Divino artista (der göttliche Künstler) ist ein Begriff der frühen italienischen Kunstgeschichtsschreibung und impliziert, „dass die schöpferischen Fähigkeiten des Künstlers Teil der schöpferischen Kraft Gottes seien“, ein Künstler also durch Gott befähigtes Werkzeug zur Schöpfung etwas ganz Neuen sein kann. Der Begriff bezeichnet eine Genialitätszuordnung.

Begriffsgeschichte

Leon Battista Alberti erkannte im Künstler den alter deus, den anderen Gott. Einen bedeutenden Beitrag zum Konzept des divino artista leisteten die Künstler-Biographien Vasaris.

Divino als Attribut für einen Künstler taucht erstmals in der dritten und letzten Überarbeitung von Ariosts Bestsellers Orlando furioso von 1532 auf, wo Ariost selbst schreibt: „Michel più che mortal Angel divino“. Michelangelo wird hier in einer Liste aufgeführt, in der auch Homer, Platon, Dante oder Petrarca zu finden sind. Gelegentlich wird der „Titel“ – nachträglich – auch an Musiker, Dichter und Künstler des 15. Jahrhunderts vergeben, im 16. Jahrhundert sind auch Tizian, Aretino und Ariost selbst Träger dieser Auszeichnung. Besonders Michelangelo wird als Divino artista bezeichnet (vgl. Francisco de Holanda).

In Deutschland wird dieses Denkmodell erstmals von Albrecht Dürer vertreten. Werner Busch analysiert unter diesem Aspekt das Selbstbildnis im Pelzrock von Dürer. Dem divino artista gegenüber steht nach Katharina Bantleon die Vorstellung des deus artifex, dem künstlergleich schaffenden Gott.

Literatur

  • Patricia A. Emison: Creating the "Divine" Artist. From Dante to Michelangelo. Leiden, Boston: Brill 2004. (Cultures, Beliefs and Traditions. Medieval and Early Modern Peoples. Vol. 19.) ISBN 978-90-04-13709-7
  • Ulrich Langer: Divine and Poetic Freedom in the Renaissance. Nominalist Theory and Literature in France and Italy. Princeton Univ. Press 1990. ISBN 978-0-69160269-1

Einzelnachweise

  1. Hugh Honour, John Fleming: Weltgeschichte der Kunst. München 2007., S. 423.
  2. Katharina Bantleon. Vincent van Gogh im Spielfilm. Leben und Werk des Künstlers in Vincente Minellis „Lust for Life“. Leykam: Graz 2008, S. 16
  3. Hanno Rauterberg: Renaissance-Künstler: So viel Genie war nie. In: Die Zeit. Nr. 31/2011 (online).
  4. Zitiert nach Ulrich Pfisterers Rezension von Patricia A. Emison: Creating the “Divine” Artist. In: Sehepunkte. Ausgabe 6. 2006. Nr. 9.
  5. Vgl. Arnold Hauser. Sozialgeschichte der Kunst und Literatur. München: C.H.Beck 1990. S. 346: „Er ist kein Graf, kein Staatsrat, kein päpstlicher Superintendent, aber man nennt ihn den ‚Göttlichen‘.“
  6. Werner Busch: Die Autonomie der Kunst. Beltz 1985. in: Klant, Schulze-Weslarn, Walch (Hg.). Grundkurs Kunst 1. Schroedel 1988. S. 10ff.
  7. Katharina Bantleon. Vincent van Gogh im Spielfilm. Leben und Werk des Künstlers in Vincente Minellis 'Lust for Life'. Leykam: Graz 2008, S. 16
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