Andererseits benötigt die Verwendung von Natriumhydroxid viel weniger Wasser, aber die Substanz ist selbst hoch ätzend und gefährlich. Insgesamt liegt der Wasserbedarf von DACCS dennoch etwa um Faktor 10 oder mehr unter dem Wasserverbrauch von BECCS. Zudem ist der Flächenverbrauch von DACCS, gerade im Vergleich zur flächenintensiven Nutzung von BECCS, minimal und liegt bei 0,001 ha/Tonne CO2eq und Jahr. Wie BECCS erfordert DACCS zudem das Vorhandensein von sicheren geologischen CO2-Speichern, auch in Hinblick auf das Risiko von Leckagen und induzierten Erdbeben.

Die Entfernung von atmosphärischem Kohlendioxid durch DACCS-Anlagen ist aufgrund des hohen materiellen Aufwandes wahrscheinlich deutlich teurer als traditionelle Klimaschutzoptionen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft. Selbst mit erheblichen Kostensenkungen würden DACCS-Anlagen demnach aller Wahrscheinlichkeit erst dann errichtet werden, wenn praktisch alle nennenswerten Punktquellen fossiler Kohlendioxidemissionen die Freisetzung von CO2 eingestellt haben.

Eine potentielle Verwendung von DAC für eine verbesserte Ölausbeute würde zudem die Klimaschutzvorteile aufheben.

Einzelnachweise

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  2. Bernd Schlupeck: Künstliche Bäume gehen in Serie
  3. Können Wälder mit künstlichen Bäumen das Klima retten?
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